Bewertung und Umgang mit Holzkonstruktionen, die mit Holzschutzmitteln kontaminiert wurden
Mit Holzschutzmitteln lassen sich Pilze und Insekten wirksam bekämpfen. Noch vor Jahrzehnten eingesetzte Wirkstoffe werden heute aber als gefährlich eingestuft. Wir erläutern die Bewertung und den Umgang mit kontaminierten Holzkonstruktionen.
Der Materialschutz an Holzkonstruktionen in der Nachkriegszeit erlangte aus wirtschaftlichen Gründen einen großen Stellenwert. So waren insbesondere die 1950-er Jahre vom Einsatz chemischer Holzschutzmittel geprägt. Obwohl in den damaligen Regelwerken immer wieder der konstruktive Holzschutz erwähnt wurde, hatte der chemische Holzschutz bis in die 1980-er Jahre Priorität. Erst mit Beginn der 1990-er Jahre rückte der konstruktive Holzschutz in den Fokus des Interesses. Der fortschreitenden Sensibilisierung im Umweltschutz, der Risikobewertung für die Gesundheit und der Einsparung von Bioziden folgend, entstanden Regelwerke, die diesem Anliegen entsprachen (so zum Beispiel die Biozidprodukteverordnung, DIN 68 800).
In der DDR entwickelte Methode: Wasserbasierte Holzschutzmittel wurden in Schaumkonsistenz überführt und mit einer speziellen Apparatur auf die Holzoberfläche aufgetragen
Foto: Ekkehard Flohr
Noch vor Jahrzehnten gebräuchliche Holzschutzmittel beziehungsweise Wirkstoffe wurden in der Zwischenzeit aufgrund neuer Erkenntnisse als gefährlich eingestuft und deren Einsatz ist heute verboten. Um die damals so behandelten Holzbauteile fachgerecht bewerten zu können, sind einerseits Kenntnisse über die Zusammensetzung von Holzschutzmitteln und andererseits über Formen deren Einbringverfahren notwendig.
Einbringverfahren von Holzschutzmitteln
Das wohl einfachste und älteste Einbringverfahren ist der Anstrich. Damit werden allerdings nur Eindringtiefen von wenigen Millimetern im Holz erreicht. Bereits vor mehr als 5000 Jahren entwickelte man das weitaus effektivere Bandageverfahren und Anfang des 19. Jahrhunderts ein so genanntes Saftverdrängungsverfahren. Dabei hatten Holzschutzmittel die Möglichkeit, über Tage und Jahre tief in die Holzmatrix einzudringen. Auch das Einlagerungsverfahren (bereits im Mittelalter angewendet) führte zu befriedigenden Holzschutzergebnissen.
Spezielle Kunststoffpacker wurden in Holzbauteile eingeschlagen und das Holzschutzmittel über geringen Druck verpresst
Foto: Ekkehard Flohr
Erst mit der Entwicklung des Kesseldruckverfahrens Anfang des 19. Jahrhunderts in Frankreich gelang es, einen echten Voll- beziehungsweise Tiefschutz zu gewährleisten, dessen Qualität trotzdem maßgeblich von der Holzschutzmittel-Zusammensetzung und der Holzart abhängig war. Auch im Handwerk hat man sich bemüht, biozide Wirkstoffe tief in das Holz einzubringen.
Gerade mit der Urbanisierung großer Städte um die Jahrhundertwende schuf man unbewusst die Grundlage für die Entwicklung holzzerstörender Organismen. Insbesondere die Verbreitung des Echten Hausschwamms sowie des Hausbocks machten die wirksame Prävention und die effektivere Verwendung handwerklicher Verfahren notwendig.
Streich- und Bohrlochverfahren
Beim Bau von Wohnhäusern wurde darauf geachtet, dass besonders gefährdete Stellen tiefenwirksam und auch mehrfach mit Holzschutzmitteln behandelt wurden. Dabei kam vorrangig das Streich- und Bohrlochverfahren zum Einsatz. Beide Verfahren werden noch angewendet. Speziell das Bohrlochverfahren wird in heutigen Regelwerken in Form der Bohrlochdrucktränkung beziehungsweise der Bohrlochtränkung genau beschrieben. Kommt das Bohrlochdrucktränkverfahren zum Einsatz, so werden spezielle Kunststoffpacker in gefährdete Holzbauteile eingeschlagen und das Holzschutzmittel über geringen Druck (3 bis 5 bar) verpresst.
