Scheune wird Büro und Wohnhaus
Die zwar historische, aber nicht denkmalgeschützte, leer stehende Scheune wurde 1899 im alten Scheunenviertel von Herborn erbaut. Ziemlich genau 100 Jahre später wurde aus dem Gebäude nach umfangreichen Um- und Anbauarbeiten das durch den Architekten eigengenutzte Büro und Wohnhaus.
Ein Ziel des Umbaus war es, eine etwas heruntergekommene gründerzeitliche Prachtstraße in Herborn durch die Sanierung und Erweiterung einer unscheinbaren Scheune nachzuverdichten und aufzuwerten. Nach dem Umbau wird das Gebäude zum Wohnen und Arbeiten durch den Architekten und Bauherrn selber genutzt.
Anbau in moderner Forum und handwerklicher Tradition
Vor allem die moderne Interpretation des Fachwerks als großzügigen dreifach verglasten Anbau aus Eiche verdeutlicht den Entwurfsgedanken des Architekten: Beim Anbau wurde zeitgemäße Formensprache mit solider handwerklicher Tradition verbunden. Die Interpretation des Begriffs „Fachwerk“ war dem Architekten, der selber gelernter Zimmermann ist, ein besonderes Anliegen. Die Verbindung der Pfosten mit den Schwellen erfolgte durch Verblattungen, die wiederrum durch Keilschlösser gesichert sind.
Umbau verbindet Alt und Neu und die Ebenen im Haus
Ein weiters Ziel des Umbaus war es, dem Gebäude eine Identität mit einem sowohl regionalen als auch historischen Bezug zu verleihen. Neben Eiche verarbeiteten die Zimmerleute Lärche in handwerklicher Traditionen und moderner Technik. Im Sinne der Nachhaltigkeit und des Respekts vor der Geschichte wurden alte, regionale Materialien in einen modernen Kontext gesetzt und historische Konstruktionen in ihrem Ursprungszustand belassen.
Das Gebäude wurde mit unterschiedlichen Ebenen aus zimmermannsmäßigen Holzbalkendecken als Split-Level-Konzept ergänzt. Dabei wurde in Teilbereichen die historische Deckenkonstruktion in ihrem Ursprungszustand belassen. Weitere Deckenebenen bauten die Handwerker so ein, dass eine optimierte Raumhöhe entstand.
Vor allem der Dialog zwischen alten und neuen Materialien sowie auch zwischen Konstruktion und Form sollte authentisch wirken. Die Verwendung von Reststücken historischer Eichebalken mit einer rahmenlosen Verglasung für die Büroeingangstür ist sichtbares Zeichen dieses Entwurfsgedankens. Diese Spannung zwischen alten und neuen Materialien erzeugt den gestalterischen Reiz des Ensembles.
Experimenteller Einsatz der Baustoffe
Die teilweise experimentelle Verwendung von Bauprodukten und Materialien, wie zum Beispiel großformatige, zementgebundene Holzfaserplatten als Bodenbelag, verstärkt die Spannung zwischen Alt und Neu. Dass dieser experimentelle Einsatz in der Ausführung nicht immer ganz einfach war, zeigte sich bei der Verlegung der großformatigen zementgebundenen Platten mit einer Abmessung von 1,25 x 1,25 m. Da ein Fugenbild gewünscht war, sollte eine „Fliese“ verlegt werden. Durch die Besonderheiten des Materials kam es zu Schüsseleffekten, die mit Metallgewichten eines befreundeten Industriebetriebs überdrückt werden mussten.
Energetische Ertüchtigung der ehemaligen Scheune
Das ursprünglich offene Fachwerk der Scheune erhielt aus energetischen Gründen eine Kerndämmung aus Hanf. Richtschnur war hier eine möglichst diffusionsoffene Konstruktion mit einer hohen spezifischen Wärmespeicherkapazität. Die Fassade bekleideten die Handwerker daher mit einer Holzfaserplatte als Putzträger. Die Dämmdicke des Wandaufbaus beträgt insgesamt 24 cm Hanf- und Holzfaserdämmung. Das kleinformatige, massive Ziegelmauerwerk des Sockelgeschosses in einem preußischen Mauermaß blieb in seinem ursprünglichen Charakter erhalten. Dadurch können hohe Wärmespeicher- und Wärmepuffereffekte genutzt werden.