Symbiose aus Fachwerk und Beton

Der Japanische Stararchitekt Tadao Ando ist für seine minimalistischen Betonbauten berühmt. Was entsteht, wenn eine solch puristische Architektur mit einer Fachwerkscheune aus dem 18. Jahrhundert verschmilzt, ist seit Mitte August in Bad Münster am Stein zu sehen.

Eigentlich war Tadao Ando Boxer. Architektur hat er nie studiert. Sich selbst versteht er als Handwerker und hat schon in jungen Jahren als Zimmermann gearbeitet. Sein bevorzugtes Material ist jedoch Beton, Sichtbeton in all seiner schlichten Schönheit. Dass es mit der Fondation Kubach-Wilmsen in Bad Münster am Stein nun ein weiteres Gebäude des weltberühmten Japaners in Deutschland gibt, ist Anna Kubach-Wilmsen und Wolfgang Kubach zu verdanken, die Tadao Ando Mitte der 1990er Jahre als Architekten für ihr Steinskulpturenmuseum gewinnen konnten. Allein das ist schon eine Sensation. Noch überraschender ist aber, dass Ando im Hunsrück seinen Sichtbeton mit einer 225 Jahre alten Fachwerkscheune kombiniert, die man eigens aus einem zehn Kilometer entfernten Dorf für das Museum nach Bad Münster gebracht hat. So etwas gab es bei dem bekanntesten Architekten Japans noch nie. 

Wiederaufbau einer regionaltypischen Fachwerkscheune

Die für die Region typische Feldscheune von 1785 ist der Hauptausstellungsraum des ansonsten von Tadao Ando als „Museum in der Landschaft“ konzipierten Ausstellungsgeländes. Auf dem Areal lassen sich die zum Teil großen Skulpturen unter freiem Himmel am besten zeigen.

Vor Ort sorgten die Architekten Dorian und Bodo Zapp aus dem nahen Bad Kreuznach für die Planung und die Mitarbeiter vom Ingenieurbüro JRN dafür, dass diese von den Handwerkern umgesetzt wurde. Für die historische Scheune waren die Zimmerleute der Ars Ligni GmbH aus Münchwald zuständig, die das Holztragwerk samt Ausfachung mit Lehm sowie dem Schieferdach in traditioneller Handwerkskunst wieder aufbauten – bis auf die beiden Giebelwände, hinter deren Fachwerkkonstruktion sich eine Glasfassade befindet. Dies hat seinen guten Grund, denn auch in der Scheune wird neben einer Klimatisierung auch auf künstliches Licht verzichtet. Wie auf den Freiflächen soll das Tageslicht die Kunst in Szene setzen. Im Hauptausstellungsraum ist neben den Steinskulpturen als Kontrast zur gezeigten Kunst und als handwerkliches Lehrstück das historische Tragwerk der Scheue zu sehen. Eine eingezogene Galerie sorgt für zusätzliche Ausstellungsfläche. 

Sichtbeton auf Tatami-Format mit Rödellöchern

Tadao Ando stellt in Bad Münster am Stein die alte Fachwerkscheune auf einen geschosshohen Sichtbetonsockel in einen Hof hinein, der ebenfalls von Mauern aus Sichtbeton umschlossen wird. Es ist aber nicht einfach nur irgendein Sichtbeton, sondern der, mit dem die Bauten des japanischen Stararchitekten zu Weltruhm gelangten. Mit anderen Worten: eine handwerkliche Herausforderung für die Willi Iselborn GmbH & Co KG aus Bad Kreuznach, die mit den Rohbauarbeiten beauftragt war, denn der japanische Architekt bemisst seine Schaltafeln nach der Größe von Tatami-Matten, die im Zusammenspiel mit den Rödellöchern das unverwechselbare Oberflächenraster seines Sichtbetons ergeben. Tatami-Matten sind eigentlich der aus Reisstroh hergestellte Fußbodenbelag in der traditionellen japanischen Architektur. Bei einem Rödelloch handelt es sich um den vom Kreuzungspunkt zweier Bewehrungsstähle gebildeten Punkt, der entsteht, wenn man die beiden Bewehrungsstähle mit Draht umwickelt – umgangssprachlich zusammenrödelt. Beides ist bei Sichtbeton hierzulande allerdings untypisch und bedarf daher besonderer handwerklicher Sorgfalt bei der Ausführung.

Zwischen den auf diese Weise entstandenen charakteristischen Sichtbetonwänden erstreckt sich der Steinskulpturengarten, der durch Einschnitte und Öffnungen in weiteren Betonmauern einen Dialog zwischen der Umgebung, den Bildhauerarbeiten und dem Ausstellungshaus herstellt. Mit dem seit Mitte August eröffneten Museum hat Tadao Ando einen einzigartigen und der Präsentation der insgesamt 65 Werke des Künstlerpaares Kubach-Wilmsen würdigen Ort geschaffen.

Weitere Informationen im Internet unter www.fondation-kubach-wilmsen.de

In Bad Münster kombinierte Tadao Ando Sichtbeton mit einer 225 Jahre alten Fachwerkscheune

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