Sprüh-, Spritz- und Schaumverfahren
Um große Oberflächen zeitsparend und damit wirtschaftlich zu behandeln, werden diese im Sprüh- oder Spritzverfahren imprägniert. Wie beim Anstreichverfahren erreicht man je nach Holzart und Holzschutzmittelrezeptur Eindringtiefen von wenigen Millimetern bis maximal 1 cm. Nachteilig hierbei waren entstehende Abtropf- und Spritzverluste. Um dies zu kompensieren, wurde um 1975 in der ehemaligen DDR das Schaumverfahren entwickelt. Dabei werden wasserbasierte Holzschutzmittel in Schaumkonsistenz überführt und mit einer speziellen Apparatur auf die Holzoberfläche aufgetragen. Damit wurden auch größere Eindringtiefen in das Holz erreicht.
Typische Holzschutzmittel-Wirkstoffe
Ausblühungen von Bittersalz an einem Kehlsparren nach massiver Durchfeuchtung
Foto: Ekkehard Flohr
Die Entwicklung und der Einsatz von Holzschutzmitteln im 19. Jahrhundert konzentrierte sich auf Holz, das im Erdkontakt verbaut wurde (Bergbau, Spundwände, Masten, Schwellen). Die Wirkstoffe bestanden damals beispielsweise aus Phenolen, Chlornaphthalinen, Steinkohlenteerölen, Zink-Salzen, Quecksilber-Salzen. Im Hochbau kamen diese nur selten zum Einsatz. Erst während und nach dem 2. Weltkrieg hat man begonnen, Holzschutzmittel für den Hochbau zu standardisieren. So kamen während der Kriegsjahre so genannte Feuerschutzmittel (FM I bis FM III) in den Dachstühlen zum Einsatz. Es folgten zahlreiche organische Chlorverbindungen als fungizide und insektizide Wirkstoffe in lösemittelbasierten Holzschutzmitteln. Verschiedene Borverbindungen wurden in wasserbasierten Holzschutzmitteln hinzuge-
fügt.
Der politischen Teilung Deutschlands geschuldet, wurden in der ehemaligen DDR vermehrt Dichlordiphenyltrichlorethan-haltige Produkte (DDT), zum Beispiel Hylotox Präparate, eingesetzt. Demgegenüber war die Wirkstoffvielfalt in der ehemaligen BRD bedeutend größer. So wurde als Insektizid Lindan (y-HCH) und Hexachlorcyclohexan (HCH) und als Fungizid Pentachlorphenol (PCP) angewendet.
Einbausituationen von behandelten Bauteilen
Von den konstruktiven Gegebenheiten hängt es ab, wo, an welcher Stelle und in welcher Formulierung Holzschutzmittel im Gebäude zum Einsatz kamen. In erster Linie wurden sie bei Holzbauteilen benutzt, die einer erhöhten Feuchtebelastung ausgesetzt sind oder bei denen die Gefahr einer Feuchtebelastung bestand. Eine entsprechende Klassifizierung findet man in der Gebrauchsklassendefinition (GK 1 bis 5), denn von der Feuchtebelastung wird die Art der Organismengefährdung beeinflusst.
Dem früheren Sicherheitsbedürfnis folgend sind in der Praxis Holzbauteile behandelt worden, bei denen keine oder nur eine geringe Gefährdung vorlag. Demnach geht die Altholzverordnung (AltholzV, BGBl. I S. 3302, 15. August 2002; zuletzt geändert durch Art. 120 V v. 19.6.2020 I 1328) davon aus, dass grundsätzlich alle statisch tragenden und ausgreifenden Holzbauteile im Gebäude mit Holzschutzmitteln behandelt wurden. Diese Hölzer werden, sofern nichts Gegenteiliges festgestellt wird, per se der Altholzkategorie IV zugeordnet.
Erscheinungsformen an behandeltem Holz
Dachkarten mit Hinweis auf frühere Holzschutzmittelbehandlungen
Foto: Ekkehard Flohr
Welche Holzschutzmittel-Wirkstoffe konkret zur Anwendung kamen, kann visuell so gut wie nicht ermittelt werden. Einen ersten Hinweis würde man in den Bauakten (alte Rechnungen und Angebote von Holzschutzmittelbehandlungen) oder in Form von Dachkarten bekommen. Lediglich der Holzschutzmittelwirkstoffe DDT kann als weißer kristalliner Belag, der an Flug- beziehungsweise Pulverschnee erinnert, visuell detektiert werden.
Umfangreichere pelzige und watteartige Erscheinungen sind oft ein Hinweis auf die Verwendung von Brandschutzbehandlungen. So bilden Magnesiumsulfate (Bittersalz) oder Ammoniumsulfate teilweise spektakuläre weiße Beläge an der Holzoberfläche.
