Wie sich Workwear für Frauen entwickelt hat

Noch vor einem guten Jahrzehnt erschienen Handwerkerinnen in Latzhosen und unproportionierten Jacken zur Arbeit. Dieses Outfit war keinem schlechten Geschmack geschuldet, sondern dem Mangel an Damen-Berufskleidung. Diese Zeiten sind vorbei: Es gibt etliche Workwear-Kollektionen für Frauen.

Zur Kollektion „Ecorover“ gehören bei Teamdress Bundjacken und Bundhosen in bis zu sechs Grundfarben. Eine eigene Musternäherei kann individuelle Anforderungen schnell umsetzen
Foto: Teamdress

Zur Kollektion „Ecorover“ gehören bei Teamdress Bundjacken und Bundhosen in bis zu sechs Grundfarben. Eine eigene Musternäherei kann individuelle Anforderungen schnell umsetzen
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In den traditionell männerdominierten Bauberufen waren Frauen früher Paradiesvögel und stark unterrepräsentiert. Inzwischen wandelt sich das Bild. Die Zahl der Handwerkerinnen steigt. Diese Tendenz hat auch bei den Herstellern von Berufskleidung zu einem generellen Umdenken geführt. Während lange Zeit Berufskleidung ausschließlich für Männer entwickelt wurde, gibt es inzwischen auch Workwear für Frauen. Dadurch sind Handwerkerinnen nicht mehr gezwungen, eine unvorteilhafte Kombination aus Latzhose und Unisex-Jacke oder eine kleinere Version von Männerkollektionsteilen zu tragen. Stattdessen gibt es für viele Gewerke aufeinander abgestimmte Sortimente für Sie und Ihn.

Umdenken bei der Kollektionsgestaltung

Schöffel Pro entwickelt Damenkollektionen, die durch Anproben mit Frauen optimiert wurden
Foto: Schöffel Pro

Schöffel Pro entwickelt Damenkollektionen, die durch Anproben mit Frauen optimiert wurden
Foto: Schöffel Pro
Mit der Entwicklung von Damen-Arbeitskleidung für Bau- und Baunebengewerke betraten die Hersteller Neuland. Es fehlten in der typischen Männerdomaine schlichtweg Erfahrungswerte, welche Anforderungen eine Workwear für die weiblichen Beschäftigten erfüllen muss. Als größte Herausforderung entpuppte sich dabei die richtige Passform, denn Frauen haben sehr verschiedene Körperformen und Figuren. Die Schnitte für Hosen und Jacken mussten also von Grund auf überarbeitet und an die Körperform von Frauen angepasst werden. Dazu werden Taille, Schulter-, Brust- und Hüftpartie sowie Schritt- und Beinlänge anders konstruiert, damit die Kleidung bequem sitzt und nicht verrutscht.

Wenn die Arbeitsumgebung jedoch robuste, schwere und abriebfeste Stoffe erfordert, geht Sicherheit vor und die Ergonomie kommt erst an zweiter Stelle. Außerdem muss in Jacken und Hosen ein „Puffer“ eingebaut sein, damit sie nicht zu eng sitzen und beim Arbeiten den notwendigen Bewegungskomfort garantieren. Mancher Hersteller berücksichtig dabei sogar die körperlichen Veränderungen einer Frau, die etwa bei einer Schwangerschaft eintreten.

Bei der Kollektionsentwicklung spielen noch weitere Faktoren eine Rolle, allen voran die Funktionalität der Kleidung. Diese muss dem Gewerk entsprechen. Doch Werkzeug- oder Kniepolstertaschen können nicht einfach von einem Herren- auf ein Damenmodell übertragen werden, sondern müssen auf Hosen und Jacken für Frauen anders positioniert werden. Diese Überarbeitung verbessert die Ergonomie und erleichtert den Zugriff auf die Arbeitsinstrumente. Neben den konstruktiven Anforderungen kommt außerdem das Design hinzu, das auch modebewusste Handwerkerinnen ansprechen soll.

Probieren geht über studieren

Von FHB gibt es die klassische Zunftbekleidung für beide Geschlechter 
Foto: FHB

Von FHB gibt es die klassische Zunftbekleidung für beide Geschlechter 
Foto: FHB
Die Sortimentsgestaltung hat sich – auch dank moderner Stretch-Gewebe – sehr zum Positiven entwickelt. Und obwohl sich die Hersteller intensiv mit der „richtigen“ Gestaltung einer Damenkollektion auseinandersetzen und diese weiter verbessern, bleibt ein allgemeines Problem: Bei der Auswahl einer gutsitzenden Workwear verhält es sich wie beim Kauf einer Jeans. Frau muss probieren, bis sie den richtigen Schnitt gefunden hat. Die freie Wahl der passenden Kleidung hat aber auch Grenzen. Es kann durchaus vorkommen, dass Mitarbeiterinnen noch immer Herren-Kollektionsteile tragen müssen, weil es die von der Firmenleitung ausgesuchte Teamkleidung nicht in Damenschnitten gibt. Fraglich, ob diese Entscheidung dem Wohlfühlklima zuträglich ist.

