Restaurierung und Wiederaufbau eines Großmosaiks von Josep Renau in Erfurt
Ende Oktober 2019 kehrte in Erfurt ein großes Wandmosaik von Josep Renau an seinen ursprünglichen Standort zurück. Die von der Wüstenrot Stiftung initiierte und geförderte Restaurierung dieses Glasmosaiks ist exemplarisch und beispielhaft für weitere Projekte.
Viele Kunstwerke der ehemaligen DDR gibt es bereits nicht mehr. Obwohl sich das kulturelle Erbe der DDR durch große schöpferische Leistungen auszeichnet, wird ihm wenig Wertschätzung entgegengebracht. Bereits 40 Prozent dieser Kunst sind im öffentlichen Raum verschwunden. Ein alarmierendes Zeichen, das zeigt, wie gefährdet dieses kulturelle Erbe ist. Besonders die Darstellung ideologischer Inhalte spielt eine große Rolle, wenn Wandbilder von Künstlern der ehemaligen DDR verschwinden, zerstört werden oder in Vergessenheit geraten.
Anders erging es einem monumentalen Wandmosaik von Josep Renau in Erfurt. Das zu Beginn der 1980er Jahre am damaligen Kultur- und Freizeitzentrum am Moskauer Platz angebrachte 7 m x 30 m große Mosaik-Außenwandbild konnte gerettet werden, bevor das Kultur- und Freizeitzentrum nach der Wende abgerissen wurde. „Alles wurde schnell heruntergesägt und auf Europaletten gepackt“, erzählt Prof. Philip Kurz, Geschäftsführer der Wüstenrot Stiftung, die sich als Bauherr zu 80 Prozent an der rund 80 0000 Euro teuren Restaurierung des Wandmosaiks beteiligte. Tatsächlich war es eine „Nacht- und Nebelaktion“, in der Restaurator Peter Jung aus Weimar das aus rund 70 000 Einzelteilen bestehende Mosaik mit der Flex horizontal in handliche Stücke im Format 1,15 m x 0,35 m schnitt und die 2 cm dicken Platten mit Filz beklebt in Container stapelte, die später auf dem Gelände des städtischen Betriebshofs Platz fanden.
Warum das Wandmosaik gerettet werden musste
Josep Renau wurde 1907 im spanischen Valencia geboren. Als er im Alter von 51 Jahren aus dem mexikanischen Exil in die DDR umsiedelte, brachte er die Idee der Wandbildmalerei von dort mit. Die Staatliche Auftragskommission des Rates des Bezirks Erfurt beauftragte ihn 1975 mit dem Entwurf einer „Wandbildgestaltung im Zentrum Eingangsbereich Neubaugebiet Erfurt, Nordhäuser Straße“. Zwei Jahre später begann Renau in Berlin-Mahlsdorf, wo er damals lebte, gemeinsam mit seinem Künstlerkollektiv mit den ersten Entwürfen und Modellen für das Wandmosaik. Wieder zwei Jahre später legte er der Kommission seine Entwürfe vor. Diese befand sie für gut und in der darauffolgenden Zeit begannen von 1980 bis 1984 endlich die Ausführungsarbeiten. Als Technik wählte Renau das Glasfliesenmosaik, da es kostengünstiger war als sein keramischer Verwandter und obendrein noch langlebiger im Hinblick auf die Farbstabilität. Die Fertigstellung seines Werks hat Josep Renau nicht mehr erlebt. Er starb 1984 im Alter von 77 Jahren. Sein Künstlerkollektiv vollendete das Mosaik nach seinem Tod.
Heute gilt das Wandmosaik von Josep Renau als bedeutendes Werk der Wandbildkunst des 20. Jahrhunderts. Es zeigt links die Natur, rechts die Technik und in der Mitte die wie eine Schale geöffneten Hände, die beides verbinden. Symbolisch gemeint sollte der Mensch sich die Natur und Technik zu Nutze machen, um sein Leben zu verbessern.
Die Bedeutung des unter Denkmalschutz stehenden Werkes rechtfertigt besondere Anstrengungen für dessen Erhalt und Wiederaufbau am ursprünglichen Ort. „Außerdem ist das Wandmosaik ein kulturpolitisches Zeichen, dass diese Kunst aus der DDR-Zeit im öffentlichen Raum wieder gezeigt wird“, sagt Dr. Tobias Knoblich, Dezernent für Kultur, Wirtschaft und Umwelt der Stadt Erfurt.
