Bessere Chancen
Gewerkeübergreifende Berufsausbildung im Bauhandwerk

Gerade in der jetzigen Zeit der Wirtschaftskrise bestätigt sich: Eine breit gefächerte berufliche Kenntnispalette erlernter handwerklicher Fertigkeiten eröffnet stets bessere Alternativen. Spezialisierung auf nur einseitige Tätigkeiten bergen erhebliche Risiken, besonders in Zeiten der Wirtschaftskrise. In dieser bewahrheitet sich nämlich: Wer schon in jungen Jahren seine Ausbildung breit gefächert angelegt hat , kann durch seine Vielseitigkeit bei möglichen Umbrüchen und Strukturveränderungen flexibler reagieren.

In meinen früheren Beiträgen in BAUHANDWERK hatte ich ausführlich darauf hingewiesen, wie wichtig auch für den Handwerker – nach einer soliden Grundausbildung – die stetige Erweiterung seiner theoretischen und praktischen Fertigkeiten durch Weiterbildung ist. Gerade in der jetzigen „Krisenzeit“ bestätigt sich nämlich wieder einmal, dass eine breit gefächerte berufliche Kenntnispalette erlernter, handwerklicher Fertigkeiten bessere berufliche Alternativen eröffnet. So kann der Handwerker, der schon in seinen Lehrjahren ein vielseitiges handwerkliches Wissen erworben hat, später besser in Zeiten der Krise auf Veränderungen reagieren – vorausgesetzt, er bildet sich in seinem beruflichen Werdegang weiter, ist also bereit, sein Leben lang zu lernen. Denn auch im Handwerk geht man in der Regel nicht in dem ursprünglich erlernten Ausbildungsberuf in den Ruhestand. Ebenso gehört die in den Nachkriegsjahren übliche, oft lebenslange Tätigkeit in einem Betrieb, längst der Vergangenheit an. Was aber durchaus Zukunft hat, ist das Rochieren innerhalb eines erlernten Berufes oder Handwerksbereichs. Dabei ist die hier gerade hervorgehobene, breit gefächerte Ausbildung in allen Tätigkeitsfeldern eines Berufs das notwendige und entscheidende Mittel zum Zweck.

 

Im erlernten Beruf

ist Rochieren möglich

 

Wie weit so eine breit gefächerte Berufsplanung reichen kann, möchte ich hier am Beispiel des Malerberufs beschreiben. Der berufliche Weg beginnt in der Regel mit einer Grundausbildung zum Gesellen. Um schon zu diesem Zeitpunkt ein vielseitiges handwerkliches Wissen zu erlernen, wäre es wünschenswert, sich für die gleichzeitige oder anschließende Teilnahme an Einzelkursen nach Feierabend (bieten die Innungen, Kammern und weitere Einrichtungen an) oder an Seminaren zum Erlernen spezifischer Mal- und Gestaltungstechniken (oft als Wochenendveranstaltung angeboten) zu entscheiden. Das spart Zeit. Die anschließende baldige Vorbereitung auf die Meisterprüfung, mit einer gekoppelten Ausbildung zum Lacktechniker, wäre empfehlenswert. Eine danach folgende, heute aber auch parallel zur Meistervorbereitung mögliche Aus- und Weiterausbildung zum „geprüften Baudenkmalpfleger“ oder – nach bestandener Meisterprüfung – zum „Restaurator im Handwerk“, und weiter danach noch als Abrundung ein Studiengang zum „Gestalter im Handwerk“ würde solch eine breit gefächerte Ausbildung vervollkommnen. Bei den Ausbildungsgängen zum Restaurator im Handwerk ist die Kooperation zu den angrenzenden Berufen übrigens Bestandteil des Ausbildungsganges.

Ziel solch umfassender Ausbildung innerhalb eines Berufes ist, bei Bedarf oder Notwendigkeit rochieren zu können. So kann der Maler auch als Farb- und Lacktechniker, als Restaurator im Handwerk, Baudenkmalpfleger, Kirchenmaler, Gestalter, Vergolder usw. arbeiten. Einen solchen Ausbildungsweg zu beschreiten erfordert natürlich Energie, Ausdauer, Ehrgeiz und den Verzicht auf so manche Annehmlichkeit. Als Grundlage für die eigene Selbständigkeit oder für eine spätere, gesicherte Anstellung in einem möglichst auch überregional agierenden Betrieb ist das aber die optimale Alternative zur allgemeinen Berufsausbildung. Es ist mir zwar klar, dass nicht jeder junge Mensch einen solch zeit- und kostenaufwendigen sowie sicher auch strapaziösen Weg gehen will. Sicher ist das aber ein erstrebenswertes Fundament für ein auch in Krisenzeiten abgesichertes Berufsleben.

Die in letzter Zeit häufig wieder propagierte „Vereinfachung“ der beruflichen Ausbildung, zur Anpassung an europäische Gegebenheiten, halte ich in diesem Zusammenhang für völlig falsch. Warum sollen wir etwas aufgeben, das nachweislich über Jahrzehnte den Unterschied handwerklichen Könnens deutscher Handwerker, im Vergleich mit Konkurrenten aus den Nachbarländern und darüber hinaus, ausgemacht hat? Nach wie vor ist der in Deutschland ausgebildete Handwerker hier und weltweit wegen der Qualität und Vielseitigkeit bei seiner Arbeitsausführung gefragt.