Insbesondere in Salinen wird eine extreme Mazeration durch Salze hervorgerufen
Foto: Ekkehard Flohr
Eine weitere Erscheinung, die hauptsächlich auf die Behandlung von Brandschutzanstrichen zurückzuführen ist, ist eine Wollebildung oder Zerfaserung der Holzoberfläche. Hierbei handelt es sich um eine chemische Korrosion (Mazeration), die auch durch eine Überdosierung salzhaltiger Holzschutzmittel hervorgerufen werden kann. Aus statisch-konstruktiver Sicht sind mazerierte Holzbauteile kaum eine Gefahr für die Standfestigkeit des Gebäudes. Doch kann eine gesundheitliche Gefährdung aufgrund der sich lösenden Holzpartikel und der daran anhaftenden Holzschutzmittel-Wirkstoffe entstehen.
Aus diesem Grund sollten chemische Analysen zur Klärung einer möglichen Schadstoffbelastung veranlasst werden. Analog sollte verfahren werden, wenn an den Dachverbandshölzern oder an anderen Holzbaukonstruktionen Verdachtsmomente einer alten Holzschutzmittelbehandlung vorliegen (zum Beispiel unnatürliche Verfärbung der Holzoberfläche, fehlende Spuren von holzzerstörenden Insekten, fehlende Spinnennetze, Kristallbildung an der Oberfläche).
Sanierungsmöglichkeiten
Bestätigt sich der Einsatz von Holzschutzmittel-Wirkstoffen, die als Schadstoff deklariert sind, werden die Holzbauteile und Räume als kontaminierte Bereiche (Schwarzbereich) eingestuft. Dementsprechend müssen, in Abstimmung mit dem SiGeKo, wirksame Arbeitsschutzmaßnahmen festgelegt werden.
Für die weitere Nutzung muss grundsätzlich geklärt werden, ob der kontaminierte Bereich zukünftig zu den Wohn- und Aufenthaltsräumen zählt oder nicht. Es ist durchaus möglich, dass ein Dachstuhl, der nicht dieser Kategorie zugeordnet wird, belassen werden kann. Voraussetzung dafür ist, dass der kontaminierte Bereich konvektionsdicht gegenüber anderen Räumlichkeiten getrennt wird. Entscheidet man sich dazu, beispielsweise einen kontaminierten Dachstuhl zu Wohnzwecken auszubauen, so muss eine Dekontaminierung stattfinden.
Um eine Schadstoffreduzierung an Holzbauteilen zu erreichen, beziehungsweise deren Kontamination in den Innenraum zu minimieren, sind nach WTA-Merkblatt 1-9 Ausgabe 11-2013 [6] verschiedene Verfahren denkbar. Grundsätzlich unterscheidet man bei den mechanisch-abrasiven Verfahren das Wirbelstrahlverfahren, das Trockeneisverfahren und das Schneestrahlverfahren. Nachteilig ist hierbei die immense Staubbildung. Vorzugsweise sollte mit Absaugvorrichtungen gearbeitet werden. Um den Dekontaminationserfolg zu unterstützen, sollten diese Verfahren mit einer Oberflächenreinigung beziehungsweise mit additiven Verfahren (Absperren, Maskieren) kombiniert werden. Auch für sich alleine können eine Reinigung und additive Verfahren erfolgreich sein.
Reinigung von Dachstühlen
Beim Absaugen von Bauschutt und Stäuben muss eine persönliche Schutzausrüstung getragen werden
Foto: Ekkehard Flohr
Insbesondere die Reinigung in Dachstühlen besitzt einen besonderen Stellenwert. Alte Liegestäube im Traufbereich oder in Fugen und Rissen sind nach einer ehemaligen Holzschutzmittelbehandlung oft sehr hoch belastet. Diese müssen, um eine Kontamination während der nachfolgenden Arbeiten so gering wie möglich zu halten, umfassend beseitigt werden. Neben dem Absaugen beziehungsweise Abbürsten der Holzoberflächen sind auch die Trockenrisse zu berücksichtigen. Gerade hier können sich, je nach Ausrichtung der Risse, Holzschutzmittel während des Imprägniervorgangs sammeln. Dabei werden vorhandene Stäube mit benetzt und verbleiben als kontaminierter Rest Jahrzehnte lang in den Trockenrissen. Zum Einsatz kommen hier Industriesauger der Staubklasse H und H+ mit einem maximalen Durchlassgrad von 0,005 Prozent.
