Erstes Wohnhaus aus dem 3D-Drucker entsteht in Beckum
Nun ist es auch in Deutschland soweit: Im westfälischen Beckum wird zurzeit das erste Wohnhaus aus Beton gedruckt – ein zweigeschossiges Einfamilienhaus mit etwa 80 Quadratmetern Wohnfläche pro Geschoss nach Plänen des Büros Mense-Korte ingenieure+architekten.
Dass man Beton mit einem 3D-Drucker verarbeiten kann, das haben wir vor zwei Jahren mit eigenen Augen in Wien gesehen. Gedruckt wurden dort schon ziemlich große Gefäße. Von ganzen Gebäuden war damals aber noch nicht die Rede. Man hörte jedoch schon von Häusern, ja ganzen Straßenzügen, die im 3D-Druck in China entstanden wären.
Nun ist es auch in Deutschland soweit: Im westfälischen Beckum wird zurzeit das erste Wohnhaus aus Beton gedruckt. Ein zweigeschossiges Einfamilienhaus mit etwa 80 Quadratmetern Wohnfläche pro Geschoss nach Plänen des Büros Mense-Korteingenieure+architekten; Bauherr ist die Hous3Druck GmbH. Im März kommenden Jahres soll es fertig sein. „Das Betondruckverfahren bietet uns Planern ein hohes Maß an Designfreiheit in der Gestaltung von Gebäuden, die in herkömmlicher Bauweise nur mit hohem finanziellen Aufwand umsetzbar wären", sagt Architekt Waldemar Korte, Gesellschafter des Büros Mense-Korte ingenieure+architekten aus Beckum. „Mit unserem gedruckten Wohnhaus in Beckum zeigen wir die Potentiale des Betondruckverfahrens auf. Für unser Team ist es ein großes Privileg, das erste 3D-gedruckte Gebäude in Deutschland zu realisieren.“
Genehmigt und gefördert
Die hierzulande das erste Mal für ein Gebäude ausgeführte Bautechnik hat alle behördlichen Genehmigungsprozesse bestanden. Das Ingenieurbüro Schießl Gehlen Sodeikat unterstützte mit der Erarbeitung des Konzeptes zur Erteilung der Genehmigung, die Planung und Durchführung der entsprechenden Zulassungsprüfungen erfolgte durch die TU München.
Das Land Nordrhein-Westfalen fördert den 3D-Druck auf der Baustelle in Beckum im Rahmen des Programms „Innovatives Bauen“. Beim Start der Druckarbeiten Mitte September dieses Jahres zeigte sich Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen, begeistert: „Digital, dynamisch, druckfertig – das sind unsere 3D's für die Zukunft des Bauens. Wir sind stolz darauf, dass das erste Haus, das in 3D gedruckt wird, in unserem Bundesland entsteht. Damit ist Nordrhein-Westfalen Vorreiter für Deutschland. Nicht morgen, nicht irgendwann, sondern heute. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen fördert gezielt Investitionen in den Innovationsmotor Bau: Das 3D-Haus wird mit 200000 Euro gefördert. Weitere Projekte sind in der Druckerschleife.“
Drucktechnik und Material
Der Drucker kommt von Peri, die Drucktechnologie aus Dänemark von Cobod und der Spezialbeton von HeidelbergCement. „Der in Beckum verwendete Drucker vom Typ BOD2 ist ein Portaldrucker, das heißt der Druckkopf bewegt sich über drei Achsen auf einem fest installierten Metallrahmen“, erklärt Fabian Meyer-Brötz, Leiter 3D Construction Printing bei Peri. Der Vorteil: Der Drucker kann sich in seinem Rahmen an jede Position innerhalb der Konstruktion bewegen und muss nur einmal kalibriert werden.
Das zum Druck eingesetzte Material „i.tech 3D“ hat HeidelbergCement speziell für den 3D-Druck entwickelt. Dessen Eigenschaften sind auf die besonderen Anforderungen des 3D-Drucks mit Beton angepasst und passen gut zum BOD2. „Die Entwicklung eines zementgebundenen Materials für den 3D-Druck ist eine große Herausforderung. Es sollte gut pumpbar und gut extrudierbar sein”, sagt Dr. Jennifer Scheydt, Leiterin der Abteilung Engineering & Innovation bei HeidelbergCement Deutschland. „Außerdem muss es schnell eine ausreichende Tragfähigkeit ausbilden, damit die unteren Schichten nicht unter der Last der oberen Schichten versagen. Hierbei muss gleichzeitig der Verbund zwischen den Schichten sichergestellt sein.” Da der Druck in Schichten erfolgt, sieht die Fassade ähnlich wie ein Kammzugputz aus.
Arbeiten während des Druckprozesses und danach
Das Haus ist aus dreischaligen Wänden aufgebaut, deren Hohlräume mit Dämmstoff verfüllt werden. Leitungen, Anschlüsse für Wasser, Strom usw. werden bereits während des Druckvorgangs berücksichtigt. Der BOD2 ist so zertifiziert, dass Handwerker auch während des Druckvorgangs im Druckraum arbeiten können. Schließlich muss ja doch noch das ein oder andere von Hand erledigt werden. So können Arbeiten wie das Verlegen von Leerrohren oder Anschlüssen schon während des Druckprozess erfolgen. Beim späteren Ausbau des Wohnhauses ist dann wieder jede Menge Handarbeit gefragt.
Für die Steuerung des Druckers braucht man hingegen nur zwei Personen. Der Druckkopf und die Druckergebnisse werden per Kamera überwacht. Mit einer Geschwindigkeit von 1 m/s ist der BOD2 zurzeit der schnellste 3D-Betondrucker auf dem Markt. Für 1 m² doppelschalige Wand benötigt er nur 5 Minuten. „Da es das erste Gebäude seiner Art ist, drucken wir bewusst nicht so schnell wie dies eigentlich möglich wäre“, sagt Leonhard Braig, Geschäftsführer Produktion & Supply Chain der Peri GmbH. „Wir wollen die Gelegenheit nutzen, weiter Erfahrungen im Alltagsbetrieb zu sammeln, die uns beim nächsten Druckprojekt helfen werden, das Kostensenkungspotenzial unserer Technologie weiter zu heben.“
Autor
Dipl.-Ing. Thomas Wieckhorst ist Chefredakteur der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.
Hightech-Material für den Betondruck
Das Hightech-Material „i.tech 3D“ hat die HeidelbergCement-Tochter Italcementi speziell für den 3D-Druck entwickelt. „Wir haben den traditionellen Baustoff Beton an die Möglichkeiten angepasst, die uns die Digitalisierung bietet“, so Enrico Borgarello, Director Global Product Innovation bei HeidelbergCement und verantwortlich für die Entwicklung von „i.tech 3D“. Das Material ist für die vielseitige Verwendung mit verschiedenen 3D-Druckertypen geeignet. Es erlaubt nicht nur neue Freiheiten in der Formgebung, sondern auch mehr Vielfalt, weil jedes Bauteil individuell gestaltet werden kann. Nicht zuletzt ermöglicht es – wie in Beckum zu sehen – eine deutliche Beschleunigung des Bauprozesses.