 

Die Kooperation von

Betrieben schafft Vorteile

 

Wie schon lange in anderen Berufsgruppen, besonders bei akademischen Berufen üblich, kann man mehr und mehr auch im Handwerk ein Zusammengehen von Betrieben mit solchen „angrenzender“ Gewerke feststellen, was erfreulicherweise zu einer zusätzlichen, überregionalen Wettbewerbsfähigkeit führt.

Ein Beispiel für einen solchen im Verbund kooperativ arbeitenden Unternehmer, einen Malermeister aus Herten, möchte ich im Anschluss vorstellen. An Hand höchst verschiedener, hoch attraktiver Kundenaufträge, die heute sogar bis in den arabischen Raum reichen, möchte ich zudem zeigen, welch lukrative weitreichende Chancen sich aus solch mutigem Agieren für den Inhaber eines Handwerksbetriebs eröffnen können.

Unter dem Slogan: „Die Spezialisten für Gestaltung, Restaurierung und Vergoldung“ haben sich mehrere in der Region ansässige selbständige Unternehmer aus verschiedenen, angrenzenden Gebieten des Handwerks kooperativ zusammengeschlossen. So können der zum Verbund zählende Maler-und Lacktechniker, der Restaurator im Malerhandwerk, der Schreiner und Möbelrestaurator, der Zimmermann, der Vergolder und der Kunstmaler (bei Bedarf kommt noch ein Restaurator im Maurerhandwerk hinzu) gemeinsame Projekte bearbeiten, wobei jedes Unternehmen dennoch auch weiterhin einzeln agiert.

 

Beim Kunden Vielseitigkeit und Kostenersparnis anbieten

 

Im Verbund übernehmen die Handwerker neben den üblichen Anstricharbeiten ins­besondere hochwertige Putz-, Decken- und Wandbeschichtungen in den klassischen und neuzeitlichen Techniken, einfache bis hochwertige Tapezier- und Bespannarbeiten sowie Gestaltungsarbeiten bis hin zur Wandmalerei. Gemein­sam übernehmen die Betriebe Restaurierungen in sakralen und profanen Bauten bis hin zur Möbelrestaurierung, wobei durch den Schreiner alle notwendigen holztechnischen Vorarbeiten, die Restaurierung und Neuanfertigung von Vergoldungen in allen Techniken hingegen durch den Restaurator und den Vergolder erfolgen.

Ermöglicht wird dies durch das Konglomerat aus handwerklich umfassend und in allen Techniken ausgebildeten Handwerksmeistern, die auf breit gefächerter Grundlage ihre Dienste dem Kunden anbieten können. Das ermöglicht vor allem ein Stamm aus bestens – wie zuvor beschrieben – ausgebildeten Mitarbeitern in den Einzelbetrieben. Im Laufe der Zeit hat sich der Verbund mehr und mehr auf eine gehobene Privatkundschaft eingerichtet. Der Kundenkreis wächst durch Mundpropaganda stetig – wegen der berufsübergreifenden Vielseitigkeit, der realistischen Kostenersparnis für den Kunden und den Unternehmer sowie der außerordentlichen Qualität der erbrachten Leistungen.

 

Kompetenz aus einer Hand erspart dem Kunden Kosten

 

Einer der letzten kooperativ vom Verbund durchgeführten Aufträge war eine Bürgervilla, an der zudem an einem Nebengebäude altes Fachwerk nach Befund und historischem Vorbild restauriert werden musste. Diese Arbeiten führten die Handwerker zeitgleich mit denen im Haupthaus in Gemeinschaftsarbeit vom Maurer, Schreiner, Zimmermann sowie Maler und Vergolder durch. Im Haupthaus erfolgte die Gestaltung eines Gästezimmers mit vorhandener großzügiger Vertäfelung in einer Strichlackierung mit Patinierung. An einer Deckenfläche wurde der Stuck ausgebessert (nach Befunduntersuchung) und danach der Anstrich und die Vergoldungen erneuert.

Neben den notwendigen Reinigungs- und Holzreparaturarbeiten an den Einbauwänden wurde außerdem der gesamte Raum in einer exklusiven Spachteltechnik gestaltet, die in der fertigen, abschließend mit Wachs behandelten Oberfläche ein tadelaktähnliches Aussehen hatte. Im Raum befand sich zudem ein Sideboard, das restauratorisch überarbeitet werden musste. Hier zeigte sich einmal mehr, dass die seit Jahren verfolgte Strategie, auch Mitarbeiter mit berufsübergreifenden handwerklichen Fähigkeiten zu beschäftigen, von höchstem Nutzen ist: Die notwendigen Holz und Verleimungsarbeiten übernahm der im Firmen-Verbund tätige Holzrestaurator, die anschließenden Polier- und Oberflächenarbeiten wurden von der in der Firma fest beschäftigten Technikerin für Baudenkmalpflege ausgeführt.

