Dick und dauerhaft
Die Stärken eines dickschichtigen WDVS liegen neben der langlebigeren Fassadenbeschichtung auch in einer erhöhten Schlagfestigkeit, in einem besseren Schallschutz und in der Verbesserung der Wärmespeicherkapazität. Aus ökologischer Sicht liegt der Vorteil vor allem im biozidfreien Systemaufbau.
In den letzten Jahren ist die Nachfrage nach dickschichtigen Wärmedämmverbundsystemen stetig gesunken. Die Gründe hierfür können eigentlich nicht an den Kosten fest gemacht werden, sondern vielmehr an der subjektiven Betrachtung der Dämmsysteme. Viele Planer und Bauherren beurteilen das WDVS nach der Dicke des Dämmstoffs und selten nach dessen Funktionsweise. Auch in Internetforen und in Fachzeitschriften wird meist die Dämmstoffdicke oder die Beschaffenheit des Dämmstoffs thematisiert, die Putzschale im Einzelnen kommt selten zur Sprache. Die Putzschale ist es jedoch, die einem WDV-System eine langlebige Funktionalität ermöglicht, weil sie den Dämmstoff sowie das Mauerwerk vor Umwelteinflüssen schützt.
Zusätzlicher Grundputz für lange Lebensdauer
Die am häufigsten ausgeführten Wärmedämmverbundsysteme an Fassaden sind Systeme mit einer dünnschichtigen Gesamtputzschale zwischen 6 und
8 mm. Bei einer mittelschichtigen Armierung beträgt die Putzschale rund 9 bis 13 mm. Diese relativ dünne Putzschicht muss sowohl den Dämmstoff, als auch das Mauerwerk vor thermischen und hygrischen Belastungen schützen.
Je nach Stärke der Sonneneinstrahlung und dem Hellbezugswert der Oberbeschichtung (dunkle Farbtöne) kann sich die Oberflächentemperatur auf bis zu 80 °C erhöhen. Durch plötzlich auftretende Temperaturschwankungen wird die Putzschale enormen thermischen Belastungen ausgesetzt, die von der Putzschale verarbeitet werden müssen. Ein weiterer Nachteil vom „normalen WDVS“ ist, dass schon leichte mechanische Einwirkung an der Oberfläche zu Störungen des Putzgefüges führen. An den beschädigten Stellen kann Feuchtigkeit ins System eindringen und eine Schädigung des Wärmedämmverbundsystems verursachen.
Im Vergleich ein dickschichtiges WDVS mit dem sogenannten Standardsystemen: Der Aufbau beider Systeme besteht aus einem Dämmstoff, einer Armierungsschicht und einer Endbeschichtung. Bei dickschichtigen Wärmedämmverbundsystemen ist jedoch zwischen Dämmstoff und Armierungsebene eine zusätzliche Putzschale, der so genannte Grundputz, von 10 mm Schichtdicke mit einem systemgerechten Kalk-Zement Leichtputz eingearbeitet. Durch diese zusätzliche Putzlage beträgt die Gesamtputzschale 20 bis 27 mm. Hierdurch erhöht sich die Lebensdauer von dickschichtigen Systemen im Gegensatz zum Standard um ein Vielfaches. Ebenso verstärkt sich der Schlagwiderstand, was einen höheren Schutz gegen Beschädigung oder Vandalismus bewirkt. Diese im Vergleich dicke Putzschale kann aber zusätzlich auch den thermischen und hygrischen Belastungen besser entgegenwirken und bietet darüber hinaus noch einen höheren Schallschutz.
Biozidfreie Dickschichtsysteme
Gerade im Hinblick auf die ökologische Wohnbauweise verdienen die dickschichtigen Wärmedämmverbundsysteme bei der Fassadengestaltung Beachtung. Denn in den letzten Jahren ließ sich ein verstärkter Befall von Mikroorganismen an den „normalen“ Dämmfassaden verzeichnen. Hierzu muss man anmerken, dass die Hauptursache dafür nicht etwa die steigende Niederschlagsmenge ist; die Belastung durch Tauwasserausfall an der Fassadenoberfläche spielt eine wesentlich größere Rolle. Die Unterkühlung der Oberfläche durch den fehlenden Wärmefluss von Innen ist dabei ein wesentlicher Faktor.
