Wand aus gestapelten Platten
Bau einer Kapelle in einem Ravensburger Krankenhaus

Im Ravensburger St. Elisabethen-Krankenhaus entstand an zentraler Stelle eine christliche Kapelle als Ort der Ruhe. Das Besondere: Ihre ungewöhnliche Form und die Art der Verarbeitung des Wandmaterials, denn die  Gipsfaserplatten wurden auf keine Unterkonstruktion geschraubt, sondern gestapelt.

Nähert man sich dem Krankenhaus St. Elisabeth in Ravensburg, ist der erste Eindruck nicht unbedingt überwältigend. Aktuell befindet man sich inmitten einer großen Baustelle, die bis zur Gesamtfertigstellung 2017 als fertiges Krankenhaus das Aushängeschild der Oberschwabenklinik GmbH werden soll. Beim Näherkommen erkennt man allerdings nach und nach, dass dieses Krankenhaus einmal ein Schmuckstück sein könnte. Vorbei am frisch eröffneten Ärztehaus geht es zum Haupteingang im neuen Bettenhaus, das zusammen mit dem Ärztehaus den ersten Bauabschnitt bildet. Insgesamt werden rund 115 Millionen Euro im ersten und 125 Millionen Euro im zweiten Bauabschnitt investiert. Geld, das dazu beitragen soll, das größte Krankenhaus im Verbund der Oberschwabenklinik GmbH für die Zukunft fit zu machen.

Mit der Investition entschied sich der Kreistag des Landkreises Ravensburg auch gegen einen kompletten Neubau auf der grünen Wiese und für eine Sanierung und Erweiterung des traditionellen Standorts. So entsteht bis 2017 eine Bruttogeschossfläche von insgesamt rund 88 000 m2.

Ruhepol an zentralem Ort

Teil der Planungen für das neue Bettenhaus war auch ein Seelsorgebereich und Ruhepol. Der Wunsch der Bauherren und der Förderer aus dem Freundeskreis der neuen Kapelle im Krankenhaus St. Elisabeth war es, diesen Ort nicht zu verstecken, sondern zu zeigen. Statt wie bei der Vorgängerkapelle, die nur fand, wer sie suchte, sollte die neue Kapelle ins Auge fallen. Also wurde sie dort platziert, wo sich Treppenzugänge, Zugänge zu den Aufzügen und Wege durch das Gebäude kreuzen.

Doch wie musste eine Kapelle beschaffen sein, die als Ort der Ruhe an einer eher unruhigen Stelle bestehen kann? Als Lösung entwarf Architekt Manfred Ehrle von Arcass eine eigenständige Form: Statt als rechteckiger Raum am Rand, entstand ein Raum-im-Raum-Konzept, das im Grundriss mit einer elliptischen Form wie ein Schneckenhaus angelegt ist. Durch ihre Position ist es schwer, an der Kapelle vorbei zu eilen, ohne sie wahrzunehmen. Damit man innen, dort wo man Ruhe sucht, allerdings nicht ständig an das lebendige Hin und Her vor der Kapellentüre erinnert wird, war eine schalloptimierte Trockenbau-Wandkonstruktion mit Gipskartonplatten geplant. Doch diese hätte viele Bewegungsfugen mit sich gebracht und so den Wunsch nach einer homogenen Außenhülle nicht erfüllt. Also dachte man über Alternativen nach und landete nach Überlegungen zu Beton und gestapelten Holzbrettern bei Gipsfaserplatten. Diese wurden jedoch nicht gestellt und durch eine Trockenbaukonstruktion gestützt, wie dies üblich wäre, sondern gestapelt.

Bekanntes Material neu interpretiert

Durch die Stapelung der Platten ergibt sich eine Hülle, die mit ihrem Relief spannende Licht- und Schattenspiele erzeugt. Die Wahl der Gipsfaserplatten von Knauf riessler als Material und der Stapelung als Konstruktion war dabei das Ergebnis eines engen Austauschs zwischen Architekt Manfred Ehrle, Künstler Bernhard Huber und Markus Rießler von Knauf riessler. So kam laut Bernhard Huber während einer Besprechung die Frage auf, ob man nicht mit den Gipsfaserplatten etwas machen könne. Denn die Materialprobe, die auf dem Besprechungstisch lag und als Beispiel für die eigentlich angedachte Deckenkonstruktion dienen sollte, regte zum Nachdenken an. Das Ergebnis: Aus den bloßen Gedanken wurden konkrete Überlegungen und daraus schließlich der Beschluss, die Kapelle aus gestapelten Vinova-Gipsfaserplatten zu bauen.

Auf Basis eines im Computer generierten 3D-Modells, das Künstler Bernhard Huber erstellte, begannen die Vorplanungen. Schnell wurde klar, dass es mit den Gipsfaserplatten möglich war, auch Elemente wie Regale oder Halterungen aus der Wand heraus zu entwickeln. Doch die Grundform, die Wandgeometrie und die spiralenförmige Abfolge der Außenhülle brachten Herausforderungen mit sich. So war nahezu jede Platte für den Wandaufbau ein Unikat und musste einzeln angefertigt werden. Auch die aus der Wand heraus kragenden Regale und Flächen machten diesen Schritt nötig. Gemeinsam mit den Fachberatern von Knauf riessler gelang es jedoch, die komplexe Konstruktion umzusetzen.

