Praktikum an der Reger-Nordwand
bauhandwerk-Redakteure arbeiten auf einer Ytong-Baustelle in Wernberg mit
Auf theoretischer Ebene weiß man als Fachjournalist über die Verarbeitung von Baustoffen bestens Bescheid. Aber wie fühlt sich das in der Praxis an? Das Team der bauhandwerk-Redaktion hat die Chance genutzt, einen Tag lang an einem echten Haus mitzubauen.
Mit gekonntem Schwung setzt Simbert Fröhlich die Plankelle auf die unterste Lage der Wand aus Ytong-Steinen und bewegt das Werkzeug langsam auf der Mauer entlang: „So, am besten setzt man die Kelle leicht schräg auf, damit nichts an den Seiten herunter läuft und dann einfach den Kleber rauslaufen lassen und dabei langsam weiterbewegen, bis sie fast leer ist. Dann dreht man die Kelle um und zieht mit der anderen Seite die Zahnung auf“. Wenn der Vorführmeister von Ytong die Handgriffe zeigt, sieht die Arbeitstechnik mit dem 36,5 cm breiten Kombiwerkzeug, mit dem man den Systemkleber nicht nur auftragen, sondern auch gleichmäßig verteilen und mit der genau passenden Rillenstruktur versehen kann, eigentlich ganz einfach aus. Kein Tropfen fällt daneben. Als Ergebnis zeigt sich ein perfektes Kleberbett für die nächste Lage Porenbetonsteine. Trotzdem entscheiden sich die meisten Neulinge für die alternative Methode, die der gelernte Maurermeister gleich im Anschluss vorführt. Statt das maßgeschneiderte Werkzeug zu benutzen, das sich zwar durch seitliche Führungen sehr exakt auf dem Stein bewegen lässt, das durch seine Breite und die größere Klebermenge aber unhandlicher und schwerer ist, kann man den Kleber auch in zwei Arbeitsgängen mit der halb so breiten Plankelle auftragen. „So, wer will das als erster mal probieren?“ Ich versuch‘s mal!
Offene Türen eingerannt
Das Produkt XY zeichnet sich durch eine besonders einfache Verarbeitung aus. Wie oft habe ich diese Behauptung in den vergangenen Jahren in einer Pressemitteilung eines Herstellers gelesen? Unzählige Male! Tatsächlich arbeiten alle Anbieter von Baustoffen, Werkzeugen und Arbeitsmitteln daran, ihre Produkte leistungsfähiger zu machen und die Abläufe auf der Baustelle zu vereinfachen. Als Redakteur wird man über die Fortschritte bei der Produktentwicklung laufend informiert, erhält Artikel, die die Verarbeitung in Text und Bild darstellen, man recherchiert, spricht mit Produktmanagern und Anwendern, doch letzten Endes sammelt, ordnet und bewertet man in der Hauptsache Informationen auf einer theoretischen Ebene. Eigene praktische Erfahrungen? Fehlanzeige!
Mit dem Wunsch, nicht nur zuzuschauen und zu beobachten, sondern auch mal selber auf einer Baustelle mit anzupacken, hatte sich die bauhandwerk-Redaktion schon länger getragen. Als Olaf Kruse, Pressesprecher der Xella Deutschland GmbH, anfragte, ob Interesse bestünde, mal an einem Haus mitzumauern? Interesse? Na klar! Offene Türen einrennen nennt man das. Einige Wochen später stehen wir dann, ausgestattet mit zünftiger Arbeitskleidung aus der Ytong-Kollektion, zusammen mit drei Kollegen von Publikums-Zeitschriften bei strahlendem Sonnenschein und postkartenblauem Himmel auf der Bodenplatte eines Wohnhauses in Wernberg im Bayerischen Wald. Hier baut die Firma Josef Reger ein Musterhaus, in dem Bauwillige ein paar Tage zur Probe wohnen können. Die Bodenplatte des KfW Effizienzhauses 70 ist auf eine 20 cm dicke Schicht aus Glasschaumschotter gebettet, die 42,5 cm dicken Außenwände bestehen aus 36,5 cm tiefen Porenbetonsteinen von Ytong (λ = 0,08 W/mK), die einfach innen und außen verputzt werden. Ein Wärmedämmverbundsystem ist nicht erforderlich, um die KfW-Anforderungen zu erfüllen. Das Haus erhält Fenster mit Dreifach-Wärmeschutzverglasung und wird mit einer Luft-Wasser-Wärmepumpe ausgestattet.
Auf die erste Lage kommt es an
Um die Arbeit für die Laien zu erleichtern, haben die Mitarbeiter der Firma Reger das Schwierigste schon vorab erledigt. Die ersten beiden Lagen der Umfassungsmauer stehen bereits, als die Journalisten auf der Baustelle eintreffen, denn dabei kommt es auf absolute Präzision an. Da die einzelnen Schichten nur mit einem dünnen Kleberbett verbunden werden, lassen sich Ungenauigkeiten nicht mit Mörtel ausgleichen, sondern setzen sich nach oben immer weiter fort. Wenn die erste Schicht jedoch exakt liegt, genügt es, die Steine der weiteren Lagen an einer Schnur auszurichten. Das aufwendige lot- und waagerechte Ausgleichen entfällt.
