15. Allgäuer Baufachkongress 2024 in Oberstdorf glänzt mit erstklassigen Referenten und detailreichen Praxis-Vorführungen

Hochkarätige Referenten, ein aktueller und erstklassiger Themen-Mix sowie detailreiche Praxisvorführungen: Zum 30. Jubiläum hatte Baumit für den Allgäuer Baufachkongress eine rundum gelungene Veranstaltung auf die Beine gestellt. Die Freude war groß, nach vier Jahren coronabedingter Pause vom 17. bis 19. Januar 2024 in Oberstdorf zusammen zu kommen.

Zahlreiche Vorträge waren so gut gebucht, dass es rappelvoll war und viele Referenten in größere Säle wechselten. Allein beim Auftakt sowie zum Abschluss des Kongresses waren rund 600 Zuhörerinnen und Zuhörern im großen Saal des Oberstdorf-Hauses. Insgesamt reisten 1250 Gäste aus dem gesamten Bundesgebiet an, darunter Handwerker, Architekten, Wissenschaftler, Vertreter aus dem Fachhandel sowie der Wohnungswirtschaften und Verbandsvertreter. Zu den Themen gehörten: Wohngesundheit, neue Technologien bei Rohstoffen, Sanierungskonzepte, Baukultur, Vermeidung von Bauschäden, Digitalisierung, BIM, KI, Recht sowie spannende Impulse für Recruiting und Betriebsführung. Der Bauverlag sowie weitere Partnerfirmen unterstützten den Kongress.

Frank M. Salzgeber, ehemaliger Leiter Innovation und Venture Abteilung der Europäischen Raumfahrtagentur ESA, berichtete beim Baumit-Kongress, wie er selbst die Faszination für den Weltraum fand. Auf der Leinwand ein Familienfoto
Foto: Michaela Podschun

Frank M. Salzgeber, ehemaliger Leiter Innovation und Venture Abteilung der Europäischen Raumfahrtagentur ESA, berichtete beim Baumit-Kongress, wie er selbst die Faszination für den Weltraum fand. Auf der Leinwand ein Familienfoto
Foto: Michaela Podschun
Zu den Top-Speakern zählten: Frank M. Salzgeber, ehemaliger Leiter Innovation und Venture Abteilung der Europäischen Raumfahrtagentur ESA. Er nahm das Publikum mit auf eine spannende Reise in den Weltraum. Professor Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), lotete wirtschaftliche Chancen und Risiken für Deutschland und die heimische Bauwirtschaft aus. Wetterexperte Karsten Schwanke erklärte mit einfachen Worten den Klimawandel und die Herausforderungen für die Baubranche. Und der ehemalige Mercedes-Benz-Motorsportchef Norbert Haug machte deutlich: Die „Formel 1 ist wie Häuser bauen – nur mit viel weniger Unbekannten!“

„Mit ständig wechselnden Meinungen konfrontiert“

„Der Markt ist von Unsicherheiten geprägt. Wir werden mit ständig wechselnden politischen Meinungen konfrontiert“, sagte Baumit-Geschäftsführer Heiko Werf zu Beginn des Kongresses und zog ein verhaltenes Fazit zum Geschäftsverlauf 2023. „Wir sehen einen Einbruch um fast 30 Prozent in den Neubau-Genehmigungen – und was nicht genehmigt wurde, wird in 2024 nicht gebaut.“ Hohen Kostendruck spüre das Unternehmen bei Logistik, Rohstoffen und Personal.

Im Oberstdorf-Haus gab es aktuelle Fachvortäge und Produkt-Vorstellungen
Foto: Michaela Podschun

Im Oberstdorf-Haus gab es aktuelle Fachvortäge und Produkt-Vorstellungen
Foto: Michaela Podschun
Allerdings sei der Umsatzrückgang von 8,8 Prozent auf 273 Millionen Euro geringer ausgefallen als zunächst befürchtet. Baumit habe seine Marktposition in 2023 gehalten und mit Integration der Sakret GmbH und Diessner das Produktportfolio verbreitert. Ende 2023 wechselten die Bereiche Mauerwerk, Wärmedämmung, Putz, Farben sowie Garten-und Landschaftsbau zu Baumit. Die Sakret GmbH konzentriere sich auf Fliesen-und Bodentechnik, Betoninstandsetzung und technische Mörtel.  

„Unsere Chancen für das Jahr 2024 sehen wir ganz klar in Sanierung, Nachhaltigkeit und Effizienz“, fasste Heiko Werf zusammen. Baumit rechnet mit einer Stabilisierung der Baugenehmigungen auf einem zu geringen Level von 225.000, während die Fertigstellungen aufgrund mangelnder Genehmigungen aus dem Vorjahr bei nur 180.000 lägen.