Warnschutzkleidung mit Besonderheiten für Frauen

Wenn die Ergänzung einer Handwerker-Kollektion um Damenbekleidung schon mit diversen Herausforderungen verbunden ist, wird es bei Warnkleidung besonders kniffelig, denn für die Schutzkleidung gelten die Vorgaben der ISO 20 471. Diese Norm schreibt – je nach Warnschutzklasse – Mindestflächen an fluoreszierendem Hintergrund- und retroreflektierendem Material vor. Diese offenbar an einer männlichen Statur bemessenen Flächen entpuppen sich bei dem Design von Damenartikeln in sehr kleinen Größen zu einem echten Hemmschuh: Die gesamte Fläche des Produkts reicht nicht aus, um die Anforderungen der Norm an eine bestimmt Warnschutzklasse zu erfüllen. Daher kann es vorkommen, dass kleinere Damengrößen nicht in derselben Schutzklasse erhältlich sind wie das Pendant für Männer.

Fristrads kombiniert die Handwerkerinnenhosen mit den gleichen gewerketypischen Funktionalitäten wie die Herrenmodelle
Foto: Fristrads

Fristrads kombiniert die Handwerkerinnenhosen mit den gleichen gewerketypischen Funktionalitäten wie die Herrenmodelle
Foto: Fristrads
Das Workwear-Angebot für Handwerkerinnen ist in den vergangenen Jahren größer geworden. Die Vielfalt der Herrenkollektionen ist aber noch lange nicht in Sicht, denn Frauen sind in vielen Handwerksberufen noch immer eine Minderheit. Da in der Berufskleidungsbranche dieselben Marktgesetze wie in allen Wirtschaftszweigen gelten, bestimmt die Nachfrage das Angebot. In einigen typischen Männerberufen werden Frauen daher auf „ihre“ Workwear noch warten müssen.

Es darf gewählt werden

Die nachfolgenden Kollektionen geben einen Einblick in das vorhandene Angebot. Die Liste erhebt aber keinen Anspruch auf  Vollständigkeit.

Die aktuelle Workwear von BP folgt dem allgemeinen Trend zu Leichtigkeit und Bewegungskomfort
Foto: BP

Die aktuelle Workwear von BP folgt dem allgemeinen Trend zu Leichtigkeit und Bewegungskomfort
Foto: BP
BP, Köln: Die Entwicklung der ersten Workwear-Kollektion in Damenpassformen fand unter Einbindung vieler Frauen statt und liegt rund zehn Jahre zurück. Die aktuelle Workwear und Schutzkleidung des Unternehmens folgt dem allgemeinen Trend zu Leichtigkeit, Bewegungskomfort, Robustheit und Langlebigkeit. Hybrid-Workerhosen ergänzen das bestehende Angebot an Worker-Jeans, Latz-, Bund- und Arbeitshosen für Frauen. Dazu gibt es passende Softshell-, Arbeits- und Fleecejacken sowie Westen.

Engel hat eine große Vielfalt an Hosen in diversen Formen, mit und ohne Stretch, Sweatcardigan und Softshelljacke in bis zu sechs modernen Farbkombinationen    
Foto: Engel

Engel hat eine große Vielfalt an Hosen in diversen Formen, mit und ohne Stretch, Sweatcardigan und Softshelljacke in bis zu sechs modernen Farbkombinationen    
Foto: Engel
Engel, Haderlev: Der dänische Hersteller bietet gleich mehrere Kollektionen an, zu denen aufeinander abgestimmte Damen- und Herrenartikel gehören. Das in vielen Handwerksberufen etablierte Sortiment „Galaxy“ bietet Frauen eine große Vielfalt an Hosen in diversen Formen, mit und ohne Stretch, Sweatcardigan und Softshelljacke in bis zu 6 modenen Farbkombinationen. Auch in der hoch sichtbaren Warn­kollektion „Safety“
sind entsprechende Damen­modelle enthalten. Alle Hosen gibt es in den Größen 34-48, die Jacken in XS bis 3XL.

FHB, Spenge: Das Unternehmen entwickelt seine Damenkollektion weiter, die sich optisch und funktionell an den Anforderungen der jeweiligen Gewerke orientiert, stetig weiter. Bermuda, Arbeitsjacke und -hose, T-Shirt, Strick-Fleece-Jacke und -weste sowie Softshelljacke gibt es in zehn unterschiedlichen Farben. Ergänzend kommen verschiedene moderne Oberteile in Unisex-Größen hinzu. Eine Besonderheit des Herstellers sind klassische Arbeitshemden, Zunfthosen und -westen für Frauen sowie Stretch-Zunfthosen.

