Kaispeicher B in Hamburg umgenutzt: 7000 m2 Stein für Stein saniert
Die historische Bausubstanz des denkmalgeschützten Kaispeicher B in Hamburg erforderte bei der Fassadenrestaurierung besonderes handwerkliches Können, um den Charakter des neogotischen Backsteinbaus zu erhalten. Die Aufgabe hatte es in sich – rund 7000 m2 Fassade musste Stein für Stein behandelt werden.
Mit der Fassadensanierung wurde die Steinwerkstatt Regensburg beauftragt. Für die beispielhafte Restaurierung und Instandsetzung des beeindruckenden Gebäudes wurde Dipl.-Restaurator Sebastian Endemann als Firmeninhaber im November 2010 mit dem Bernhard-Remmers-Preis ausgezeichnet.
Der Kaispeicher B wurde in den Jahren 1878/79, noch vor Einrichtung des Freihafens und dem Bau der Speicherstadt, im Stil der Backsteingotik errichtet und ist das älteste erhaltene Speicherbauwerk in Hamburg. Durch seine Lage direkt am Zusammenfluss von Magdeburger- und Brooktorhafen bildet er ein einmaliges Entree zum Überseequartier. Der imposante Backsteinbau wurde 2005 bis 2007 von der Otto Wulff Bauunternehmung GmbH & Co. KG aus Hamburg von Grund auf restauriert (wir berichteten in bauhandwerk 9.2008 ausführlich darüber). Die Pläne für den Um- und Ausbau stammen von der Hamburger Architektin Mirjana Markovic.
Baubestand
Die frostbeständigen Ziegel des Kaispeichers B wiesen mit Druckfestigkeiten von 17-32 N/mm2 deutliche Verwitterungsmerkmale auf, wie abschuppende Oberflächen und Schalenbildung. Am Mauerwerk der Ladeluken zeigten sich mechanische Nutzungsspuren. Unterhalb von wasserführenden Fassadenabschnitten stellten die Experten bei der Bestandsaufnahme hohe Konzentrationen von Schadsalzen fest. Die glasierten Ziegel zeigten zum Teil scherbige Abplatzungen. Das Ziegelmauerwerk war seinerzeit mit einem Kalk-Zementmörtel gemauert worden. Die Fugen waren im Laufe der Jahrzehnte größtenteils deutlich ausgewittert und ausgewaschen.
Kennwertermittlung und Musterfläche
Die Voruntersuchungen wurden in Zusammenarbeit mit dem Restaurator Sebastian Endemann und dem Fachlabor für Konservierungsfragen in der Denkmalpflege Dr. Eberhard Wendler durchgeführt, um die Voraussetzungen für eine konservatorische Sanierung und Restaurierung zu erfüllen. Dazu wählten die Fachleute an der Westfassade des Speichers eine 4,5 x 2 m große Musterfläche aus, deren repräsentative Schädigungen im Hinblick auf die gesamte Fassade Aufschluss über die notwendigen Instandsetzungen geben konnten. Die Zustandserfassung von Ziegeln und Fugenmörtel auf dieser Musterfläche erfolgte anhand einer Kennwertermittlung der Wasseraufnahme sowie durch Bohrhärtemessungen.
Präzises Sanierungskonzept
Das Sanierungskonzept beschreibt präzise die vorgesehenen Arbeiten für eine dem Originalbestand weitgehend entsprechende Reprofilierung der alten verwitterten Ziegel:
Der Remmers Restauriermörtel SK erwies sich bei der Umsetzung dieser Anforderungen als geeignetes Multitalent. Schlussendlich wurden rund 15 t des anwendungsfertigen acrylatvergüteten Werktrockenmörtels eingesetzt. Ausschlaggebend waren die Produkt- und Verarbeitungseigenschaften: eine „gegen Null“ auslaufende Verarbeitung und physikalische Kenndaten entsprechend der Forderung nach möglichst geringen Eigenspannungen. Der Mörtel überzeugte durch seine auf den Ziegeluntergrund abgestimmten physikomechanischen Eigenschaften wie Druck- und Biegezugfestigkeit und Wassertransport.