Möglich war dies, weil man Gipsfaserplatten exakt mit CNC-Maschinen millimetergenau bearbeiten kann und der Werkstoff aufgrund seiner dem Stein sehr ähnlichen Eigenschaften extrem formstabil ist. Ein Arbeitsschritt den der Hersteller der Platten direkt für den Verarbeiter übernimmt. Im Fall der Ravensburger Kapelle wurden aus 2560 mm x 1260 mm großen Grundplatten, die in den Dicken 12 mm,
25 mm und 38 mm verwendet wurden, die Einzelelemente der Wand hergestellt.

Die nach dem 3D-Modell gefertigten Platten sind auch das Besondere an diesem „Gebäude“. Wie bei einer Trockenmauer wurde Platte auf Platte gestapelt, und es entstand eine Wand aus Gipsfaserplatten. Um ausreichend Stabilität zu erreichen, wurde jede Schicht mit der darunter liegenden verklebt. Ein Kleber auf PU-Basis von Kleiberit sorgt gemeinsam mit den zusätzlichen Zapfen für die Passgenauigkeit und den Halt gegen Querbewegungen.

Roh und ohne Furnier

Die Montage der Platten zu einer gestapelten Wand erforderte Muskelkraft. Denn im Rohformat von 2560 mm x 1260 mm wiegen die Platten zwischen 58 kg
(12 mm) und 184 kg (38 mm). Selbst die bearbeiteten Platten wogen im Schnitt noch über 30 kg.

Um das Handling nicht unnötig zu erschweren, wurden die zur Montage fertigen Elemente von Knauf riessler auf Paletten mit etwa je 500 kg angeliefert. So konnten diese mit Lastenaufzug und Hubwagen an den Montageort transportiert werden. Dort montierten und verklebten sie die Trockenbauer. Die Zapfen und Aussparungen in den Platten erleichterten bei der Montage die exakte Ausrichtung.

Dass die Platten nicht mit Furnier oder Folie kaschiert wurden, sondern als „Rohmaterial“ Verwendung fanden, liegt am optischen und haptischen Eindruck. Eine Anmutung wie Stein und das angenehme Gefühl, beim Berühren des kühlen, jedoch nicht kalten Werkstoffs, überzeugten. So wurden die Platten ohne Kaschierung eingesetzt und nach erfolgter Montage mit einem 2 K Möbellack auf PU-Basis im Spritzverfahren überzogen. So sind sie vor Verschmutzung geschützt.

Doch nicht nur die konstruktiven und optisch-haptischen Eigenschaften sprachen für die Gipsfaserplatten. Auch den gewünschten Schallschutz konnte die Konstruktion erfüllen. Denn alleine die schiere Masse sorgt für eine geringe Schallübertragung der Wandbauteile. Mit einem Gesamtgewicht von rund 74 000 kg ist die Wand der Kapelle schließlich kein Leichtgewicht. Dass man trotz dieser schwergewichtigen Lösung keine zusätzlichen Maßnahmen an der Statik des neuen Bettenhauses vornehmen musste, liegt daran, dass in Krankenhäusern mit einer höheren Flächenlast von 5 kN/m2 kalkuliert wird.

Glasbänder für Licht und Farbe

Komplettiert werden die Wände der Kapelle von horizontal verlaufenden Glasbändern und einer großen Holztür. Die Scheiben der Glasbänder hat Künstler Bernhard Huber entworfen und hergestellt, der mit seiner Glaskunst schon häufiger Gebäude künstlerisch aufgewertet und ergänzt hat.

Die Zusammenarbeit zwischen Künstler, Architekten, Verarbeiter und dem Plattenhersteller wird von allen Beteiligten als sehr positiv beschrieben. Oder wie Bernhard Huber es ausdrückt: „Es ist alles so gut geworden, weil alle Beteiligten ergebnisoffen waren und freundschaftlich zusammen gearbeitet wurde.“

Auch das Ergebnis spricht diese Sprache: Die Kapelle ist gelungen. Betritt man sie, gelangt man in den Eingangsbereich mit Weihwasserbecken und Nischen für Bibeln und Informationsmaterialien. Sowohl die Fläche für das Weihwasserbecken als auch die Nischen sind aus der Wand herausgearbeitet oder treten aus ihr hervor. Diese Idee hatte Bernhard Huber, der alle Ablageflächen, Kerzenständer, eine Nische für eine Madonnenfigur und Regale aus Vor- und Rücksprüngen der Gipsfaserplatten entwickelte. Sie wurden ebenso aus den Grundplatten erstellt wie die übrigen Wandelemente, erhielten jedoch die nötigen Vor- und Rücksprünge sowie gegebenenfalls Ausfräsungen für Weihwasserbecken oder Kerzen.

Der Hauptraum ist bestuhlt und kann daher flexibel angepasst werden. Geprägt wird er durch das Relief der Wand und die farbigen Glasscheiben, die durch einen Altar sowie einen Ambo aus Sandstein ergänzt werden.

Autoren
Andreas Knoll ist in der Verkausleitung Knauf Design Deutschland Schweiz bei der Knauf riessler GmbH & Co. KG in Wolpertshausen tätig.
Dipl.-Ing. Architektur, Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Marc Nagel ist als freier Journalist und Autor in der Marketing- und PR-Beratung für Bau und Architektur tätig. Er lebt und arbeitet in Stuttgart.

Wie bei einer Trockenmauer wurde Platte auf Platte gestapelt und es entstand so eine Wand aus Gipsfaserplatten

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