Digitalisierung während der Ausbildung: Maurer-Lehrlinge nutzen Software „123erfasst“
Betriebe wissen nur zu gut, dass sie qualifizierten Nachwuchs benötigen, um mit dem technologischen Wandel Schritt halten zu können. Dies beinhaltet auch eine Einführung in branchenspezifische IT-Werkzeuge. So geschehen im Berufsbildungs- und Technologiezentrum (BTZ) Bensheim der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main.
Dort setzen in einem Projekt der Zukunftswerkstatt Auszubildende des Maurerhandwerks die Baustellenmanagementsoftware „123erfasst“ ein, heißt es in einem Pressebericht der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main. Das Softwarehaus “123erfasst” aus Lohne hat die App entwickelt.
Digitale Werkzeuge sinnvoll nutzen während der Ausbildung
Das vom Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen geförderte Projekt Zukunftswerkstatt hat zum Ziel, digitale Werkzeuge und Medien in die Ausbildung zu integrieren und sinnvoll zu nutzen. Dazu werden Unterrichtsmethoden entwickelt, erprobt und implementiert, die die Brücken zwischen dem handwerklichen Lernen und den digital veränderten Berufs- und Erfahrungswelten schlagen. Ziel sei die Kompetenzen der Auszubildenden zu erweitern und nachhaltige positive Lernerfahrungen zu ermöglichen. So wurde unter anderem eine Lernmanagementsoftware eingeführt und in einem Tiefbaukurs ein digitales Nivelliergerät eingesetzt.
Azubis lernen die „123erfasst“-App kennen
Auf der Lehrbaustelle: Ausbilder Roger Traiser erklärt einem Auszubildenden die Funktionen von „123erfasst“
Foto: HWK Frankfurt-Rhein-Main
Um den Auszubildenden zu vermitteln, wie die digitale Vernetzung von Büro und Baustelle funktioniert, band man gemeinsam mit dem Ausbilder die Baustellendokumentations- und Zeiterfassungssoftware „123erfasst“ in einen zweiwöchigen Kurs der überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung (ÜLU) ein. Auszubildende des Maurerhandwerks im ersten Lehrjahr, die in der Mehrheit in Kleinbetrieben mit fünf bis zehn Mitarbeitern ihre Ausbildung absolvieren, nutzen die App, um ihre Übungs-Baustellen zu managen und zu dokumentieren. Eine Vorerfahrung mit Software-Apps für das Baustellenmanagement lag bei keinem der Auszubildenden vor, betont die Handwerkskammer.
„123erfasst“ als umfangreichste Zeiterfassungsapp
Die Lösung von „123erfasst“ habe bereits bei einer Befragung der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main im Rahmen eines Webinars für Betriebe zum Thema „Digitale Zeiterfassung / Stundenzettel“ in 2021 gut abgeschnitten. Abgefragt wurden unter anderem Hardwarevoraussetzungen, Zuordnung der Zeiten und des Materials zu Baustellen und Kostenstellen, GPS-Standort-Erkennung und Fahrzeugdatenerfassung. Weitere Funktionen, wie zum Beispiel Fotodokumentation, Bautagebuch, Mängelerfassung flossen ebenfalls in die Bewertung mit ein.
Kolonne mit Tablets ausgerüstet
Jeweils eine Gruppe von Azubis bildete eine „Baustellenkolonne.“ Die Tablets mit der „123erfasst“-App haben die angehenden Maurer am Ende des Kurses schon in die Riege ihrer Werkzeuge aufgenommen
Foto: HWK Frankfurt-Rhein-Main
Da „123erfasst“ marktgängig und einfach zu handhaben sei, lag es nahe, die App bei der Maurer-ÜLU einzusetzen. Auch sprach für „123erfasst“ der relativ geringe Aufwand sowie die schnelle Einarbeitung. Die Abbildung aller Arbeitsschritte sowie der Effizienzgewinn, da Stundenzettel nicht mehr händisch ausgefüllt werden mussten und alle Dokumente in die Kundenakte einfließen, waren ausschlaggebende Kritereien.
„Wichtig dabei war, keine trockene Theorie zu vermitteln, sondern dass die Auszubildenden anhand einiger ausgewählter Funktionen die App im Praxiseinsatz kennenlernen“, heißt es von der Handwerkskammer. Ein Mitarbeiter und der Ausbilder schlüpften in die Rolle des Handwerksbetriebes und legten die Arbeitsaufgaben als Projekte auf dem Rechner im Ausbilderbüro an. Alle Auszubildenden übernahmen die Rolle der Mitarbeiter auf der Baustelle. Somit wurde ein alltagspraktisches Einsatzszenario nachgebildet. Die Teilnehmer wurden in zwei Kolonnen aufgeteilt. Jede Kolonne erhielt ein Tablet, auf dem die „123erfasst-App“ installiert war. Jeden Tag wurde vom Ausbilder ein anderer Kolonnenführer ernannt.
