Sprung aus der Nische

Seit mehr als 30 Jahren produziert Auro ausschließlich ökologische Farben und Anstrichstoffe. Nach Jahrzehnten der Forschung sind viele Produkte des von Öko-Pionier Dr. Hermann Fischer gegründeten Unternehmens auch technisch konkurrenzfähig zu herkömmlichen Farben – oder sogar besser.

Farben sind der Ursprung der synthetischen Chemie. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Anilinfarben in Deutschland als eines der ersten Produkte großtechnisch hergestellt, denn kaum ein Alltagsprodukt hat mehr Relevanz. Dass der Einsatz von unnatürlichen Inhaltsstoffen auch Gefahren für Menschen und Umwelt bergen kann, wurde spätestens ein gutes Jahrhundert später deutlich, als der Skandal um giftige Holzschutzmittel seinen Anfang nahm. Während die deutsche Öffentlichkeit erschüttert zur Kenntnis nahm, dass PCB-haltige Holzschutzmittel weiterhin verkauft worden waren, obwohl intern die Gefährlichkeit dieser Chemikalie längst bekannt war, hatte Dr. Hermann Fischer schon längst damit begonnen zu erforschen, wie man Farben und Anstrichstoffe aus natürlichen Rohstoffen herstellen kann.

Der Zeit voraus

Bereits 1983 gründete der Öko-Pionier, der heute auch vielen Nicht-Technikern als Buchautor, Referent und Präsidiumsmitglied des Nabu (Naturschutzbund) bekannt ist, die Firma Auro – die von Anfang an auf Inhaltsstoffe aus der Erdöl-Chemie verzichtete. Denn dem promovierten Chemiker war bereits während seines Studiums klar geworden, dass diese Substanzen die Umwelt gleich fünffach belasten: bei der Gewinnung des Rohöls, bei der Weiterverarbeitung zu den chemischen Ausgangsstoffen, bei der Synthese der Endprodukte, durch die entstehenden Abfälle und Abbauprodukte und schließlich durch die CO2-Belastung der Atmosphäre. „Vor 1850 war die Welt ja nicht grau. Die Menschen haben schon immer ihre Textilien gefärbt, aber auch Gebäude, Innenräume und Alltagsgegenstände waren farbig. Nach der Entwicklung synthetischer Farben ist aber ein riesiges Know-how über pflanzliche Farbstoffe in Vergessenheit geraten“, erzählt Hermann Fischer, der sich 2011 aus dem operativen Geschäft zurückgezogen hat und in den Aufsichtsrat gewechselt ist.

Glücklicherweise musste er seine Forschungen aber nicht bei Null anfangen, sondern konnte auf das Wissen früherer Generationen aufbauen, dass er in Bibliotheken fand. „Die selbstgewählte Beschränkung auf nachwachsende und mineralische Inhaltsstoffe hat unsere Kreativität befeuert“, kommentiert Fischer, der 1992 zum Ökomanager des Jahres gewählt wurde, die Entwicklung des Braunschweiger Unternehmens Auro.

Raus aus der Nische

Inspiriert durch die „Cemiefabrik der Natur“ wurde so ein stetig wachsendes Produktportfolio entwickelt. Während einige Produkte wie Finger- und Malfarben für Kinder heute nicht mehr hergestellt werden, sind andere Produkte der ersten Stunde, wie beispielsweise die klassische lösemittelhaltige Holz-Imprägnierung 121, noch immer im Programm. Ausgehend von Ölen, Wachsen und Ölfarben wurden nach und nach die Lücken im Sortiment durch die Entwicklung von Dispersionsfarben, mineralischen Kalkfarben sowie Lacken und Lasuren geschlossen. Anfangs war nicht nur für die Akquise der Rohstoffe, sondern auch für den Verkauf der Produkte viel Netzwerkarbeit erforderlich, denn Umweltbewusstsein und Ökoprodukte waren noch längst nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Zwar hatte sich schon ein ökologischer Baufachhandel etabliert, im konventionellen Baustoff- oder Fachhandel waren umweltfreundliche Produkte aber noch nicht erhältlich. Das hat sich heute zwar fundamental geändert, doch ist das Geschäft für Edwin Hribek dadurch nicht einfacher geworden. „Der Wettbewerb mit echten Ökoherstellern ist nicht das Problem, sondern es findet viel Greenwashing statt, vor allem durch konventionelle Hersteller“, berichtet der Vorstandsvorsitzende der Auro AG. Er kam 2003 als Vertriebsleiter mit der Aufgabe ins Unter­nehmen, Vertrieb und Marketing zu professionalisieren. Gerade weil er zwar aus Erfahrungen aus dem Bau­handel zurückgreifen konnte, davor aber keine Be­rührungen mit dem Ökofachhandel hatte, gelang es ihm, die Produkte und die Marke aus der Öko-Nische zu füh­ren und für die breite Masse interessant zu machen.