Investitionen in Gebäude, Maschinen und Personal

Gas geben will Baumit in puncto Investitionen. 7,1 Millionen Euro fließen in Grundstücke/Gebäude, 3,1 Millionen Euro in Maschinen/Anlagen und 16,1 Millionen Euro in den Wittenborner Produktionsstandort. Durch die Zusammenlegung von Produktbereichen und Vertriebsteams erhöhe sich die Mitarbeiterzahl von 580 auf 620. Heiko Werf hob den Bereich Grubengas hervor. Das Unternehmen nutze für mehr Nachhaltigkeit ab Januar 2024 im Werk in Oer-Erkenschwick nicht nur Photovoltaik, sondern auch eine Anlage zur Verwertung von Abwärme. Diese entsteht auf dem Werksgelände durch Blockheizkraftwerke, welche Grubengas aus ehemaligen Minenschächten nutzen. Somit recycelt Baumit diese Ressource noch ein weiteres Mal.

Wechsel in der Geschäftsführung

Übergabe der Baumit-Geschäftsführung, die "Eigengewächse" kommen ans Steuerrad (von links): Peter Sarantis, Robert Fritzsche, Helmut Batscheider und Heiko Werf
Foto: Michaela Podschun

Übergabe der Baumit-Geschäftsführung, die "Eigengewächse" kommen ans Steuerrad (von links): Peter Sarantis, Robert Fritzsche, Helmut Batscheider und Heiko Werf
Foto: Michaela Podschun
Beim Jubiläumskongress vollzog das Unternehmen den Wechsel in der Geschäftsführung. Heiko Werf und Peter Sarantis übergaben das Steuerruder an Helmut Batscheider (ehemals Bereichsleiter Vertrieb) und Robert Fritzsche (ehemals Bereichsleiter Finanzen). „Wir ziehen uns gerne zurück und übergeben die Geschäftsführung an unsere Eigengewächse“, so Heiko Werf. Batscheider und Fritzsche arbeiten seit Jahrzehnten bei Baumit und seien mit sämtlichen Prozessen vertraut. Ganz oben auf der Agenda der neuen Chefs stehen der weitere Ausbau der Marktposition, die Fortführung der Integration von Sakret und Diessner sowie das Halten und Gewinnen guter Mitarbeiter.

Top-Speaker: Weltraum, Wirtschaft, Wetter

Was die Baubranche von der Raumfahrt lernen kann: Frank M. Salzgeber hielt einen spannenden Impuls-Vortrag
Foto: Michaela Podschun

Was die Baubranche von der Raumfahrt lernen kann: Frank M. Salzgeber hielt einen spannenden Impuls-Vortrag
Foto: Michaela Podschun
Spannende Impulse gab es von den Top-Speakern aus den Bereichen Weltraum, Wirtschaft und Wetter. „We need more Space“: „Wir brauchen mehr Raum für Mut und Kreativität!“ Das war die Kernaussage von Frank M. Salzgeber. Er verdeutlichte sehr unterhaltsam, was Unternehmen von der Raumfahrt lernen können. Er machte klar, wie wichtig es ist, in die eigene Kindheit zurückzugehen und daran zu glauben, dass Träume und Wünsche wahr werden. „Finden Sie Ihre kindliche Neugier! Was zeichnet Astronauten aus?“, fragte er sein Publikum. Die Antwort:„Sie gehen Risiken ein, sind mental stabil und Teamplayer. Sie nehmen sich nicht wichtig, sehen von oben keine Grenzen! Bleiben in extremen Situationen ruhig!“ Letztlich seien wir alle Astronauten. Unser Raumschiff ist die Erde.

Laut Salzgeber agiere Europa bei Forschung und Entwicklung viel zu zögerlich. „Wir müssen bereit sein, das Scheitern einzukalkulieren. Wir müssen weg vom Autopiloten.“  Beispiel: Um die Wettbewerbsfähigkeit von Europas einziger großer Rakete Ariane im Vergleich zu den USA zu beurteilen, genüge der Vergleich mit der Falcon 9-Rakete von SpaceX des Milliardärs Elon Musk. Dieser launche Starts alle drei Tage. Wohingegen es bei Ariane lediglich zwei oder drei Starts pro Jahr gebe.

Sein weiterer Ratschlag lautete: Jeder Handwerksbetrieb braucht einen „Chief Devil Officer“, also jemanden, der auch mal negatives Feedback gibt und die Finger in die Wunde legt. Herausforderungen annehmen, langfristig denken - das tue nicht nur viele Firmen, sondern ganz Deutschland gut. Moderator Boris Schade-Bünsow, Chefredakteur der Bauwelt und Geschäftsführer des Bauverlages, lag die extreme deutsche Bürokratie, die auch die kreativsten Bauvorhaben ausbremse, schwer im Magen. Frank M. Salzgeber riet: Es hilft nur Druck! Sie sind eine starke Baubranche, machen Sie Druck!“

