Holz-Modulbau mit Zukunft
Büroneubau mit Besucherzentrum am Egger-Standort in Brilon
Das neue Besucherforum am Egger-Standort Brilon ist selbstredend ein Holzbau. Dabei beruht das Grundraster des Modulbaus auf den Abmessungen des zur Beplankung verwendeten Maximalformats der OSB 4 TOP Platte. Die spezielle Raumaufteilung erzeugt abwechslungsreiche Grundrisse sowie eine lebendige Fassade.
Der Büroneubau mit einem Besucherzentrum im Erdgeschoss in Brilon im Hochsauerland wurde selbstverständlich als Holzbau geplant. Damit wird das Bestandsgebäude aus dem Jahr 1990 ergänzt. Ein gläserner Verbindungsgang koppelt beide Gebäude zu einem Ensemble zusammen.
Dem neuen Dreigeschosser mit rund 58 m Länge, 15 m Breite und knapp 11 m Höhe liegt als Konstruktionsprinzip eine Modulbauweise zugrunde. Der mit dem „Forum Brilon“ beauftragte österreichische Architekt Bruno Moser setzte die Bauweise bereits bei zwei anderen Projekten der Egger-Gruppe ein: 2010 für das nach dem System der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) zertifizierte Verwaltungsgebäude in Radauti (Rumänien) und 2011 beim TechCenter in Unterradlberg (Niederösterreich).
Modulbau in doppeltem Sinn
Modulbau heißt hier jedoch nicht, dass vollständig im Werk vorgefertigte Kuben der immer gleichen Abmessungen hergestellt werden und wie „Fertigteil-Garagen“ auf die Baustelle gebracht, aneinandergereiht und gestapelt zu einem beliebigen Gebäude im Raster der Kubenabmessungen zusammengesetzt werden.
Der Hersteller von Holzwerkstoffen verfolgt mit seiner Modulbauweise einen anderen Ansatz: Die Modularität bezieht sich auf die immer gleichen Abmessungen der einzelnen Flächen-Elemente für Wand, Decke beziehungsweise Boden, aus denen Gebäude gefertigt werden. Länge und Breite der Flächen-Elemente entsprechen dem Maximalformat der OSB 4 Top Platte (aus eigener Fabrikation) mit 11,40 (11,50) x 2,80 m. Mit ihr sind die Boden-/ Decken- und Wandelemente beplankt. So liegt einem Gebäude in dieser Modulbauweise das Plattenformat als Konstruktionsraster zugrunde.
Gleichzeitig wurden bei diesem Projekt aus den modularen Bauteilen je Querachsmaß Räume aus offenen und geschlossenen Bereichen, die nach einem bestimmten Prinzip gebildet werden, das ebenfalls modular ist, errichtet.
Beim Besucherzentrum in Brilon nehmen die Außenabmessungen dieser Räume jeweils die Gebäudebreite (5 x 2,80 m + 2 x Außenwanddicke = circa 15 m) ein sowie 11,40 m des Querrasters. Aneinandergereiht und gestapelt ergeben sie ein Gebäude in Modulbauweise im doppelten Sinn.
Bildungsprinzip der Räume
Die Räume bestehen aus gedämmten Hohlkasten-Elementen für Boden beziehungsweise Decke sowie gedämmten Holzrahmenbauwänden und Brettschicht-(BS)-Holz-Stützen. Sie werden unsymmetrisch aufgeteilt und erhalten jeweils einseitig im ersten Feld – je nach Bedarf auch in den ersten beiden Feldern – eine „Box“ aus Holzrahmenbauwänden (11,40 m x 2,80 m oder 11,40 x 5,60 m), während die folgenden Felder – in Brilon sind es vier – einen offenen Grundriss haben. Hier liegen die Decken-Elemente auf BS-Stützen ebenfalls im Raster platziert auf.
Die besondere Idee an der unsymmetrischen Anordnung der offenen und geschlossenen Bereiche liegt in der speziellen Wirkung, wenn man sie bei der Reihung und Stapelung jeweils um 180 Grad zueinander dreht. Dann liegen die Boxen schachbrettartig über den Grundriss beziehungsweise über die Geschosse hinweg verteilt und schaffen abwechslungsreiche Räume und Raumbezüge. Auch spiegelt sich die versetzte Anordnung in einer lebendigen Fassade aus transparenten und opaken Flächen wider.
Jeder Modul-Raum ist selbsttragend
Jeder der Räume bildet ein in sich stabiles Tragwerk mit aussteifenden Wand- und Decken- beziehungsweise Dachscheiben. Daher lassen sich im Prinzip beliebig viele solcher Räume aneinanderreihen beziehungsweise stapeln – vertikal natürlich nur so viele wie die jeweilige Landesbauordnung an Holzbau-Geschossen zulässt.
Durch die Addition der selbsttragenden Räume gewinnt die Gesamtkonstruktion des Gebäudes zusätzlich an Steifigkeit, sodass man die Anzahl der queraussteifenden Wandscheiben bei einem Objekt in der Größenordnung des Besucherzentrums sogar reduzieren könnte.