Dieser meldete seine Kolonne morgens in der App an und abends ab. Darüber hinaus dokumentierte er täglich den Baufortschritt per Foto und gab erläuternde Notizen wie verbrauchtes Material für den Bautagesbericht ein. Diese Daten überträgt die App automatisch ins Büro auf den Rechner des Ausbilders.
Betriebliche Baustellen-Praxis widergespiegelt
Obwohl bei der überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung der Fokus auf dem Erlernen der handwerklichen Fähigkeiten liegt, spiegelt die Dokumentation der Zeiten sowie der einzelnen Arbeitsschritte und des Materialeinsatzes die betriebliche Praxis wider. Die einfache Bedienung von „123erfasst“ auf dem mobilen Endgerät beeinträchtige durch den geringen Zeitaufwand somit in keiner Weise sonstige Lerninhalte.
„Der Vorteil der Arbeitsweise mit der App kam gut bei den zukünftigen Maurern an. Durch die Praxisnähe gibt sie ihnen einen Einblick in die betriebswirtschaftliche Seite ihres Tuns und vermittelt die Bedeutung der eigenen Tätigkeiten auf der Baustelle für den Betrieb“, fassen Azubis und Ausbilder zusammen. Auch das Verständnis für den Effizienzgewinn durch dieses digitale Hilfsmittel, wie keine mehrfache händische Stundenerfassung, war ein „Aha-Erlebnis” für die Jugendlichen.
Erfahrungen mit der App weitergeben
„In diesem Pilotprojekt hat sich gezeigt, wie wichtig das Erlernen digitaler Werkzeuge ist, um dem Einsatz der IT im Beruf aufgeschlossen gegenüberzustehen und für die Entwicklungen in der Baubranche optimal gerüstet zu sein. Daher wird die Zukunftswerkstatt die App auch bei weiteren Lehrgängen und Gewerken einsetzen. Auch geben die Mitarbeiter ihre Erfahrungen gerne an andere handwerkliche Bildungsanbieter weiter“, lautet das Fazit.
Autorin
Heike Blödorn M.A. ist Baufachjournalistin und Inhaberin der PR-Agentur blödorn pr in Karlsruhe.
www.123erfasst.de und www.hwk-rhein-main.de/de/aktuelles/zukunftswerkstatt
„123erfasst“ ist mehrsprachig
Auf vielfachen Kundenwunsch ist die App „123erfasst“ in sieben osteuropäischen Sprachen (Bulgarisch, Kroatisch, Polnisch, Rumänisch, Russisch, Tschechisch und Ukrainisch) verfügbar. Damit erleichtert das Softwarehaus nach eigenen Angaben den ausländischen Facharbeitern die Zeiterfassung und Antragstellung auf dem Bau. Die Sprache der App werde automatisch an die voreingestellte Systemsprache des Smartphones angepasst. Im Büro werden die Daten wie gehabt auf Deutsch, Englisch, Französisch oder Niederländisch weiterverarbeitet. Auch kann er in seiner Sprache auf Knopfdruck seinen Urlaubsantrag stellen. Übersetzt werden nur Feldbezeichnungen. Texte und Stammdaten, wie zum Beispiel „Material“, selber werden nicht übersetzt. Benötigt ein ausführendes Unternehmen diese mehrsprachig, können die Bezeichnungen in mehreren Sprachen hinterlegt werden, zum Beispiel in Deutsch und Polnisch „Holz / Drewno". Dafür vergrößerte „123erfasst“ extra die Feldlängen des Namens.
Über die 123erfasst.de GmbH
Das Softwarehaus bietet zur Optimierung der Bauprozesse verschiedene mobile Lösungen. Mit „123erfasst“ übermitteln die Bauunternehmen Daten wie Zeit, Leistung, Standort, Wetter, Material, Geräteeinsatz und Fotos zur Dokumentation von Baustellen ins Büro. Mit „123fleet“ automatisieren die Unternehmen die Baustellenzuordnung und Leistungserfassung der Geräte und Maschinen und verwalten die Prüfungs- und Wartungszyklen. Mit „123quality“ dokumentieren bauausführende Unternehmen und Planer Mängel auf den Baustellen und optimieren ihr Qualitätsmanagement. Seit der Gründung 2008 wächst das norddeutsche Unternehmen, wie es mitteilt. Im Juni 2018 habe sich das Softwarehaus der Nevaris Bausoftware GmbH, dem Technologieführer für digitale Prozesse in der Bauwirtschaft und Tochterunternehmen der international agierenden Nemetschek Group, angeschlossen.