 

Grenzüberschreitende

Tätigkeit ist möglich

 

Solche kooperativen, berufsübergreifenden Zusammenschlüsse eröffnen sogar die Möglichkeit, sich an grenzüberschreitenden Projekten im Ausland zu beteiligen. So zum Beispiel an der Vergoldung und Gestaltung der Innenkuppel des Emirats Palace Hotels in Abu Dhabi, deren praktische Durchführung vom Autor im 2004 und 2005 organisiert und betreut wurde. Auch hier war eine kooperative Zusammenarbeit mehrerer Gewerke der Schlüssel zum Erfolg. Das Konglomerat aus umfassend ausgebildeten Mitarbeitern verschiedener Handwerksberufe (Schreiner, Maler und Vergolder) machte erst den Erfolg und weitere Folgeaufträge möglich.

Bei einer zuvor durchgeführten Vergoldung von Kuppeln in Medina in Saudi Arabien wurden die Arbeiten berufsübergreifend, von der Holzgrundbehandlung über die lacktechnische Vorbereitung bis hin zur fertigen Ölvergoldung unter „einem Dach“ in Deutschland durchgeführt und die fertigen Teile anschließend im Container nach Saudi Arabien geliefert. Die Fähigkeit, alle Arbeiten sozusagen aus einer Hand durchzuführen, hat dem Unternehmen seitdem eine vorrangige Option auf alle nachfolgenden Projekte des Auftraggebers gesichert, inklusive der Arbeiten für die Innenkuppel in Abu Dhabi.

 

Empfehlungen für

weitere Auslandsaufträge

 

Bei dem Projekt in Abu Dhabi musste in Südostasien allerdings auf einem dort gefertigten laminierten Untergrund die gesamte Vorbereitung für die danach folgende Ölvergoldung sowie die abschließende Bemalung mit einer aufwendigen Ornamentik logistisch organisiert und in allen Phasen handwerksgerecht durchgeführt werden. Das war nur aufgrund der gemachten Erfahrungen bei dem früheren Vergoldungsprojekt in Medina trotz manchmal schwieriger Bedingungen vor Ort möglich, weil alle tätigen Mitarbeiter über ein breites Spektrum handwerklicher Fähigkeiten, sowohl auf dem farbtechnischen Sektor als auch im Vergoldersegment, verfügten.

Dazu wurde in einer Montagehalle eigens ein klimatisiertes „Zelt“ vorbereitet. In drei Gruppen aufgeteilt, wurden die mehrere Meter großen Teile, auf und zwischen denen man sich notwendiger Weise bei der Arbeit bewegen musste, vom Maler und Gestalter grund- und lacktechnisch vorbereitet. Von diesem Gewerk wurden auch die Lasurteilbereiche in mehrmaligen Arbeitsgängen nach Vorgabe gestaltet, während die zweite Gruppe der Vergolder die zu vergoldenden Teile mit Blattgold belegte. Die dritte Gruppe der Gestalter war für das Bemalen mit Ornamentik zuständig.

Nach einem zuvor erstellten exakten Zeitplan mussten die Teilarbeiten der Handwerker natürlich genau aufeinander abgestimmt werden und ineinander greifen. Insgesamt acht Segmentteile, zuzüglich der jeweiligen Randteile, bildeten nach dem Zusammenbau vor Ort in Abu Dhabi die Gesamtkuppel, deren gestaltete Gesamtfläche etwa 800 m2 umfasst. Sechs Fachkräfte – allesamt Meister – haben daran in kollegialer Kooperation, basierend auf meiner logistischen mehrmonatigen Vorarbeit, gearbeitet.

Fazit

 

Es wird bei der Betrachtung der zuvor beschriebenen Projekte deutlich, wie wichtig für die dabei tätigen Mitarbeiter ihre weit gefächerte, breit angelegte, auch berufsübergreifende Ausbildung in ihrem erlernten Handwerksberuf war, um überhaupt bei solchen Aufträgen mitarbeiten zu können.

Es wird sicher weiterhin auch den kleinen Handwerksbetrieb geben, der im normalen regionalen Renovierungssegment ohne solche Mitarbeiter tätig ist. Der Handwerker aber, der ein kreativeres, besser honoriertes und darüber hinaus krisensicheres Berufsleben anstrebt, kommt nicht umhin, über den regionalen „Tellerrand“ hinaus zu sehen. Das Erreichen solcher Ziele gelingt nur, wenn er frühzeitig und vielseitig seine Aus- und Weiterbildung plant und zielstrebig organisiert, die angrenzenden Berufssegmente erkundet und fehlendes Wissen gegebenenfalls durch Schwerpunktseminare ergänzt.

Auch für den weitsichtigen Handwerker ist Europa in den letzten zehn Jahren schon auf „Tuchfühlung“ herangerückt und an sich auch gar nicht so neu, bedenkt man, dass Handwerker früherer Epochen in Kirchen, Schlössern und Herrenhäusern ihr noch heute bestauntes Können grenzüberschreitend hinterlassen haben.

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