Restaurierungsarbeiten in der Schlosskirche in Lutherstadt Wittenberg
500 Jahre Reformation. Lutherstadt Wittenberg bereitet sich auf das Jubiläum im kommenden Jahr vor. Viel wurde in der Stadt schon restauriert – allem voran die neoromanische Schlosskirche, an deren Vorgängerbau Martin Luther seine 95 Thesen anschlug.
Das heutige neogotische Erscheinungsbild der seit 1997 zum UNESCO Welterbe gehörenden Wittenberger Schlosskirche geht auf den Architekten Friedrich Adler zurück, den der preußische Kaiser 1883 mit einem Entwurf beauftragt hatte. Der rund ein Jahrzehnt später fertiggestellte Bau wurde am Reformationstag 1892 eingeweiht – genau 375 Jahre nachdem Martin Luther seine 95 Thesen an die Tür des Vorgängerbaus angeschlagen haben soll. Die Tür, die ebenso wie die ganze 1506 erbaute Kirche einem Brand zum Opfer fiel, baute man bei der neogotischen „Ruhmeshalle der Reformation“ – so der Auftrag des Kaisers an seinen Architekten – aus Bronze nach. Der kaiserliche Auftrag war es wohl auch, der das äußere Erscheinungsbild der Haube und Spitze des 88 m hohen Kirchturms unentschieden zwischen einer Krone und einer Pickelhaube schwanken lässt.
Restaurierung der kostbaren Ausstattung
Seit 2013 wurde die Kirche unter Leitung des Dipl.-Restaurators Uwe Rähmer umfassend saniert und restauriert. Dabei ging es weniger darum, die vergleichsweise gut erhaltene Substanz zu retten, sondern vielmehr darum, mit hohem handwerklichem Aufwand die kostbare Ausstattung der Kirche im Inneren wieder herzustellen – einer Raumschale, deren Ornamentik vom Steinplattenmuster des Fußbodens über die bemalten Wände bis zu den Malereien unter der Gewölbedecke des Kirchenschiffs aufsteigt. Aufgestiegen sind auch wir von der Redaktion der bauhandwerk über eine schmale steinerne Spindeltreppe bis zur Orgelempore, um uns von dort aus die Deckenmalereien ganz genau anschauen zu können und weiter nach oben durch eine schmale Türe bis ins Dach hinein über den Kuppen der Deckengewölbe. Vor Ort hatten wir uns mit unserem langjährigen Autor Hans Jürgen Ronicke verabredet, der uns als Malermeister und Restaurator im Malerhandwerk einiges insbesondere über die Wiederherstellung der aufwendigen Wandmalereien erzählen konnte, die man ursprünglich in Schablonentechnik ausgeführt hatte. Dieser illusionistisch gemalte Wandbehang war auch eine der spektakulärsten Wiederentdeckungen im Zuge der Restaurierungsarbeiten. Ausgerechnet unter dem Luther-Epitaph kam ein Stück davon unter der gemalten Steinquader-Imitation zum Vorschein. Das war so gut erhalten, das die Restauratoren es als Vorlage für die Wiederherstellung der Wandmalereien verwenden konnten.
Illusionistische Vorhangmalerei
Das Team um die Restauratoren Sascha Howahl und Ralph Spies entfernte zunächst die „Tünche“ auf den Wandoberflächen und begann dann mit der Rekonstruktion des gemalten Wandbehangs. Schon beim Bau der Kirche hatte man die ursprüngliche Schablonenmalerei 1882 mit Mineralfarben der Firma Keim ausgeführt. Die gab es damals schon, da lag die Gründung des seinerzeit jungen Farbenherstellers gerade mal vier Jahre zurück. Die damals noch aus zwei Komponenten bestehende Mineralfarbe – die Bestandteile waren Kaliwasserglas und Spezialpigment – konnte man nur auf mineralischen Untergründen aufbringen. Für die Wiederherstellung der Wandmalereien verwendeten die Restauratoren ebenfalls wieder Mineralfarben von Keim, konnten bei ihren Arbeiten heute allerdings auf die verbesserte Qualität „Keim Optil“ zurückgreifen. Trotzdem erhielten die Flächen eine Sicherheitsgrundierung mit Spezialfixativ. Für die gute Brillanz der folgenden vielfarbigen Wandmalerei ist ein ganzflächig deckend aufgetragener weißer Anstrich mit Mineralfarbe verantwortlich. Auf drei unterschiedlich farbigen Untergründen (rötliches Braun, helles Grün und ein Violettfarbton) führte das Team um die Restauratoren die Schabloniertechnik handwerklich gekonnt aus. Dabei handelt es sich immerhin um eine Fläche von 350 m2, die man von Hand mit Schablonierpinseln rekonstruierte. Insgesamt musste fünfmal von Hand schabloniert werden, bis die illusionistische Wandmalerei virtuos ausgeführt war. Viele Meter des etwa 35 cm breiten zweifarbigen Fransenabschlusses am unteren Ende der Vorhangmalerei mussten als Illusion von Hand gemalt werden. Dana Widalski löste diese Aufgabe als Mitglied des Teams um die Restauratoren perfekt mit Strichzieher und Malstock. Die bogenförmig gemalten oberen und unteren Abschlüsse und die mit lasierten Strichen betonten Faltenwürfe verstärken die Illusion eines textilen Wandbehangs weiter.
Die Schablonen wurden nach den am Luther-Epitaph gefundenen Mustern digital aus Kunststofffolie gestanzt. Die Illusion eines textilen Wandbehangs erreichte das Team um die Restauratoren raffiniert durch die Muster- und Farbkombination von Untergrund und fünfschlägiger Schablonierung. Neben weiteren Bordüren galt es auch pflanzliche Rankenornamente auf den Spitzbögen mit der Schablonentechnik auszuführen. Die original erhaltenen Teile der Malerei wurden gereinigt, gefestigt und retuschiert.
Reinigung der Thesentür
Und auch die Thesentür aus Bronze bedurfte einer gründlichen Reinigung. Man hatte sie in der Vergangenheit immer wieder mit Öl behandelt, um sie zum Glänzen zu bringen. Diese Art der Behandlung hatte jedoch an der Oberfläche ölige Schlieren hinterlassen, in denen sich Staub festgesetzt hatte. Hier gingen die Restauratoren mit Bürsten, Skalpellen und feinen Spateln zu Werke, um die Oberfläche der Türblätter zu reinigen, ohne dabei die grüne Patina der Bronze zu entfernen. Abschließend behandelten sie die Bronzeoberfläche mit einem mikrokristallinen Wachs aus Mineralöl.
Offiziell eingeweiht Anfang Oktober
Mitte Mai fanden die 7,8 Millionen Euro teuren Restaurierungsarbeiten ihr Ende. Wichtigster Nutzer der Anfang Oktober in Anwesenheit der Königin Margrethe II. von Dänemark und des Bundespräsidenten Joachim Gauck eingeweihten Kirche ist neben der Schlossgemeinde das Predigerseminar. Dieses nutzt die Kirche zwar schon seit seiner Gründung zu Beginn des 19. Jahrhunderts, jedoch geht das Gebäude nun komplett an die Evangelische Kirche über – aus Landeseigentum also in Kircheneigentum.