Restaurierung eines 35 m hohen Wandbildes aus Fliesen von Josep Renau in Halle an der Saale

Wieder wird ein Werk von Josep Renau restauriert. Wieder geschieht dies auf Initiative der Wüstenrot Stiftung. Und wieder wird so dank der Arbeit der Restauratorinnen und Restauratoren um Peter van Treeck von der Bayerischen Hofglasmalerei ein Stück deutscher Geschichte gerettet.

Ein bisschen Déjà-vu ist das schon: Als ich vor drei Jahren Ende Oktober nach Erfurt fuhr, kehrte dort ein großes Wandmosaik von Josep Renau an seinen ursprünglichen Standort zurück. Damals war ich auf Einladung der Wüstenrot Stiftung unterwegs und bin es nun, Mitte Juni dieses Jahres, wieder. Diesmal geht es nach Halle an der Saale. Dort sind die Restauratorinnen und Restauratoren damit beschäftigt, ein monumentales Wandbild aus Fliesen zu retten, das ebenfalls von Josep Renau stammt.

Und auch der Betrieb, der in Halle die Restaurierungsarbeiten durchführt, ist der gleiche wie seinerzeit in Erfurt. Nur die Aufgaben sind für die Bayerische Hofglasmalerei - Gustav van Treeck andere. Während es sich in Erfurt um ein Glasmosaik handelt, das vorab eingelagert in der Werkstatt der Hofglasmalerei in München restauriert wurde, sind die Restauratoren um Prof. Dr. Peter van Treeck, der Mitinhaber der Bayerischen Hofglasmalerei ist, in Halle mit einem Keramikmosaik aus Fliesen vor Ort beschäftigt – oder wie die Restauratoren gemeinhin sagen: in situ. 

Baubezogene Kunst der DDR – Bauten mit politischer Botschaft 

Im Sommer war das Wandmosaik von Josep Renau am rechten Treppenhaus des Lehrlingsheims in der Neustadt von Halle an der Saale noch weitestgehend von Gerüst und Plane verdeckt. Gegen Ende dieses Jahres sollen die voraussichtlich rund 1 Million Euro teuren Im Sommer war das Wandbild von Josep Renau am rechten Treppenhaus des Lehrlingswohnheims in der Neustadt von Halle an der Saale noch weitestgehend von Gerüst und Plane verdeckt. Gegen Ende dieses Jahres sollen die voraussichtlich eine Million Euro teuren Restaurierungsarbeiten abgeschlossen sein
Foto: Thomas Wieckhorst

Im Sommer war das Wandbild von Josep Renau am rechten Treppenhaus des Lehrlingswohnheims in der Neustadt von Halle an der Saale noch weitestgehend von Gerüst und Plane verdeckt. Gegen Ende dieses Jahres sollen die voraussichtlich eine Million Euro teuren Restaurierungsarbeiten abgeschlossen sein
Foto: Thomas Wieckhorst
Die Neustadt entstand in Halle ab 1964 in der damals typischen Plattenbauweise. Man bemühte sich, jedes Gebäude mit einer politischen Botschaft zu versehen. Baubezogene Kunst beziehungsweise Kunst am Bau bot sich hierfür an. So erhielten auch die beiden Treppenhäuser des gegen Ende der 1960er Jahre dort in Plattenbauweise errichteten so genannten Lehrlingswohnheims monumentale Wandbilder: Das Linke mit dem Titel „Die vom Menschen beherrschten Kräfte von Natur und Technik“ wurde bereits 2005 restauriert, das Rechte mit dem Titel „Einheit der Arbeiterklasse und Gründung der DDR“ ist zurzeit Gegenstand von Restaurierungsarbeiten, die bis Ende dieses Jahres abgeschlossen sein sollen. Die Wüstenrot Stiftung plant und leitet als verantwortliche Bauherrin die Restaurierung in Kooperation mit der Stadt Halle. Ursprünglich gab es am Nachbargebäude, der ehemaligen Mensa, auch noch ein ebenso großes horizontales Wandbild, das zwischenzeitlich verschwunden ist.  

35 m hohes Wandbild aus über 10 000 Fliesen 

Das Wandbild „Einheit der Arbeiterklasse und Gründung der DDR“ wurde 1975 nach Plänen von Josep Renau unter Leitung des Dipl.-Keramikers Lothar Scholz aus über 10 000 Fliesen in Glasurmalerei hergestellt. Die in 232 Reihen à 47 Stück verlegten, 15 cm x 15 cm großen und 8 mm dicken, serienmäßig hergestellten Roh-Steinzeugfliesen sind also alle von Hand bemalt. Sie fügen sich zu einem 7 m breiten und 35 m hohen Wandbildes zusammen. Der Ausdruck „monumental“ ist hier also durchaus berechtigt. „Das Wandbild aus Fliesen ist mehr als ein Bild. Es stiftet Identität in der 1964 gegründeten Neustadt“, sagt Dr. Judith Marquart, Beigeordnete für Kultur und Sport der Stadt Halle.