Ökologisch ohne technische Einschränkungen

Befördert wird diese Entwicklung durch immer bessere Produkte, die mittlerweile auf dem technischen Niveau der Fachhandelsqualität angekommen sind. Aktuell hat das Braunschweiger Unternehmen, das seit seiner Gründung stets einen – gemessen an seiner Größe – riesigen finanziellen und personellen Forschungsaufwand betrieben hat, ein neues Bindemittel entwickelt, das einen revolutionären Sprung in den technischen Eigenschaften der Farben möglich macht. „Ich sehe nicht ein, dass, bloß weil ein Produkt ökologisch ist, man technische Einschränkungen hinnehmen soll“, beschreibt Edwin Hribek die Herangehensweise. Unter der Leitung von Dr. Markus Lettau wurde daher in vierjähriger Forschungsarbeit „Replebin“ entwickelt und für 1,1 Millionen Euro eine neue Produktionsanlage gebaut. Insgesamt investierte das Unternehmen über 2,5 Millionen Euro in das Projekt. Dieses neue biogene Bindemittel, das aus Pflanzenalkoholestern und organischen Säuren besteht, ermöglicht emissionsfreie, schnelltrocknende Endprodukte, die keine Kompromisse hinsichtlich Verarbeitung und technischen Eigenschaften mehr erfordern. „Wie bei allen unseren Herstellungsprozessen verzichten wir dabei auf hochinvasive Eingriffe in die Molekülstruktur“, berichtet Lettau.

Als erstes Endprodukt wurde die neue Premiumwandfarbe „Plantodecor“ mit „Replebin“ auf den Markt gebracht. Die Farbe ist nicht nur frei von Lösemitteln, Ölen und Emissionen, sie erreicht sowohl bei der Deckkraft als auch bei der Nassabriebfestigkeit die Klasse 1 und ist damit vielen konventionellen Produkten ebenbürtig. Da die Farbe aber auch bei der Wasserdampfdurchlässigkeit die Klasse 1 erreicht, schnell trocknet und sich problemlos verarbeiten lässt, übertrifft sie die konventionelle Konkurrenz sogar. Trotzdem bewegt sich das Produkt preislich im Mittelfeld der Farben in Fachhandelsqualität, gemessen an der großen Ergiebigkeit ist sie sogar vergleichsweise günstig. „Jetzt wollen wir noch die professionellen Verarbeiter – die Maler – überzeugen, dass sie mit dieser Öko-Farbe keine technischen Nachteile mehr in Kauf nehmen müssen“, beschreibt Edwin Hribek die derzeitige Herausforderung für Marketing und Vertrieb.

Außerdem soll das neue Bindemittel sukzessive in weiteren Produkten eingesetzt werden. Aktuell wurde bereits die Rezeptur von Wandfarbe, Roll- und Streichputz, Tiefengrund, Vollton- und Abtönfarbe auf  Replebin umgestellt.

Für die Zukunft sieht Edwin Hribek das 49 Mitarbeiter kleine Unternehmen gut aufgestellt. Er schätzt den Austausch und die Mitsprachemöglichkeiten des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft als sehr befruchtend ein. Seit Bestehen des Unternehmens werden erhebliche Teile des Gewinns sofort wieder ins Unternehmen und in die Entwicklung neuer Produkte und die Erschließung neuer Märkte investiert. So sei man bereits sehr vielversprechend in Japan und Korea gestartet, aber auch in China, Russland und Iran wachse das Umweltbewusstsein der Menschen und damit das Interesse an ökologischen Farben.

Autor

Thomas Schwarzmann ist Redakteur der Zeitschriften bauhandwerk und dach + holzbau.
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