Aufgrund der dünnen Putzschale fehlt den dünnschichtig gedämmten Fassaden die notwendige Speicherkapazität, um die abstrahlungsbedingten Unterkühlungen abzuwenden und den damit verbundenen Tauwasserausfall zu minimieren. Hierdurch verlangsamt sich die Abtrocknung auch des einwirkenden Niederschlagswassers. Die richtungsweisenden bauphysikalischen Lösungen mit einem dünnschichtigen WDVS können nicht alle konstruktiven Schwächen ausgleichen, so dass für eine wirksame Vorbeugung vor mikrobieller Besiedlung meistens auch Biozide zur Anwendung kommen.
Langjährige Untersuchungen des Fraunhofer Institut für Bauphysik haben ergeben, dass dickschichtige Systeme mit einer hydrophil eingestellten Oberbeschichtung ohne separate Zusätze von Bioziden den Anforderungen eines herkömmlichen WDVS mit bioziden Zusätzen gleich gestellt werden können. Aufgrund des dickschichtigen Aufbaus wird über Masse eine Erhöhung der Wärmespeicherung erreicht und somit die Zeit zum Erreichen der Taupunkttemperatur verzögert. Zusätzlich wird die Feuchtigkeit von der hydrophilen Oberfläche aufgenommen und im Anstrich und Putz zwischengespeichert. Die Fassaden-
oberfläche bleibt nahezu trocken. Die aufgenommene Feuchtigkeit kann aufgrund der hohen Diffusionsfähigkeit der Putzschichten und des Anstrichs zügig austrocknen.
Alternative Kratzputz
Als sinnvolle Alternative zum WDVS mit hydrophil eingestellten Oberflächen bieten sich auch Wärmedämmverbundsystemen mit einer Kratzputzoberbeschichtung an. Kratzputze sind dickschichtige Oberputze und werden je nach Kornstärke in Putzdicken von mindestens 6 bis 10 mm aufgetragen. Im Vergleich zu dünnschichtigen Oberputzen erhöht sich beim Kratzputz durch seinen dickschichtigen Auftrag nicht nur die mechanische Belastbarkeit, sondern auch der Schutz gegen thermische und hygrische Belastungen.
Diese Beschichtungsvariante kann auf einer EPS-Dämmung ebenso aufgebracht werden, wie auf einer Fassade mit Mineralwoll-Dämmung. Vor dem Auftrag des Kratzputzes wird eine dünnschichtige Armierungslage auf den Dämmstoff aufgetragen und waagerecht aufgekämmt, damit sich der Kratzputz in der Armierungslage verkrallen kann.
Beim Kratzputz wird durch das „Kratzen“ die oberflächige Bindemittelschicht entfernt. Es entsteht durch diese Bearbeitung eine offene und poröse Oberfläche, die das Merkmal „Edelkreidung“ zeigt. Bei der Edelkreidung lösen sich feinste Putzpartikel an der Fassade durch die natürliche Bewitterung und entfernen somit auch gleichzeitig den angelagerten Schmutz, ohne einen wesentlichen Materialabbau der Putzschicht zu bewirken. Der Effekt der Edelkreidung führt im Regelfall zu einem Materialabbau von maximal 1 mm in 10 Jahren. Durch diesen natürlichen Reinigungseffekt erhält man eine dauerhaft schöne Fassade, ohne biozide Zusatzstoffe.
Autor
Hans-Dieter Kolvenbach ist Anwendungstechniker bei der Baumit GmbH in Bad Hindelang.
Eine dicke Putzschale erhöht die Lebensdauer des WDVS im Gegensatz zum Standard um ein Vielfaches
Dickschichtige Wärmedämmverbundsysteme sind auch aus ökologischer Sicht sinnvoll