Passivhaus in Remisenruine
Dass eine verfallene Remise im ostwestfälischen Steinhagen heute ihr ursprüngliches Erscheinungsbild wieder erhalten hat, ist dem Gütersloher Architekten Thomas Spooren zu verdanken. Nach seinen Plänen baute die Werkraum 8 GmbH mit Porenbetonsteinen in die einstige Ruine ein Passivhaus hinein.
Das Bauamt hatte Fritz Jückemöller schon darauf hingewiesen, dass er für die einsturzgefährdete Remisenruine auf seiner Hofanlage selbst verantwortlich sei. Eigentum verpflichtet schließlich. Jückemöller wollte sich dieser Verantwortung auch gar nicht entziehen und bat den für seine Umbauprojekte auch in Steinhagen bekannten Gütersloher Architekten Thomas Spooren um Rat. Das war Mitte 2012. Schon im Herbst desselben Jahres hatte sich der Architekt dazu entschlossen, in die Remisenruine eine Ferienwohnung hinein zu bauen.
Von der Landwirtschaft zur Kornbrennerei
Erstmalig erwähnt wird die Hofstelle in Steinhagen schon 1325. Überregional bekannt wurde der Hof durch den „Jückemöller-Steinhäger“, den der gleichnamige Urgroßvater von Fritz Jückemöller dort ab 1897 zu brennen begann, um die wirtschaftliche Lage des Hofes zu verbessern. Aus dieser Zeit stammt auch die Remise, die vor allem der Weizenlagerung für die Schnapsherstellung diente. Schon in den 1920er Jahren war das Geschäft mit der Kornbrennerei so lukrativ geworden, dass man die Landwirtschaft ganz an den Nagel hängte. 1968 wurde die Brennerei verkauft. Ab diesem Zeitpunkt verschlechterte sich der Zustand der Gebäude auf dem Hof zusehends und die Remise verwandelte sich in eine Ruine.
Von der Ruine zum Passivhaus
Thomas Spooren hatte schon länger nach einem Gebäude gesucht, das er für sich und seine Familie zum Wochenendhaus umbauen könnte. Vor allem die einmalig idyllische Lage mit ein wenig Wald vor der Tür hatte es dem Gütersloher Architekten angetan. Und wenn man als Architekt schon mal quasi für sich selbst baut – erworben hat den Bestand seine Frau Christel – dann will man natürlich auch das Maximum aus den vorgegebenen Rahmenbedingungen herausholen und zeigen, was man als Planer so alles kann. Und was könnte da eine energetisch größere Herausforderung sein, als in den hohlen Zahn eines alten Gebäudes ein Passivhaus zu implantieren. Das ist leichter gesagt als getan, denn wie sich leicht denken lässt, führte diese Zielvorgabe zu einer ganzen Reihe von kniffligen Details.
Sanierung zur Wiederherstellung des ursprünglichen Erscheinungsbildes
Denkmalgeschützt ist das Gebäude zwar nicht, doch „die tragende Originalsubstanz musste erhalten bleiben. Sonst hätten wir den Bestandsschutz verloren“, sagt Thomas Spooren. Landschaftsprägende Bausubstanz nennt man das. „Ich will auch zeigen, dass das früher mal eine Remise war“, so Spooren weiter. Also musste die Werkraum 8 GmbH, ein Tochterunternehmen des Architekturbüros Spooren, im ersten Schritt das, was vom ursprünglichen Gebäude noch übrig war, sanieren.
Abschnittweise wurden die Fundamente mit Beton unterfangen, der Dachstuhl instand gesetzt und das ganze Dach gebäudeübergreifend mit Strangfalzziegel neu eingedeckt. So hatten die Dachdecker für den nachfolgenden Einbau des Passivhauses in den Bestand auch gleich für ein Wetterschutzdach und damit für eine trockene Baustelle für die weiteren Arbeiten der Zimmerleute und Maurer gesorgt. „Auf der einen Seite als Schutz für die extrem saugfähigen Porenbetonsteine und auf der anderen für das unbehandelte Konstruktionsvollholz“, meint Thomas Spooren.
Bevor die Handwerker jedoch mit dem Mauern neuer Wände für das Haus im Haus beginnen konnten, mussten sie zunächst für neue Wandöffnungen Teile der alten Mauern abbrechen. Die daraus gewonnenen Ziegel verwendeten sie für die Verblendung des hölzernen Sprengwerks auf der Südseite des Hauses und für den in der geschossübergreifenden Maueröffnung auf der Westseite aus statischen Gründen notwendigen Stützpfeiler. Die für die Verblendung der Stirnseite der Holzbalkendecke erforderlichen Ziegel legten die Maurer als Rollschicht einfach auf die die Maueröffnungen überspannenden Doppel-T-Träger auf. „Die Doppel-T-Träger sind zwei Steinlagen hoch, damit sie sich optisch gut in das Fugenbild der Backsteinfassade einpassen“, so Architekt Spooren. Da das Mauerwerk zweischalig ist, wurden diese Doppel-T-Träger mit denen der Innenschale über Gewindestäbe außen sichtbar mit Hutmuttern verschraubt.