Die Arbeiten der Fassadenrestaurierung im Einzelnen
Die Restaurierung der Backsteinfassade begann mit einer Feucht- und Strahlreinigung der Oberflächen. Danach erfolgte der Austausch zerstörter Ziegel. Die Festigung der Ziegel erfolgte mit dem Remmers Steinfestiger. Danach erhielten die Ziegel einen Überzug. Eine Glättung oberflächlich degradierter Ziegel führten die Handwerker mit einer Schlämme zur farblichen Angleichung aus. Eine Vernadelung hohl klingender Ziegeloberflächen war erforderlich, um diese wieder an den Backsteinuntergrund zu befestigten. Die Reapplikation gelockerter Ziegeloberflächen führten die Handwerker mit dem Restauriermörtel SK an der Fassade aus (Antrag von Restauriermörtel SK bei Ausbrüchen, Bewehrung mit Edelstahldraht). Auch für die Ergänzung des defekten Fugennetzes verwendeten die Handwerker den Restauriermörtel SK.
Instandsetzung in Zahlen und Fakten
Die historische Bausubstanz des denkmalgeschützten Speichers erforderte besondere Sorgfalt. Über eine Höhe von zwölf Ebenen wurde vom Regensburger Unternehmen Steinwerkstatt fast jeder Stein einzeln begutachtet und behandelt, um den ursprünglichen Charakter des neogotischen Backsteinbaus möglichst original zu erhalten. Insgesamt wurden etwa 7000 m2 Fassadenoberfläche restauriert. Zahlreiche Risse in der Fassade machten es notwendig, einen ansehnlichen Teil der Steine aus dem ursprünglichen Mauerwerk zu ersetzen: „Oben war das Gebäude auseinandergeklappt. Infolgedessen waren in der Fassade armdicke Risse entstanden“, erinnert sich Bauleiter Ulf Behr von der Otto Wulff Bauunternehmung. Insgesamt stemmten deshalb mehr als 150 Handwerker rund 50 000 Steine von Hand aus dem Mauerwek des Speichers heraus und setzten hierfür neue, nach historischen Vorbild hergegestellte Backsteine ein. Etwas 20 Prozent der vorhandenen Backsteinfassade mussten aufgrund der Rissbeschädigungen dieser Behandlung unterzogen werden. Vorab wurde der Kaispeicher B allerdings zur Sicherheit im oberern Gebäudeabschnitt mit Zugbändern verspannt – zur festen Stabilisierung, damit keine neuen Risse entstehen konnten.
Auch das Fugennetz hatte im Laufe der Zeit stark gelitten und musste über fast die gesamte Fassadenfläche mit dem Restauriermörtel von Remmers erneuert werden. Insgesamt, so schätzen die Fachleute, wurden am Kaispeicher B rund 2500 m2 defekte Fugen auf diese Weise saniert. Die Aufarbeitung der nur teilweise beschädigten Steine gestaltete sich nicht weniger aufwendig: alles in allem ergänzten die Handwerker rund 15 000 Ziegeloberflächen und sicherten darüber hinaus etwa 2000 Ziegelschalen. 550 Ziegel wurden zudem im Zuge der Wiederherstellung mit V4A-Edelstahlnadeln vernadelt; anschließend verwendeten die Handwerker zur Reapplikation der fehlenden Bestandteile einen Spezialkleber auf Epoxydharzbasis. 110 000 Ziegeloberflächen wurden von den Restauratoren geschlämmt, um ein einheitliches Fassadenbild wiederherzustellen, und 3000 kg Verpressmörtel wurden bei den Sanierungsarbeiten am Mauerwerk des Kaispeichers B verbaut. Zusammengerechnet rund 1500 m2 Fassadenfläche, also etwa 20 Prozent, erhielten Retuschearbeiten zur farblichen Integration.
Literatur
Fabriken und Speicher neu genutzt. Von Collin Klostermeier und Thomas Wieckhorst. Bauverlag Güterloh 2008. Edition bauhandwerk Band 2. 176 Seiten, fester Einband, Format 24 x 30 cm. Buchbestellung für 49,90 Euro unter www.profil-buchhandlung.de
Instandsetzung als Beispiel einer herausragenden Leistung in der handwerklichen Baudenkmalpflege
Über eine Höhe von zwölf Ebenen wurde fast jeder Stein der Fassade einzeln begutachtet und behandelt