Die Vorarbeiten der Maurer von der Reger Bau Gmbh finden sofort den Beifall des Vorführmeisters: „Tolle Baustelle, alles picobello, das habe ich so noch nie gesehen“, sagt Simbert Fröhlich und macht die bauhandwerk-Redakteure auf die Ausführung der ersten Lage aufmerksam. Die liegt nicht nur beeindruckend genau im Mörtelbett auf der Bodenplatte, die Mitarbeiter haben dafür auch einen schmaleren Stein verwendet. Der 24er Ytong-Stein ist an der Kante der Bodenplatte ausgerichtet. Die zweite Lage aus 36,5 cm tiefen Steinen wurde so aufgemauert, dass die Innenwand plan ist. Auf der Außenseite ergibt sich so ein Versatz, der genau mit einer 12 cm dicken Perimeterdämmung gefüllt werden kann. „Tolles Konstruktionsprinzip: Das vermeidet Wärmebrücken, und man kann die Dichtfolie schön nach oben führen und bekommt einen sauberen Anschluss“, lobt Fröhlich.
Je kniffeliger, desto besser
Nach diesem theoretischen Abstecher in die Baukonstruktionslehre heißt es jetzt: Meter machen! Obwohl die Journalisten noch nie gemauert haben, wächst die Mauer beeindruckend zügig und erstaunlich ebenmäßig in die Höhe. Klar, dass sich die Fachzeitschriftsredakteure aus Gütersloh nicht zweimal bitten lassen, wenn es darum geht, jeden Handgriff zu erlernen – die Chance, die praktische Seite dessen besser kennen und verstehen zu lernen, worüber wir sonst nur als außenstehende Beobachter berichten können, wollen wir bis ins kleinste Detail ausnutzen.
Dank der eingearbeiteten Grifftaschen lassen sich die sperrigen Plansteine erstaunlich gut heben und bewegen, auch wenn die an Büroarbeit gewöhnten Arme mit der Zeit immer länger zu werden scheinen. Beim Aufsetzen hält man den Stein auf der dem letzten Stein zugewandten Seite etwas Höher und lässt ihn dann, begünstigt durch die Führung mit Nut und Feder, einfach hinabgleiten. Dann die Lage anhand der Schnur überprüfen, gegebenfalls etwas korrigieren und mit einigen Schlägen mit dem Gummihammer fest ins Kleberbett treiben. „Wenn man den Stein erst ablegt und dann seitlich an den nächsten Stein heranschiebt, können Kleberwülste und damit Fugen entstehen“, erklärt der Vorführmeister diese Methode.
Nach einigen Steinen ist die Mauer unterbrochen. An dieser Stelle wird sich später einmal die Haustür befinden. Für den Abschluss müssen jetzt die passenden Steine auf Maß gesägt werden. Denn erstens soll die Laibung schön glatt, und gerade sein und zweitens müssen wir auch noch auf den Verband achten – die Stopfugen der unteren Lage müssen von dem oberen Stein gut überlappt werden. Neben der Bandsäge stehen allerlei Abschnitte, einer davon passt ideal als vorletzter Stein der Reihe. „Man kann fast alle Reststücke verwenden, es gibt kaum Schutt“, nennt Simbert Fröhlich einen der Vorteile des Bauens mit Porenbeton. Auch der letzte Stein der Reihe ist jetzt zugesägt – das funktioniert mit der Bandsäge überraschen einfach und präzise – und zwar 1 mm kürzer als gemessen, denn da an der letzten Stoßfläche keine Nut- und Federverbindung besteht, wird hier ausnahmsweise Kleber auf die Stirnfläche aufgezogen. Anschließend die Laibung mit der Wasserwaage kontrollieren: Alles gerade, keine Kanten, das Maß passt! Das haben wir gemacht? Das hätten wir uns nicht zugetraut!
Motiviert von diesem Erfolg und dem Lob des Vorführmeisters macht die Arbeit jetzt noch mal so viel Spaß. Besonders kniffelige Stellen wie Fensteröffnungen, eine Aussparung für das Fallrohr oder das Auflager für den Rollladenkasten führen dazu, dass sich gestandene Fachredakteure wie spielende Jungs fühlen: „Das ist wie bauen mit Lego, nur besser“, strahlt Chefredakteur Thomas Wieckhorst. So wächst die Reger-Nordwand, wie wir unsere erste Mauer getauft haben, rasch und fast ohne weitere Anleitung in die Höhe. Lediglich die Ecken legt Simbert Fröhlich, der häufig auch Selbstbauer anleitet, vor. Bis zum Feierabend schafft das Journalisten-Team so, unterbrochen von einer Mittagspause, in der Michaela Reger die hungrigen „Maurerlehrlinge“ fürstlich bewirtet, zwei der vier Außenwände des Musterhauses.
Autor
Thomas Schwarzmann ist Redakteur der Fachzeitschriften bauhandwerk und dach + holzbau.
Das ist wie bauen mit Lego, nur besser
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Auch die Lokalzeitung hat über die mitarbeitenden Redakteure berichtet. Lesen Sie hier die Artikel von Jürgen Herda, Ressortleiter Reportage im Medienhaus "Der neue Tag".
Update am 5.11.2014: Auch die Xella-Mitarbeiterzeitung "Meilensteine" berichtet über die Aktion.