Ein Haus im Haus
Nachdem eine neue 25 cm dicke, mit extrudiertem Polystyrolhartschaum gedämmte Bodenplatte aus Beton hergestellt war, konnten darauf die Mauern aus Porenbetonsteinen entstehen. Grundidee dabei war, dass sich das alte und das neue Haus so wenig wie möglich berühren. Natürlich gibt es Stellen, an denen das alte Sprengwerk das neue Haus durchdringt. Daraus entstanden – was die Luftdichtheit anbelangt – besonders anspruchsvolle Details: „In die Fugen haben wir 12 Reihen Quellband gepackt, um ganz sicher zu sein“, erinnert sich Architekt Spooren. In die Fuge zwischen der Porenbetonwand und der des Nachbargebäudes, das als Fachwerkhaus errichtet mit der Remise gemeinsam unter dem neu gedeckten Dach steht, schütteten die Handwerker Perlite und stopften Mineralwollplatten hinein. Damit wird nicht nur die Wärmedämmung zum Nachbargebäude verbessert, sondern vor allem der Brandschutz auf F90 gebracht.
Dass es tatsächlich ein Passivhaus werden konnte, liegt an der geringen Wärmeleitfähigkeit der Planblocksteine aus Porenbeton von 0,07 W/mK, was bei einer Wanddicke von 50 cm ohne zusätzliche Dämmung für den Passivhausstandard reicht. Eine gute Wärmedämmung geht aufgrund des dafür erforderlichen hohen Porenvolumenanteils aber immer zu Lasten der Druckfestigkeit. Daher bedurfte es für die Auflagerung der Deckenbalken nicht nur eines Ringbalkens je Geschoss aus Stahlbeton in einer verlorenen Schalung aus Porenbeton, sondern als Auflager für den Unterzug aus Brettschichtholz für die Erdgeschossdecke auch zweier Druckpolster aus Stahlbeton. Die daraus resultierenden Bauteilanschlüsse führten die Handwerker mit Sichtfugen aus. „Dann hat man keinen Stress mit den Rissen, denn Beton und Mauerwerk haben ein sehr unterschiedliches Schwindverhalten“, erklärt Thomas Spooren.
Der Unterzug enthielt bereits Zapflöcher für die Balken der Erdgeschossdecke. Für die Obergeschossdecke, die zugleich das Flachdach des Hauses im Haus ist, verwendeten die Zimmerleute TJI-Träger, auf die sie eine Rauspundschalung nagelten. Für eine passivhaustaugliche Wärmedämmung des Flachdachs sorgt eine 40 cm dicke Einblasdämmung aus Zellulose zwischen den TJI-Trägern. Die zweite und damit eigentlich wichtigere Abdichtungsebene stellten die Dachdecker darauf mit zwei Lagen kaltselbstklebender Bitumenbahn mit einer umlaufenden Aufkeilung her. Die Durchdringungen mit dem Sprengwerk dichteten sie mit Flüssigkunststoff ab.
Wohnen statt Getreide und Maschinen
Das Nachbargebäude des Fachwerkhauses auf Jückemöllers Hof war immer eine offene Remise. Statt Getreide und Maschinen hat Thomas Spooren ein Passivhaus hineingestellt. Dabei hat er seine anfängliche Gestaltungsidee nie aus den Augen verloren: Die ursprüngliche Form der Remise wieder herzustellen und den Neubau bewusst davon abzusetzen. Das ist ihm mit dem Haus im Haus aus gut dämmendem Porenbeton hervorragend gelungen. Die Durchdringungen mit dem erhalten gebliebenen hölzernen Sprengwerk waren dabei handwerklich besonders anspruchsvoll was die Luftdichtheit anbelangt. An ihnen lässt sich heute auf der anderen Seite aber auch der besondere Reiz aus der Kombination alter Hülle mit modernem Implantat festmachen.
Obwohl Thomas Spooren bei unserem Gespräch Anfang Mai nach einem Miniskusriss an Krücken ging, geht es mit seinen Ideen, was das Ensemble anbelangt, flott voran: Am gegenüberliegenden Wirtschaftsgebäude, das ebenfalls lange leer stand und das Spooren vor kurzem erworben hat, arbeitete bereits sein „Chefhandwerker“ Justus Maly von der Werkraum 8 GmbH mit dem Sandstrahlgerät am Backsteinmauerwerk. Drei Wohneinheiten sollen darin entstehen – natürlich wieder als Haus im Haus.