Fristads, Norderstedt: Speziell für Bau und Montage entwickelt, kombinieren die Handwerkerinnenhosen eine feminine Passform mit den gleichen gewerketypischen Funktionalitäten wie die Herrenmodelle. Zum Angebot gehören Stretch-Shorts sowie Damen-Handwerkerhosen mit und ohne Stretch oder in Jeansoptik. Eine weitere Hose wird mit recyceltem Polyester hergestellt und ist mit einer Umweltdeklaration (Environmental Product Declaration) ausgezeichnet. Außerdem bietet das Unternehmen ein 55 Teile umfassendes Warnschutz-Sortiment in Frauenpassform an.

Zur umfangreichen Linie bei Helly Hansen gehören auch Arbeitshosen  für Schwangere
Foto: Helly Hansen

Zur umfangreichen Linie bei Helly Hansen gehören auch Arbeitshosen  für Schwangere
Foto: Helly Hansen
Helly Hansen, Oslo: Das norwegische Unternehmen hat nach eigenen Angaben einen großen Aufwand bei der Entwicklung des Luna-Sortiments für Frauen betrieben. Zur umfangreichen Linie gehören überwiegend dunkelfarbige Bau-, Arbeits- und Cargohosen, Shorts, Fleece-, Shell-, Winter- und Softshelljacken, funktionelle Westen sowie Hosen und Oberteile mit Nässeschutz. Eine Besonderheit ist die Warnschutz-Arbeitshose für Schwangere: Sie hat einen extra hohen, elastischen Taillenbund, der mit den Monaten mitwächst.

Kübler, Plüderhausen: Gleich in mehreren Sortimenten (zum Beispiel „Bodyforce“, „Iconiq“, „Pulsschlag“) des Unternehmens sind Damenhosen enthalten. Die Kollektionen „Pulse“ und die Warn­schutzkollektion „Reflectiq“ sind etwas umfangreicher: Zur Damenbundhose gesellen sich jeweils eine Softshell- und eine Strickjacke. Mit der Ergänzung der Kollektion „Protectiq“ um eine Hose und Jacke sowie eine Hi-Vis-Wetterjacke für Frauen bietet das Unternehmen zusätzlich eine Lösung für Handwerkerinnen in risikoreichen Berufen an: Die Multinormkleidung ist fünffach zertifiziert.

Kübler bietet Damenhosen gleich in mehreren Sortimenten an, zum Beispiel „Bodyforce“
Foto: Kübler

Kübler bietet Damenhosen gleich in mehreren Sortimenten an, zum Beispiel „Bodyforce“
Foto: Kübler

Schöffel Pro, Schwabmünchen: Die von Outdoor-Mode inspirierte Workwear-Marke umfasst eine eigene Damenkollektion, die durch zahlreiche Anproben mit Frauen optimiert wurde. Zum Sortiment gehören Jacken, Westen, Oberteile, Jeans sowie kurze und lange Hosen aus verschiedenen Materialien auch mit Schutzfunktionen gegen schlechtes Wetter. Die Farbpalette reicht von Weiß (Malerkollektion White Line) über verschiedene Blautöne und Grau bis Schwarz, der Größenspiegel von 2XS bis 3XL.

Die „e.s.motion 2020“ von Strauss enthält die volle Bandbreite an Modellen, Farben und Funktionen in spezieller Damen-Passform  
Foto: Strauss

Die „e.s.motion 2020“ von Strauss enthält die volle Bandbreite an Modellen, Farben und Funktionen in spezieller Damen-Passform  
Foto: Strauss
Strauss, Biebergemünd: Nach eigenen Aussagen war das Unternehmen Vorreiter bei der Entwicklung eigener Damen-Kollektionen. Den Anfang machte die Kollektion „e.s.vision“, gefolgt von der „e.s.motion 2020“. Diese enthält die volle Bandbreite an Modellen, Farben und Funktionen in spezieller Damen-Passform: Diverse Hosenformen in elf  Farbkombinationen, Funktionsjacken mit Nässe- und Kälteschutz, Westen sowie verschiedene Fleece- und Thermo- Stretch-Produkte. Vielfältig ist auch die Auswahl an Damenprodukten bei der leichten, aber robusten Linie „e.s.concrete“ für Bauhandwerke.

Teamdress, Hamburg: Zu den Kollektionen „Elements“ und „Ecorover“ gehören bereits seit mehreren Jahren speziell entwickelte Damenmodelle, nämlich Bundjacke und Bundhose in bis zu sechs Grundfarben. Die Linie „Ecoflex“ wiederum hält Damen-Fleecejacke, -Softshelljacke, -jacke und -hose in fünf  Grundfarben, mit und ohne Reflexstreifen bereit. Aufgrund einer eigenen Musternäherei kann das Unternehmen außerdem schnell auf die individuellen Anforderungen von Kundinnen, wie etwa der Wunsch nach Bekleidung in einer großen Größe, reagieren.

Autorin

Dipl.-Ing. Sabine Anton-Katzenbach ist Te­x­ti­l-Veredlungs­in­ge­nieu­rin und Inhaberin der Textilberatung Ham­burg. Sie arbeitet als Be­raterin und Journalistin.

www.textilberatung.com

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