Weiterhin müssen Liegestäube auf anderen Untergründen bis hin zu Schüttstoffen in Dachstühlen mit einbezogen werden. Während früherer Imprägnierungen lagerten sich Sprüh- und Spritzverluste als Aerosole oder Tröpfchen auf den Fußboden oder in den Schüttstoffen im Traufbereich ab. Zusätzlich tropften, bei unfachmännischer Arbeit, Holzschutzmittel-Überschüsse über die schrägen Sparrenkanten in den Traufbereich. Gerade deshalb können in den Schutt- und Staubmassen im Traufbereich oft sehr hohe Belastungen durch Holzschutzmittel-Wirkstoffe nachgewiesen werden. Demzufolge ist die Berücksichtigung der Traufe notwendig und beansprucht einen großen Teil der gesamten Reinigungsarbeiten. Dabei können einige Kubikmeter kontaminierter Bauschutt anfallen, der entsorgt werden muss.
Beschichtung mit filmbildendem Anstrich
Nach erfolgreicher Reinigung müssen die Holzoberflächen mit einem filmbildenden Anstrich versehen werden. Dieser verhindert mechanisch eine weitere Freisetzung von Schadstoffen, die sich im oberflächennahen Holz befinden. Zudem wird der Kontakt zwischen Staubpartikeln und kontaminierter Oberfläche verhindert sowie das Abdampfen von Wirkstoff- und Lösemittelbestandteilen stark reduziert. Einige Maskierungsprodukte reagieren chemisch mit den Schadstoffen, so dass eine „Neutralisation“ auf diesem Wege stattfindet.
Verkleidung kontaminierter Holzbauteile mit Gipskartonplatten
Foto: Ekkehard Flohr
Neben Maskierungen können Dachverbandshölzer oder Bauteilgruppen durch Bekleidungen abgeschottet werden. Dieses sehr aufwendige Verfahren stößt schnell an wirtschaftliche und technische Grenzen. Neben den bauphysikalischen Nachteilen bei Folien führt der Einsatz von Plattenwerkstoffen zur Lasterhöhung und muss vom Tragwerksplaner berücksichtigt werden. Bei den Bekleidungen sind zudem nicht unerhebliche optische Beeinträchtigungen gegeben, die unter denkmalpflegerischer Sicht oft nicht toleriert werden.
Letzten Endes steht immer noch der Rückbau als sicherste und radikalste Maßnahme zur Diskussion. Um optimale Lösungen zu finden, bedarf es der engen Zusammenarbeit von Gutachtern, Ausführenden, Planern und Bauherren.
AutorDipl.-Ing. Ekkehard Flohr ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Holz- und Bautenschutz und Geschäftsführer eines Ingenieurbüros in Dessau.
Literaturquellen
[1] Theodor Böhm, Handbuch der Holzkonstruktion, Berlin Verlag von Julius Springer 1911
[2] Franz Stade, Die Holzkonstruktionen, Leipzig 1904
[3] Dr. Richard Falck, Hausschwammforschung, Achtes Heft Jena, Verlag von Gustav Fischer, 1927
[4] Kalus-Dietrich Clausnitzer, Historischer Holzschutz, ökobuch Verlag Staufen bei Freiburg 1990
[5] WTA-Merkblatt 1-8 Ausgabe 11-2013 Dekontamination von Holzschutzmittel belastetem Holz, Teil 1 Ermittlung und Gefährdung
[6] WTA-Merkblatt 1-9 Ausgabe 11-2013 Dekontamination von Holzschutzmittel belastetem Holz, Teil 2 Verfahren zur Abreicherung
[7] WTA-Merkblatt 1-6 Ausgabe 10-2013 Probenahme am Holz – Untersuchungen hinsichtlich Pilzen, Insekten, Holzschutzmitteln, Holzalter und Holzarten
[8] DIN 52 161-1 Ausgabe Juni 2006 Prüfung von Holzschutzmitteln – Nachweis von Holzschutzmitteln im Holz – Probenahme aus verbautem Holz
[9] Richtlinie für die Bewertung und Sanierung Pentachlorphenol-belasteter Baustoffe und Bauteile in Gebäuden (PCP-Richtlinie), Okt 1996
[10] LAGetSi, Umgang mit holzschutzmittelbelasteten Bauteilen, Gegenständen und Materialien, HSM-Handlungsanleitung, September 2008.
[11] BG Bau, DGUV Information 201-028, Oktober 2006.
[12] TRGS 524, Schutzmaßnahmen für Tätigkeiten in kontaminierten Bereichen, 28.10.2011