Die Hälfte aller Fliesen hinterfüllt

Zu Beginn der Restaurierungsarbeiten im Sommer dieses Jahres waren die Fliesen des Großmosaiks mit einem feinmaschigen Netz gesichert Zu Beginn der Restaurierungsarbeiten im Sommer dieses Jahres waren die Fliesen des Wandbildes mit einem feinmaschigen Netz gesichert
Foto: Thomas Wolf / Wüstenrot Stiftung

Zu Beginn der Restaurierungsarbeiten im Sommer dieses Jahres waren die Fliesen des Wandbildes mit einem feinmaschigen Netz gesichert
Foto: Thomas Wolf / Wüstenrot Stiftung
„Die Fliesen hatte man seinerzeit mit einem erstaunlich grobkörnigen Mörtel und mit einer sehr dicken Schicht davon an das Gebäude geklebt“, sagt Mirko Finzsch, leitender Restaurator des Projekts bei der Bayerischen Hofglasmalerei. Dieser Mörtel hatte eine zum Teil geradezu sandige Konsistenz entwickelt. Dies hatte in Verbindung mit der damaligen Verarbeitung im Dickbett zu einem typischen Schadensbild hinter den Fliesen geführt. Die Restauratorinnen und Restauratoren klopften jede der über 10 000 in Teilen von einem feinmaschigen Netz vor Absturz geschützten Fliesen mit einem Metallstab ab und wurden etwa bei der Hälfte aller Fliesen fündig: ein hohler Klang verriet, dass sich hinter den Fliesen Hohllagen gebildet hatten. Nun galt es die rund 5000 Fliesen mit Injektionsleim zu hinterfüllten.

Die hohlliegenden Fliesen werden mit Injektionsleim hinterfüllt Die hohlliegenden Fliesen werden mit Injektionsleim hinterfüllt
Foto: Thomas Wieckhorst

Die hohlliegenden Fliesen werden mit Injektionsleim hinterfüllt
Foto: Thomas Wieckhorst
„Das ist auch ein denkmalpflegerischer Ansatz, so viel wie möglich vom Original zu erhalten“, sagt Mirko Finzsch. Daher hinterfüllten die Restauratorinnen und Restauratoren die Fliesen mit einer Zementleimsuspension, in dem sie diese mit einer Spritze in ein Bohrloch in die Fugen zwischen den Fliesen injizierten. Beim Injektionsmittel handelt es sich um den zweikomponentigen Injektionsleim „ICS 2K“ von Remmers. Bindemittel und Injektionsflüssigkeit werden etwa 5 Minuten lang mit einem in der Bohrmaschine gespannten Rührquirl oder einem Kolloidalmischer miteinander vermengt, bevor die Injektion erfolgt. Bei der nachfolgenden Injektion werden die Fliesen mit einem Schwammstück vor dem Injektionsgut geschützt. 

Das Problem mit den Dehnungsfugen 

„Hier gibt es einen konzeptionellen Fehler“, meint die angelernte Restauratorin Karoline Fabian aus Leipzig, die als Grafikerin vor allem mit den Rekonstruktionszeichnungen beschäftigt war. Sie spielt damit auf den vertikal geteilten Fliesenspiegel mit seinen horizontal durchlaufenden Dehnungsfugen an. „Das sieht soweit ganz harmonisch aus. Allerdings wäre es gut gewesen, wenn die Dehnungsfugen dort gewesen wären, wo die Fugen der Betonplatten darunter aufeinandertreffen. Tatsächlich sind sie jedoch ein halbes Geschoss davon entfernt“, sagt Dipl.-Restaurator Mirko Finzsch. Das gilt aber nicht uneingeschränkt für alle Dehnungsfugen. Auf der rechten Seite des Fliesenspiegels folgen die darin enthaltenen Dehnungsfugen den darunter liegenden Betonplatten. Bedenkt man jedoch, dass es sich um ein Treppenhaus handelt, so müssen die Betonplatten auf der linken Seite konstruktionsbedingt um ein halbes Geschoss versetzt sein. Dies zeichnet sich jedoch im Verlauf der Dehnungsfugen nicht ab.

„Auf der linken Treppenhaushälfte wurden die Dehnungsfugen im Fliesenspiegel seinerzeit einfach weiter durchgezogen, ohne den Vorgaben aus dem Untergrund zu folgen“, sagt Karoline Fabian. Daraus erwächst für das Wandbild ein Problem. Denn dort, wo auf der linken Treppenhaushälfte Dehnungsfugen zu sehen sind, befinden sich darunter keine Plattenfugen, die eigentlichen Plattenfugen wurden einfach überfliest. Dort zeichnen sich heute horizontale Risse und umgangreiche Hohllagen in den darüber liegenden Fliesenreihen ab.

