Denkmalschutz lernen
Sanierung des Maria-Lenssen-Berufskollegs in Mönchengladbach
Bei der Sanierung eines denkmalgeschützten Gebäudes muss man natürlich die geltenden Bauvorschriften einhalten. Auf der anderen Seite soll der bautypische historische Charakter erhalten bleiben. In Mönchengladbach wurde nun eine Schule so instand gesetzt, dass beidem vorbildlich Rechnung getragen wurde.
Maria Lenssen gründete 1870 das in unserer Zeit nach ihr benannte Berufskolleg zur „Förderung der weiblichen Jugend in den Nadelarbeiten“. Es ist eine Fachschule, die drei Berufsausbildungen anbietet: Mode, Sozial- und Gesundheitswesen. Schon 1902 wurde die Schule verstaatlicht und erhielt im Zuge dessen 1913 ein neues Hauptgebäude, das noch heute den Kern eines vierteiligen Ensembles bildet.
Die Pläne hierzu erstellte ein Rheydter Stadtoberinspektor namens Mascke, über den man aber nur wenig weiß. Das Hauptgebäude kann als Bau zwischen ausgehendem Klassizismus und der aufkommenden Neuzeit in all seinen Ausprägungen betrachtet werden: Auf der repräsentativen Hauptfassade finden sich noch neobarocke Details, während das Innere eindeutig der Formensprache des Jugendstil zuzuordnen ist. Die Rückseite muss dagegen der „Neuen Sachlichkeit“ zugerechnet werden.
Die gesamte Schule besteht aus vier Gebäudeteilen. Die Sanierung betraf jedoch nur das Hauptgebäude. Das ortsansässige Büro von Ulrike Görgl und Reiner Jensen wurde mit der Planung beauftragt.
Neue Dacheindeckung und Reparatur des Dachstuhls
Infolge der fast 100jährigen Standzeit des Gebäudes waren sowohl die Außenwände als auch das Dach durch Feuchtigkeit stark angegriffen. Die alten Dachziegel waren so marode, dass sie von den Handwerkern komplett ersetzt werden mussten. Die Dachdecker verbauten mit dem Modell Limburg der Firma Röben hierfür einen Hohlfalz-Verschiebeziegel. Der Dachstuhl blieb jedoch weitgehend erhalten. Hierzu besserten die Zimmerleute die schadhaften Stellen punktuell aus oder doppelten geschwächte Hölzer auf.
Weitgehend ersetzt wurden dagegen alle Außenfenster, die zudem ungedämmt waren. Die neu eingebauten Fenster sind ebenfalls aus Holz und entsprechen ihren Vorgängern in Größe, Einteilung und Sprossung. Die heutige Rahmenprofilierung sowie die Verwendung von Isolierglas entsprechen dem Stand der Technik. Aber auch den Wünschen der Denkmalpflege wurde Rechnung getragen: Im gartenseitigen, ungeheizten Treppenhaus wurden zwei alte Fenster sorgfältig aufgearbeitet. Sie dienen als In-situ-Belege des ursprünglichen Bestandes.
Historische Farbfassung wiederhergestellt
Ein Restaurator konnte über behutsame Untersuchungen die Abfolge von verschiedenen im Gebäude vorhandenen Farbfassungen nachweisen. Für Besucher nachvollziehbar angelegt finden sich heutzutage diese so genannten Befundtreppen in den Fluren. Sie wurden hinter Glasscheiben arrangiert und erscheinen wie abstrakte Gemälde. Der Restaurator stellte einen geschossweisen Farbwechsel fest und die beiden Planer entschlossen sich in Absprache mit dem zuständigen Amt für Denkmalschutz, die allererste Farbfassung der Flure wiederherzustellen. Als Bodenbelag wählte man ein farblich dazu passendes monochromes Linoleum. Obwohl auch in den Klassenzimmern die ursprüngliche Ausgestaltung belegt werden konnte, entschloss man sich hier jedoch der schulischen Nutzung entsprechend für weitgehend weiße Wände. Lediglich ein dunkler Begleitstrich in Kopfhöhe verweist vage auf das ursprüngliche Dekor. Die Maler verwendeten in den Klassenräumen und an den anderen stark beanspruchten Wänden Latexfarben. Dagegen strichen sie alle Decken und die farbigen Bereiche oberhalb der Flurvertäfelungen mit einer offenporigen Silikatfarbe.
Putz- und Stucksanierung der Fassade
Die straßenseitige Stuckfassade war mit Efeu zugewachsen. Sie musste davon erst einmal befreit werden, bevor Sachgutachter die Schäden aufnehmen und kartieren konnten. Es folgte eine behutsame Fassadensanierung, bei der nicht mehr zu rettende Stuckelemente vom Stuckateur nachgebildet und neu eingesetzt wurden. Zum Teil musste der Putzer auch die am Gebäude vorhandenen Kanneluren – die senkrechten Rillen im Putz – mit einem selbst gebastelten Werkzeug ergänzen.
Charakteristisch für die dem Park zugewandte Rückseite sind die zahlreichen Vor- und Rücksprünge der Wandfläche, die typisch für die „Neue Sachlichkeit“ sind. Dabei ist der eigentliche Putz der Wandfläche weitgehend schmucklos und schlicht, weshalb die alte, baufällige Substanz abgeschlagen werden konnte. Die Handwerker ersetzten den alten Putz anschließend durch einen mit Styroporkugeln angereichert Wärmedammputz, den sie im Spritzverfahren 4 bis 5 cm dick auftrugen.