Die Wandschmalseiten der „Box“ sind jeweils beidseitig zur Hälfte mit 18 cm dicken Plattenstreifen aus sechs verklebten Schichten OSB 4 Top beplankt – innen- und außenseitig versetzt angeordnet. In der Summe sind es je Achse vier Wandscheiben, die die Queraussteifung übernehmen. Dazwischen stehen BS-Holz-Stützen im Achsabstand von 2,80 m. Die 11,40 m langen und 2,80 m breiten Deckenelemente liegen entweder auf den Wandkronen oder punktförmig auf den Stützen auf. Spezielle Stahlverbindungsteile schließen die übereinander stehenden BS-Holz-Stützen zusammen.
Die als Scheibe ausgeführten Decken beziehungsweise Dachelemente fungieren als Horizontalaussteifung. Die halbseitig offenen Wandschmalseiten der Holzrahmenbau-Boxen sind für die vertikale Leitungsführung der Zu- und Abluft vorgesehen und dienen gleichzeitig als Vertikalschächte für Heiz-, Kühl-, Wasser- und Elektroleitungen. Nach dem Einziehen der Leitungsstränge über alle Geschosse werden sie mit OSB-Platten geschlossen.
Baustellenmontage bevorzugt
Anders als beim anfangs erwähnten klassischen Modulbau werden die Elemente erst auf der Baustelle montiert. Zwar könnten die Boxen werkseitig vorgefertigt werden, sie wären mit ihren Abmessungen von 11,40 m x 2,80 m jedoch zu sperrig für den Transport. Mit 11,40 m x 5,60 m wären sie sogar ein Sondertransport. Da auch die übrigen Bauteile vor Ort montiert werden müssen, böte eine teilweise Vorfertigung keinen Gewinn.
Architektur unter Rahmenbedingungen
Der Architekt musste bei seinem Entwurf und dem jeweilige Raumprogramm das vorgegebene Achsraster samt Raumaufteilung mit Boxen und Stützen als Zwangspunkte bei der Entwicklung der Grundrisse berücksichtigen. Dies gilt jedenfalls für Modul-Räume, die ganz aus Holz sein sollen. Legt man Stahlträger als deckengleiche Unterzüge zur Auflagerung der Deckenelemente in die Achsen – wie beim Verwaltungsgebäude in Radauti – können die Stützen zum Teil entfallen.
Sich den Rahmenbedingungen des Systems unterzuordnen, betrachtet Bruno Moser mehr als Herausforderung denn als Einschränkung. „Schließlich liegen auch jedem anderen Gebäude ein Raster und bestimmte Zwangspunkte zugrunde. Es ist Aufgabe des Architekten, daraus die beste Lösung zu entwickeln“, erklärt Moser und ergänzt: „Die Modul-Räume sind auch dahingehend flexibel, dass einzelne Deckenelemente zum Beispiel für den Einbau einer Treppe zwischen zwei Geschossen weggelassen werden können. Bei der Wahl der Fenster gibt es ebenfalls Gestaltungsspielraum: In der Außenwand der Boxen und auch bei allen anderen Außenwänden könnten geschosshohe Fenster ebenso eingebaut werden wie Fensterbänder oder einzelne Fenster beliebiger Größe.“
Für das neue Gebäude in Brilon wurden fast nur Produkte von Egger verwendet – allen voran die OSB 4 Top Platte. Letztere hat Bruno Moser als Wandbeplankung der Holzrahmenbau-Elemente sichtbar belassen und rückt damit auch die optischen Qualitäten der Platte ins Blickfeld der Besucher und Nutzer.
Brandschutz-Konzept für sichtbare Holzoberflächen
Das Fluchtweg-Konzept ermöglichte es, die Holzoberflächen unbeplankt und damit sichtbar zu belassen. Externe Fluchttreppenhäuser an den Gebäudestirnseiten bieten die erforderlichen Fluchtwege für Mitarbeiter und Besucher. Ein internes Treppenhaus als Fluchtweg hätte in Stahlbeton ausgeführt werden müssen. Das war nicht gewünscht. So wurde die zentrale vertikale Erschließung zur Nebentreppe erklärt und konnte dann aus BS-Holz und OSB 4 Top Platten eingebaut werden.
Wegen der hohen Rohdichte der OSB 4 Top von 600 kg/m³ hat die Platte zudem von Haus aus eine gute Luftdichtigkeit. Beste Voraussetzung für Niedrigenergie- und Passivhausstandard.
Fazit
Mit dem Konzept der „doppelten Modulbauweise“ konnten bei Egger drei ähnliche Bauprojekte in kurzer Zeit realisiert werden. Die Bauweise ist relativ einfach und zugleich sehr flexibel. Die Bauwerke haben einen hohen Wiedererkennungswert, ohne einander zu sehr zu ähneln. Diese Projekte zeigen, dass die modulare Bauweise mit Holz ein hohes Potential im mehrgeschossigen Holzbau hat.
Autor
Frank Drews leitet bei Egger das Marketing und Produktmanagement der Division Egger Building Products.
Die OSB 4 Top-Platte wurde als Wandbeplankung der Holzrahmenbau-Elemente sichtbar belassen
Das Fluchtweg-Konzept ermöglichte es, die Holzoberflächen unbeplankt zu lassen