Schäden im Glas des Wandmosaiks
Für die Anbringung des Mosaiks stellten die Handwerker zu Beginn der 1980er Jahre mit einem Versatzmörtel auf dem Mauerwerk beziehungsweise Untergrund zunächst eine planebene Fläche her, auf der sie in Mörtel dann die einzelnen Mosaikglasplättchen einklebten. Der Verbund zwischen den einzelnen Mörtelschichten und den Mosaikplättchen wurde im Rahmen der Befundanalyse an den Materialprüfanstalten in Weimar und Wiesbaden untersucht. Es
folgten weitere Materialuntersuchungen und eine Schadenskartierung. „Das Wandbild war wesentlich kaputter, als wir dies ursprünglich gedacht hatten“, erinnert sich Prof. Philip Kurz. Dies liegt im Wesentlichen an den unterschiedlichen Witterungsbedingungen und starken Temperaturschwankungen, denen das Mosaik ausgesetzt war.
„Das Material – Glasmosaik – spielt eine ganz entscheidende Rolle“, sagt der die Restaurierungsarbeiten leitende Prof. Dr. Peter van Treeck. Er weiß wovon er spricht, denn er hat die Bayerische Hofglasmalerei Gustav van Treeck gemeinsam mit Konrad van Treeck zu Beginn der 1960er Jahre in dritter Generation übernommen. Heute steht er den Werkstätten des gemeinsam von Katja Zukic und Raphaela Knein geleiteten Unternehmens beratend zur Seite. „Glasmosaik wurde in der ehemaligen DDR viel mehr ausgeführt, als in anderen Ländern. Es hat eine ganz besondere Wirkung im Licht, aber nur eine begrenzte Haftfähigkeit auf Zementmörtel“, erklärt Prof. Dr. Peter van Treeck. Hinzu kommt, dass die Oberflächentemperatur im Sommer auf 50 bis 60 Grad Celsius steigt. Das hat Lockerungen der Glasmosaikplatten zur Folge. „Je nach Farbe gibt es enorm viele Haarrisse, bis hin zu Krakelee im Glas“, so Restaurator van Treeck. Die Abnahme des Wandmosaiks vom einstigen Kultur- und Freizeitzentrum fügte den Gläsern noch weitere Risse zu.
Exemplarische Restaurierung
eines großen Glasmosaiks
„Wir haben uns ein spezielles Werkzeug gebaut, mit dem wir den Versetzmörtel der 2 cm dicken Platten auf einen 2 bis 3 mm dicken Restmörtel herunterschleifen konnten“, erinnert sich Prof. van Treeck. Auch musste der ziemlich fest auf den Mosaikplatten klebende Filz mit einem „Chemiecocktail“ aus Terpentin und Abbeitzer und anschließend mit warmem Wasser abgenommen werden. „Dann hatten wir viele kleine Glasplättchen, mit denen wir puzzeln konnten“, sagt die freiberuflich für dieses Projekt tätige Restauratorin Steffi Wirsing-Nolte. Gebrochene Glasplättchen setzten die Restauratoren wieder zusammen und verfüllten die Mosaikfugen von hinten mit Sand. Um sicherzustellen, dass die einzelnen Mosaikplättchen beim folgenden Auftragen des Ausgleichmörtels nicht verrutschten, wurden lose liegende Teile durch einen Versatzmörtel fixiert. Für fehlende Mosaiksteine setzten die Restauratoren erst einmal Platzhalter ein. Nachdem dann alle Mosaikplättchen fixiert waren, erfolgte auf der Rückseite des Mosaiks der Verguss mit Mörtel, in den die Restauratoren zur Verstärkung Armierungsgewebe einlegten. Nachdem der Vergussmörtel ausgehärtet war, wurden die Platten gewendet und die Oberfläche des Glasmosaiks gründlich gereinigt.
Einige der 5 x 5 cm großen Presslinge aus Industrieglas waren so kaputt, dass sie ersetzt werden mussten. Dies liegt auch daran, dass sich überall dort, wo (Spannungs-)Risse im Mörtel vorhanden waren, sich die Kraft in die Glasplättchen fortgesetzt und darin weitere Risse zur Folge hatte. Fehlende und kaputte Glasplättchen ersetzten die Restauratoren aus dem Bestand oder gegen mundgeblasenes Glas aus Italien, das anschließend gewalzt wurde. Für das Verkleben verwendeten sie Epoxidharz.
