Sanierung und Umnutzung des Industriegebäudes Roggkaffol in Tangermünde für Wohnzwecke

Bei der Umnutzung des Industriegebäudes Roggkaffol in Tangermünde kam die kapillaraktive Innendämmung „TecTem“ zur Ausführung. Dass diese im Gebäude auch funktioniert, wurde mit der hygrothermischen Bau-Software COND berechnet.

Tangermünde liegt südöstlich von Stendal in der Altmark in Sachsen-Anhalt am linken Ufer der Elbe, wo der Fluss Tanger in die Elbe mündet. Der dortige Industriebau auf der Lüderitzer Straße in Tangermünde mit dem rätselhaften Namen Roggkaffol stammt aus dem Jahre 1900, erbaut von den Architekten Bargum und Krause. Ihr Auftraggeber war die Tangermünder Actien-Brauerei-Gesellschaft, die im Juli 1901 dort die Einweihung des Industriebaus feierte.

Über 20 Jahre wurde im Gebäude mit der markanten Backsteinfassade regionales Bier gebraut, wobei die Produktion während des Ersten Weltkrieges zum Erliegen kam. Von 1920 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges diente das Gebäude unterschiedlichen Nutzungen und bekam 1946 mit der Roggkaffol H. Goehde KG einen neuen Besitzer.

Die Bezeichnung „Roggkaffol“ wurde seinerzeit vorgeschrieben und hatte etwas mit der gleichzeitig vergebenen Lizenz zu tun, die ausschließlich die Herstellung und Verarbeitung der Produkte Roggen, Kaffee und Öl vorsah. Herr Goehde widmete sich dieser Aufgabe 25 Jahre lang, bis das Unternehmen 1972 von der damaligen Regierung der DDR zwangsenteignet und in einen volkseigenen Betrieb, den VEB Mühlenwerke Magdeburg, überführt wurde. Die Nutzung des Gebäudes nach der Wiedervereinigung als reine Lagerstätte der Magdeburger Mühlenwerke GmbH sorgte dann in den Jahren von 1991 bis 2008 für einen schleichenden Verfall des Gebäudes.

Vom Industriebau zum Wohnobjekt

Heutiger Besitzer des Industriebaus ist der Bauunternehmer Torsten Klipp, der es sich als Liebhaber historischer Industriebauten zur Aufgabe gemacht hat, das alte Gebäude wieder instand zu setzen und mit neuem Leben zu füllen. In einem ersten Bau- und Sanierungsabschnitt wurde das Gebäude im Jahr 2008 im Erdgeschoss für einen Versandhandel umgebaut. In einem zweiten Bauabschnitt wurde im ersten Obergeschoss neuer Wohnraum geschaffen, der im September 2019 bezugsfähig war. Es entstanden fünf moderne, barrierefreie Wohnungen mit jeweils einem Balkon und Raumhöhen von 2,5 m. Ganz wichtig war es dem Bauherrn auch hier, die industrielle Raumoptik mit weiß gekälkten Steinmauerwänden und großflächigem Vinylboden ohne Dehnungsfugen aufrecht zu erhalten, alles gepaart mit modernster Haustechnik wie Fußbodenheizung und hochwertiger Badausstattung. „Das ist für mich die oberste Prämisse. Es gibt nur noch wenige dieser alten Industriebauten mit dem Charme großer Räume, hoher Decken und traditioneller Baumaterialien wie Backstein und Stahlbeton“, so Torsten Klipp.

Unter dieser Maßgabe und mit dem zukünftigen Verwendungszweck als moderner Wohnraum in historischer Optik sollte die alte Backsteinfassade nicht von außen gedämmt werden. Es konnte nur eine Innendämmung zur Ausführung kommen. Hier entschied sich der Bauunternehmer für das Raumklimasystem „TecTem der Knauf Performance Materials GmbH.

Sicherheit dank moderner Nachweisverfahren

In enger Zusammenarbeit mit dem Hersteller wurde eine Plattendicke von 60 mm ermittelt. Eine höhere Plattendicke bis 100 mm hätte ebenfalls ausgewählt werden können, war aber laut feuchtetechnischen Berechnungen nicht erforderlich. Die Ermittlung der Plattendicke erfolgte mit dem COND-Programm nach stationären Klimadaten (DIN 4108). Hierbei handelt es sich um eine hygrothermische Bau-Software zur Berechnung, Optimierung und zum Nachweis von mehrschichtigen Außenwandkonstruktionen im Hinblick auf ihr Wärme- und Feuchteverhalten, das zum Beispiel stark durch die Kapillaraktivität der verwendeten Baustoffe beeinflusst wird.