Marcel Fratzscher: „Angst ist Gift für die Wirtschaft“

Prof. Marcel Fratzscher, Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsförderung in Berlin, lotete die Chancen und Risiken für die Bauwirtschaft aus
Foto: Michaela Podschun

Prof. Marcel Fratzscher, Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsförderung in Berlin, lotete die Chancen und Risiken für die Bauwirtschaft aus
Foto: Michaela Podschun
Dass die deutsche Politik mehr Mut zeigen müsse, betonte auch Professor Marcel Fratzscher. „Die Wirtschaft ist verunsichert! Es gibt viele Krisen gleichzeitig. Es herrschen Angst und Depression. Das ist Gift für die Wirtschaft“, sagte der DIW-Experte. Er beleuchtete das Bild von Deutschland als „krankem Mann Europas.“ Das Wirtschaftswachstum sei mit 0,9 Prozent in diesem Jahr sehr schwach. Vergleich: Indien liege mit 6 Prozent, China mit 4,6 und Indonesien (5,2 Prozent) an der Spitze. Abhängigkeiten vom russischen Gas und von Rohstoffen aus China machen Deutschland erpressbar. „Deutschland braucht mehrere Standbeine und auch eine Umgestaltung der Lieferketten“, so Fratzscher. Die globale/ökologische Transformation laufe zu langsam angesichts sich häufender Umweltkatastrophen. Hinzu kommen der schwache Digitalisierungsschub, die steckenbleibende E-Mobilität, Fachkräftemangel, fehlende Infrastruktur und eine ausufernde deutsche Bürokratie.

Fehlendes Fachpersonal bezeichnete Fratzscher als größtes Problem. „Denn Unternehmen werden verschwinden, wenn sie keine Mitarbeiter finden.“ In der Erwerbstätigkeit der Frau sieht er das größte Potenzial. „Allerdings hat Deutschland im EU-Vergleich das größte Gender-Pay-Gap. Es müssen also eine attraktive Bezahlung und flexible Arbeitszeitmodelle her“, forderte er.

Deutschland brauche zudem eine soziale Transformation. Denn einkommensschwache Familien würden durch zahlreiche Preissteigerungen zusehends abgehängt. „Insbesondere das Wohnen wird zur sozialen Frage. Schon längste sind die Mieten in vielen Städten um 40 Prozent gestiegen. Es fehlen außerdem 900.000 Sozialwohnungen.“ Fratzschers Fazit: „Die Politik hat versagt!“.  Dennoch ist sein Ausblick auf die nächsten Jahre positiv. Die Produktivität im Handwerk und im Baugewerbe sei hoch. Worauf Moderator Boris Schade-Bünsow die Frage stellte: „Warum wird zu wenig in die Gebäude-Substanz investiert?“ Der Wirtschafts-Experte erklärte: „Die Bundesregierung will die Preissteigerungen nicht befeuern und hält an der Schuldenbremse fest.“ Doch das sei kurzfristiges Denken. Statt zu sparen sollte die Politik mehr Mut für Investitionen zeigen.

Karsten Schwanke: „Es wird bis zu 45 Grad heiß“

Wetterexperte Karsten Schwanke sprach über Klimawandel und die Herausforderungen für die Baubranche
Foto: Michaela Podschun

Wetterexperte Karsten Schwanke sprach über Klimawandel und die Herausforderungen für die Baubranche
Foto: Michaela Podschun
Optimistische Wetter-News brachte Diplom-Meteorologe und ARD-Experte Karsten Schwanke nicht mit. Weltweit gebe es mehr Gewitter und stärkere tropische Wirbelstürme. Seine Prognose:„Es wird heißer. In den nächsten Jahren bis zu 45 Grad. Darauf sind wir nicht vorbereitet. Im Städtebau werden Verschattung und Dämmung der Gebäudehülle zu großen Themen werden.“

Schwanke berichtete sehr anschaulich über die Erstellung eines städtebaulichen Temperaturprofils. Dazu montierte sein Team Temperaturfühler auf einem Autodach und fuhr im Feldversuch quer durch Frankfurt. Das Ergebnis war deutlich. Im Bankenviertel, also dort, wo viel Stein und Beton verbaut sind, war es am wärmsten. Je mehr die Crew ans andere Ende der Stadt mit begrünten Anlagen und niedrigeren Gebäuden fuhr, desto kühler wurde es. Auch fließende Gewässer haben in der Stadt einen Kühlungseffekt. Letztlich war es in einer Parkanlage 10 Grad kühler als im Bankenviertel. „Pflanzen sorgen durch die Verdunstung für Abkühlung. Wir müssen Stadtgrün erhalten, mehr Wassertalsperren und Wasserspeicher bauen.“ Das seien die Herausforderungen für Politik und Städteplaner.   

Unsere Berichterstattung zum 15. Allgäuer Baufachkongress erscheint ebenso in der März-Ausgabe der bauhandwerk.

Autorin

Michaela Podschun ist Redakteurin der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.

 

 


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