Das Mosaik kehrt an seinen
ursprünglichen Standort zurück
Für die restaurierten Mosaikplatten ging es anschließend von Kammlach nach Tautenhain, wo die Wüstenrot Stiftung eine Halle angemietet hatte, in der die Mosaikplatten auf zwölf Betonplatten als Bildträger aufgebracht werden sollten. Die Betonplatten hatten die Mitarbeiter der Firma Hofmann Betonbau in Gera / Universalbeton Heringen in Heringen als Fertigteile hergestellt und per Lkw nach Tautenhain gebracht. Auf diese klebten die Restauratoren die Mosaikplatten mit Versetzmörtel auf und verfugten anschließend das komplette Mosaik. „Trotz der Dehn-Bewegungsfugen durfte dabei zwischen den Platten natürlich kein Versatz im Mosaik entstehen“, sagt Restaurator van Treeck. In der Zwischenzeit hatten die Mitarbeiter der Firma Hofmann Betonbau und Universalbeton Heringen vor Ort in Erfurt bereits das Stahlbetontragwerk auf ein eigenes Fundament vor den dort neu erbauten Einkaufsmarkt gestellt. Ursprünglich sollte das Wandmosaik auf dem neu erbauten Einkaufsmarkt aufgebracht werden. „Das Gebäude war jedoch 1,5 m niedriger, als das Mosaik ursprünglich angebracht war. Außerdem steht zu befürchten, dass ein solches Gebäude in absehbarer Zeit wieder verschwindet, oder umgebaut wird“, sagt der mit der Planung beauftragte Architekt Frank Spangenberg vom ortsansässigen Büro Spangenberg + Braun. Daher wurden die Betonplatten am Stahlbetontragwerk befestigt, das etwa einen Meter entfernt unabhängig vom ursprünglich angedachten Trägergebäude steht. „Es gab aber niemanden, der darauf ein Angebot abgegeben hätte“, erinnert sich Architekt Spangenberg. „Daher wurde die Bauaufgabe auf mehrere Unternehmen verteilt, die exakt zusammenarbeiten mussten.“ Die Handwerker montierten die tonnenschweren Elemente Ende Oktober vergangenen Jahres mit dem Kran schließlich so exakt, dass zum Beispiel einer der großen Stahlbetonquerträger in der Mitte unter 1 mm durchbiegt. Dies war nur dank des vom Tragwerksplaner Dr. Josef Trabert vom Ingenieurbüro für Statik und Konstruktion Trabert + Partner aus Geisa entwickelten Systems möglich, mit dem die Betonplatten auch noch nach dem Einhängen an der Stahlbetonkonstruktion ausgerichtet werden konnten. Über in die Betonplatten eingelassene Gewindehülsen von Halfen wurden die Betonplatten mit Gewindestangen über Stahlwinkel an die Stahlbetonbauteile des Tragwerks, in die ebenfalls Gewindehülsen eingelassen sind, verbunden. Nach dem Einhängen der Betonplatten konnten die Handwerker so die Fugenmaße zwischen den Betonplatten einstellen. „Das wurde von den Rohbauern wunderbar exakt ausgeführt“, lobt Prof. Dr. Peter van Treeck, der abschließend mit seinen Kolleginnen und Kollegen die zwei bis drei Glasplättchen breiten Fugen zwischen den zwölf Betonplatten mit ebensolchen Plättchen schloss.
Die Anwohner freuen sich, dass ihr Mosaik nun wieder an Ort und Stelle ist. Mit der Restaurierung des Wandmosaiks von Josep Renau in Erfurt konnte ein Stück kulturelles Erbe aus DDR-Zeiten gerettet werden. Die Restaurierung ist exemplarisch. Es bleibt zu hoffen, dass sie möglichst viele Nachahmer findet, damit in Zukunft auch weitere Wandbilder vor dem Vergessen bewahrt werden können.
Über die Restaurierung des Wandmosaiks von Josep Renau ist Anfang November 2020 unter dem Titel "Die Beziehung des Menschen zu Natur und Technik" ein Buch erschienen, das man bei der Wüstenrot Stiftung bestellen kann.
Baubeteiligte (Auswahl)
Bauherr Wüstenrot Stiftung, Prof. Philip Kurz und Verena Gantner, Ludwigsburg, www.wuestenrot-stiftung.de
Eigentümer Stadt Erfurt, Dr. Tobias Knoblich, Erfurt, www.erfurt.de
Architekt Spangenberg + Braun, Frank Spangenberg, Erfurt, www.spangenberg-braun.de
Statik Trabert + Partner, Dr. Josef Trabert, Geisa, www.trabert.de
Projektsteuerung Büro Knappheide, Thomas Knappheide, Wiesbaden, www.knappheide.eu
Sachverständige Dr. Uwe Erfurth, Bad Kohlgrub, www.institut-erfurth.de / Peter Jung, Restaurator, Weimar / Wilma Rambow, Bauforscherin, Leipzig
Denkmalpflege Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Thüringen, Dr. Holger Reinhardt, Erfurt
Restaurierungsarbeiten Gustav van Treeck Bayerische Hofglasmalerei, Prof. Dr. Peter van Treeck, München, www.hofglasmalerei.de Steffi Wirsing-Nolte, freie Restauratorin, Savoy Konservierung & Restaurierung, Breitenworbis
Herstellung der Stahlbetonfertigteile
Universalbeton Heringen, www.universalbeton.com Hofmann Betonbau, Gera, www.hofmann-betonbau.de