„Und auch die originalen Dehnungsfugen sind nicht das, was wir uns heute unter einer funktionstüchtigen Dehnungsfuge vorstellen. Der Verschluss der Dehnungsfugen erfolgte seinerzeit mit einem Morinol genannten Material, das einerseits asbesthaltig ist und andererseits im Laufe der Jahre stark versprödet war, seine Funktionalität somit verloren hatte und aus beiden Gründen entfernt werden musste“, erklärt  Finzsch.

Etwa 1000 Fliesen schnitten die Restauratorinnen und Restauratoren mit dem Oszillierer heraus Etwa 1000 Fliesen schnitten die Restauratorinnen und Restauratoren mit dem Oszillierer heraus
Foto: Gustav van Treeck GmbH

Etwa 1000 Fliesen schnitten die Restauratorinnen und Restauratoren mit dem Oszillierer heraus
Foto: Gustav van Treeck GmbH
Etwa 1600 Fliesen mussten aufgrund von Untergrundschäden abgenommen werden. Die Restauratorinnen schnitten sie mit einem Oszillierer aus dem Fliesenspiegel heraus, entfernten Mörtelreste und reinigten den darunter liegenden Bereich bis zur Betonfläche. Die Fliesen wurden verpackt und zur weiteren Bearbeitung in die Werkstätten gebracht. Gebrochene Fliesen und angeplatzte oder angegriffene Oberflächen mussten geklebt und gefestigt werden. Anschließend verlegten die Restauratoren die aufgearbeiteten Fliesen wieder vor Ort. Außerdem mussten 21 Eisenanker aus dem Beton ausgebohrt werden, um weiteren Schäden in der Fliesenfläche durch Korrosionssprengung vorzubeugen.

Starke Schäden am oberen Rand

Lediglich 500 Fliesen mussten neu angefertigt werden. Diese befinden sich fast sämtlich am oberen Rand des Wandbildes, denn hier traten die größten Schäden auf. Dies hat einen konstruktiven Grund, denn die Betonscheibe, auf der sich das Wandbild befindet, ragt ein paar Zentimeter über das Treppenhaus hinaus. „Die Abdichtung hatte dort am oberen Anschluss nicht richtig funktioniert“, sagt Mirko Finzsch. Dadurch war Regenwasser in den obersten Teil des Wandbildes eingedrungen und hatte dort auch Salze gelöst. Dies hatte in 38 m Höhe zum Totalverlust der obersten Fliesen geführt, denn Frost-Tau-Wechsel hatten über die Jahrzehnte die Substanz der Fliesen gesprengt. Die Restauratorinnen und Restauratoren ersetzten sie gegen Fliesen, die nach dem historischen Vorbild neu angefertigt wurden. Abschließend musste die gesamte Fliesenfläche neu verfugt werden. 

Fazit 

Durch die voraussichtlich rund 1 Million Euro teure Restaurierung des Wandbildes „Einheit der Arbeiterklasse und Gründung der DDR“ von Josep Renau wird ein Stück deutscher Geschichte erhalten. Prof. Philipp Kurz, Geschäftsführer der Wüstenrot Stiftung, sieht dies ganz unpolitisch: „Es ist ein geschichtliches Zeugnis und keine Agitation von heute. Das Wandbild ist ein Teil der Identität der ganzen Bundesrepublik.“

Und wie soll es weitergehen? „Selbstverständlich muss man ein solches Kunstwerk pflegen. Alle paar Jahre sollte ein Restaurator einen Blick darauf werfen, ob noch alles in Ordnung ist“, sagt Peter van Treeck von der Bayerischen Hofglasmalerei.

Autor

Dipl.-Ing. Thomas Wieckhorst ist Chefredakteur der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.

Baubeteiligte (Auswahl)

Eigentümerin Stadt Halle (Saale), www.halle.de

Bauherrin Wüstenrot Stiftung, Prof. Philipp Kurz und Nadine Schäfer, Ludwigsburg, www.wuestenrot-stiftung.de

Denkmalpflege Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Halle, archlsa.de

Statik Planungsgemeinschaft Kokott, Halle

Projektsteuerung Büro Knappheide, Thomas Knappheide, Wiesbaden, www.knappheide.eu

Schadensbeurteilung und Restaurierung

Gustav van Treeck – Werkstätten für Mosaik und Glasmalerei GmbH, Bayerische Hofglasmalerei, Prof. Dr. Peter van Treeck, Dipl.-Restaurator Mirko Finzsch, München, www.hofglasmalerei.de

Gerüstbau Blitzgerüstbau Rommel, Landsberg, www.blitzgeruestbau.de

 

 Herstellerindex (Auswahl)

 

Gerüst Altrad plettac assco, Plettenberg, plettac-assco.de 

Injektionsleim ICS 2K, Remmers, Löningen, www.remmers.com

Weitere Informationen zu den Unternehmen
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