Das Berechnungsverfahren ermöglicht einen von der Technischen Universität Dresden zertifizierten Feuchteschutznachweis für (1D-)Wandkonstruktionen, bei dem die Feuchtespeicherung und der Feuchtetransport der Außenwand untersucht wird. Damit ist es möglich, den Einfluss von Sanierungsmaßnahmen auf das hygro­thermische Verhalten eines Gebäudes zu quantifizieren und Schadenrisiken zu beurteilen.

Untersucht wurde folgende Konstruktion mit den vom Bauherrn übermittelten Daten: Wandkonstruktion aus Ziegel-Mauerwerk mit Verblender (Gesamtdicke 42 – 65 cm) + „TecTem Insulation Board Indoor“. Diese Wandkonstruktion funktioniert für die empfohlene Dämmstoffdicke von 60 mm bis zu 100 mm feuchtetechnisch einwandfrei. Alle Grenzwerte bezüglich des Mindestwärmeschutzes (R ≥ 1,2 m²K/W) sowie der Kondensatmenge (mW,T  ≤ 1,0 kg/m²) und der Austrocknungszeit (mW,V  ≥ mW,T) werden in den COND-Berechnungen unter stationären Klimarandbedingungen
(20 °C Raumtemperatur bei 50 Prozent relativer Luftfeuchte) eingehalten. Eine Kondensat- und Schimmelpilzbildung auf der ungestörten Wandfläche sowie Ecke kann somit nach der Dämmmung bei richtigem Heiz- und Lüftungsverhalten ausgeschlossen werden. Die hygroskopische Speicherfähigkeit der diffusionsoffenen kapillaraktiven Innendämmung puffert Feuchtespitzen der Innenraumluft und trägt zur Regulierung des Innenklimas bei. Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des Gesamtsystems ist die Schlagregendichtheit der Fassade: Es darf keine zusätzliche Feuchtigkeit von außen in die Konstruktion eindringen. Bei unterbundenem beziehungsweise reduziertem Schlagregeneintrag stellen Rest-Baufeuchten aufgrund des hohen Saug- und Verteilungsverhaltens des „TecTem-Systems kein erhöhtes Risiko dar. Eine Dämmstoffdicke > 100 mm wurde aufgrund erhöhter Feuchte- und Frostbelastung nicht empfohlen.

Thermisch getrennter Anschluss der Innenwände

Bauphysikalisch bedeutet eine Innendämmung von Außenwänden immer, dass diese nach der Sanierung kälter sind, als sie es vorher waren. Denn durch die Innendämmung wird die Wandoberflächentemperatur schnell und erheblich erhöht. Die Wand dahinter bleibt aufgrund der geringen Wärmeleitfähigkeit der Dämmplatte aber kühl. Treffen nun ungedämmte Innenwände auf innen gedämmte Außenwände, kann es an den Stoßpunkten zu ungewollten und kritischen Wärmebrücken kommen. Dieser negative Wärmebrückeneffekt nimmt zu, wenn Dämmschichtdicken unverhältnismäßig groß, also überproportioniert, gewählt werden.

Deshalb sollten Wandkonstruktionen gerade auch in den Bereichen der Stoßpunkte von Außen- und Innenwänden im Vorfeld unbedingt bauphysikalisch geprüft werden. Grundsätzlich gilt aber: Einbindende Bauteile wie Decken und Wände sollten an den Stoßpunkten mindestens mit 2,5 cm dicken Laibungsplatten gedämmt werden, um die Wärmebrückeneffekte zu reduzieren beziehungsweise zu vermeiden.

Da durch diese Empfehlung aber die historische und industrielle Optik der neu aufgemauerten Innenwände beeinträchtigt worden wäre, die bewusst und sehr kostspielig mit alten Kalksandsteinziegeln aus anderen Sanierungsprojekten errichtet wurden, entschied sich der Bauherr in Abstimmung mit der Technik für einen anderen Weg: Zum Einsatz kam bei den neu aufgemauerten Innenwänden im Anschlussbereich mit den Bestandswänden eine vertikale Schicht aus ebenfalls wärmedämmenden Kimmsteinen.