Brandschutz trotz Holzvertäfelung
Reichlich Mühe und Aufwand erforderte der Erhalt des Flurmobiliares unter Beachtung des Brandschutzes. Charakteristisch für alle Geschosse ist eine durchgehende Flucht von Schülerspinden, die in die überkopfhohe Holzvertäfelung integriert sind. Eigentlich ist die Holzverkleidung eines Fluchtweges – was ein Flur immer ist – heute nicht mehr genehmigungsfähig und in den ersten Überlegungen sollte das Holz auch entfernt werden.
Als ein Segen für das Gebäude erwies sich jedoch der intensive und lösungsorientierte Austausch zwischen Architekten, Denkmalamt und Brandschutzbehörde. Der gefundene Kompromiss erkennt an, dass sowohl die Holzvertäfelung als auch die Spindtüren nicht aus Furnier, sondern aus Massivholz bestehen, womit sie als schwer entflammbar eingestuft werden können. Allerdings bleiben die Spinde fortan dauerhaft ungenutzt verschlossen. Zudem mussten die Handwerker die aufwendig gedrechselten Belüftungsschlitze der Spinde von hinten mit einer hölzernen Blende verschließen. Schließlich musste sichergestellt sein, dass niemand dort etwa eine brennende Zigarettenkippe hineinwirft.
Eine vergleichbare Lösung wurde für die Glasvitrinen in den großzügigen Treppenhausfoyers gefunden. In diesen dürfen nunmehr nur noch unbrennbare Gegenstände gezeigt werden – insbesondere kein Papier und auch kein Stoff.
Akzente setzen mit Brandschutztüren
Natürlich musste das Gebäude in Brandabschnitte aufgeteilt werden. Ferner galt es die vorhandenen Treppen als Fluchtwege auszubauen und dafür diese vom restlichen Gebäude baulich zu trennen. Bewusst planten Görgl und Jensen die erforderlichen Brandschutztüren nicht direkt in die Achse der als Brandabschnitt festgelegten Gebäudetrennwand, sondern etwas davor. Sie legten – wie auch das Amt für Denkmalpflege – Wert auf den Erhalt der hier vorhandenen historischen Bogenstellungen. Denn wenn in die Rundung im oberen Drittel ein Oberlicht hätte eingepasst werden müssen, wäre jener Durchgang vollkommen entstellt gewesen. Platziert wurden die doppelflügeligen Türen aus Brandschutzglas nun knapp davor. Der alte Bogen im Sturz ist weiterhin einseitig frei erkennbar, von der anderen Seite wird er jedoch wie ein Kunstobjekt inszeniert: Das festverglaste Brandschutztüroberlicht lässt dieses Jugendstildetail wie in einer Vitrine erscheinen. Den Abstand dazwischen wählten die beiden Architekten so, dass das gläserne Türblatt genau durch den Durchgang hindurch aufschlägt und bündig mit dessen gegenüberliegender Putzaußenkante abschließt, was diese Laibungen ebenfalls zu Objekten aufwertet.
Mit einem konstruktiv vergleichbaren Detail wurde auch das kleine Nebentreppenhaus zu einem feuersicheren Fluchtweg ausgebaut. Glastüren ersetzen nunmehr die bisherigen „Tapetentüren“, die früher in die durchlaufende Flurvertäfelung integriert waren. Sie konnten aufgrund ihrer Unauffälligkeit, aber auch wegen mangelnder Feuerhemmung, nicht bleiben.
Grundsätzlich gilt für alle im Schulkolleg verwendeten, gläsernen Brandschutztüren die Auflage, dass sie der Anforderung RST genügen müssen. Im ersten Obergeschoss sind die Auflagen sogar noch höher. Hier mussten die Türen sogar die Klasse T30 RS besitzen, denn diese Etage gilt als Büroebene mit einer intensiveren Nutzung.
Gewölbe über Aula mit granulierter Mineralwolle beflockt
Im Dachgeschoss befindet sich eine beeindruckende Schulaula. Sie wird von einem kassettierten Tonnengewölbe überdeckt, deren quadratische Segmente früher einmal nackte Glühbirnen zur Saalbeleuchtung aufnahmen. Das Ganze ist eine stuckverblendete Rabitzkonstruktion, die mit unzähligen Spanndrähten spinnennetzartig an den unmittelbar darüber verlaufenden Dachpfetten und Sparren fixiert ist. Die Handwerker musste diese Metallverbindungen allesamt ersetzen.
Da das Dach, wie schon zuvor, auch weiterhin vollkommen ungedämmt ist, war es jedoch erforderlich, das sorgsam restaurierte Tonnengewölbe an seiner Außenseite zusätzlich zu dämmen. Aufgrund der Abspannkonstruktion war es aber den Trockenbauern nicht möglich, mit herkömmlichen Matten aus Glas- oder Steinwolle zu arbeiten. Deshalb entschlossen sich die Architekten für ein Beflocken des Gewölbes mit granulierter Mineralwolle. Dabei wurde Rockwool RG WLG 040 eingeblasen und die entstandene Oberfläche hinterher von den Handwerkern mit einer Sprühklebetechnik leicht fixiert.
Autor
Dipl.-Ing. Robert Mehl studierte Architektur an der RWTH Aachen. Er ist als Architekturfotograf und Fachjournalist tätig und schreibt als freier Autor unter anderem für die Zeitschriften dach+holzbau und bauhandwerk.