Unkomplizierte Montage der Platten

Da sich Bauunternehmer Klipp auf die Sanierung historischer Gebäude spezialisiert hat, kamen bei der Ausführung der erforderlichen Arbeiten ausschließlich seine eigenen Mitarbeiter zum Einsatz, die schon viele Erfahrungen in der energetischen Sanierung sammeln konnten. Hinzu kam eine Systemeinweisung für die „TecTem-Verarbeitung von einem Systemeinweiser von Knauf Performance Materials um die Sicherheit hinsichtlich der Verarbeitung des Systems zu erhöhen und einzelne Verarbeitungsschritte zu besprechen.

In einem ersten Arbeitsschritt wurde für die spätere haftsichere Verklebung der Platten der alte, nicht tragende Putzuntergrund von den Innenseiten der Außenwände entfernt. Da für die Montage der Platten ein ebener Untergrund erforderlich ist, brachten die Mitarbeiter des Bauunternehmens Klipp nachfolgend einen zum System gehörenden Ausgleichsputz als Grundputz vollflächig auf. Nach dem Durchtrocknen des Ausgleichputzes konnten dann die Dämmplatten montiert werden. Dazu wurde der zum System gehörende Klebespachtel vollflächig auf die Rückseite der Platten aufgetragen und mit einer Zahntraufel durchkämmt. Anschließend wurden die Dämmplatten im Verband und in waagerechten Reihen mit einem Mindestplattenversatz von 20 cm, stumpf gestoßen, angesetzt. Erforderliche Passstücke, die man zum Beispiel bei der Dämmung der Bogenfenster benötigte, konnten durch einfaches Zuschneiden der Platten mit Cutter oder Fuchsschwanz schnell erstellt werden. Überstände der Dämmplatten oder der Laibungsplatten für die Fenster- und Türöffnungen wurden mit einem Schleifbrett abgetragen.

Zur Verbesserung der Haftfähigkeit wurde die gesamte Dämmfläche anschließend mit der „TecTem“-Grundierung vorbehandelt. Nach etwa drei Stunden war die Grundierung durchgetrocknet und es konnte mit der Armierung begonnen werden. Dazu trugen die Handwerker den zum System gehörenden Innenputz auf und kämmten ihm mit der Zahntraufel durch. In einem weiteren Arbeitsschritt wurde das Gewebe oberflächennah und mit einer Überlappung von 10 cm in den Stoßbereichen eingelegt und die gesamte Fläche noch einmal dünn mit dem Innenputz überzogen.

Industrieller Betonlook mit „Glasputz“

Da der Bauherr unbedingt den Charme eines alten Industriegebäudes wiederaufleben lassen wollte, entschied er sich beim innenseitigen Oberflächenfinish der Außenwände für einen noch nicht weit verbreiteten Lösungsansatz. Zum Einsatz kam ein spezieller, von ihm selbst kreierter „Glasputz“. Hierfür wurde der „TecTem“-Innenputz grau eingefärbt und mit durchschnittlich 2 mm großen schwarzen Glaskugeln versetzt. Durch die Einfärbung und die enthaltenen schwarzen Glaskugeln entsteht der Eindruck, dass es sich nicht um eine Wand mit herkömmlich verputzter Oberfläche, sondern um reale Betonelemente handelt, die den typischen Charakter dieses Werkstoffs aufweisen: eine gewisse Porigkeit, die bei der Verarbeitung vor  Ort aufgrund der Verschalung und Verfüllung bei Betonflächen immer entsteht.

Ausbildung der Boden- und Deckenanschlüsse

Um eine thermische Entkopplung der Innendämmung von Decke und Boden zu gewährleisten, wurde bodenseitig mit Dämmstreifen gearbeitet, die die untersten Reihen der Innendämmplatten vom Boden trennen. Im Deckenbereich war dieses Vorgehen nicht erforderlich, da die Decken zuvor ebenfalls gedämmt und mit Gipskarton abgehängt wurden. Als Dämmung wurde hier mit Mineralwolle in Form von Klemmfilzen gearbeitet. Zwischen Gipskartonplatten und Deckendämmung zogen die Handwerker eine zusätzliche Dampfsperre ein, die an den Rändern leicht überlappend in die Verklebung der abschließenden Dämmplatten mündete. Durch diese Vorgehensweise konnten Wärmebrücken zwischen den Bauteilen Boden, Decke und Wand ausgeschlossen werden. Zudem wird so die Luftdichtigkeit der Gesamtkonstruktion sichergestellt.

Autorin

M.Sc. Filiz Bekmezci ist Bauingenieurin und als Produktmanagerin Dämmsysteme bei der Knauf Performance Materials GmbH in Dortmund tätig.

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