Hölzerne FugeVerbindungsbau zwischen Wohnhaus und Stall in Oberscheinfeld
So manchem gefällt es auf dem Dorf so gut, dass er sich ein Leben in der Stadt gar nicht vorstellen kann. „Hier geh ich nicht mehr weg“, heißt es, auch wenn der landwirtschaftliche Betrieb längst aufgegeben ist. In Oberscheinfeld schob der Architekt Guido Neubeck für seine Bauherren einen Zwischenbau aus Holz in die Fuge zwischen Wohnhaus und Stall. So entstand ein Mehrgenerationenhaus mit drei Wohnungen, die sich quer durch die Gebäudeteile übereinanderschichten.
Dörfer sind anders als Städte. Ich bin in einem Dorf an der Elbe aufgewachsen, bei dem sich die Häuser an den beiden Hauptstraßen entlanghangeln. Dazwischen wuchs ab den 1970er Jahren ein Neubaugebiet. Große Architektur war da nicht zu erwarten. Jede Abweichung vom Üblichen wurde beargwöhnt. Wenn da mal einer etwas Besonderes baute, dann war es ganz gewiss ein Architekt, der für sich selbst ein Haus entworfen hatte. Mein Vater – gelernter Zimmermann – wies mich auf solche Häuser ganz besonders hin: „Schau mal, da wohnt ein Architekt.“
Das ist bestimmt schon 30 Jahre her. Die Zeiten haben sich geändert. Aber immer noch gelten Dörfer bei vielen als architektonisch verschlafen, als trist und langweilig. Die Attraktivität des Wohnens in der Stadt nimmt zu. Da haben es die Dörfer schwer. Besonders im Kern steht so manches Haus leer, weil die Landwirtschaft aufgegeben wurde und der Hof sich angeblich nicht an die veränderten Wohnbedürfnisse anpassen lässt.
Alt und Neu verbinden
Dabei muss das Neue gar nicht im Widerspruch zum Alten stehen – auch nicht im Dorf. Dorferneuerungsprogramme beweisen, welches Potential ein Dorf bietet. Wie Nadeln im Heuhaufen findet man sie hier und dort: Mutige Einfamilienhäuser im Dorf oder in zeitgemäßer Form ergänzte Gehöfte.
So entstand im fränkischen Oberscheinfeld, einem Dorf mit rund 800 Einwohnern, in der Ortsmitte ein Ergänzungsbau aus Holz nach Plänen des Architekten Guido Neubeck. Der Zwischenbau schiebt sich in die Fuge zwischen dem ehemaligen Viehstall aus den 1960er Jahren und dem 1974 erbauten Wohnhaus und besetzt damit einen prominenten Platz im Dorf: Auf der Nord-Süd-Achse kommt man nämlich in Richtung Neubaugebiet daran vorbei. Jeder der dort vorbeifährt, sieht sofort: Hier hat sich was getan, hier hat sich das Alte mit dem Neuen verbündet.
Neue Ordnung und
Erschließung der Räume
Schon bevor Guido Neubeck das Ensemble mit dem Holzbau ergänzte, lebten hier zwei Familien unter einem Dach. Die Bauherren wollten mit ihren Kindern und Eltern auch weiterhin auf dem Hof wohnen. Die Landwirtschaft hatten sie bereits vor über zehn Jahren aufgegeben. Mit dem Neubau ordnete der Architekt nun auch alles neu und erleichterte das Zusammenleben der Generationen. Die Eltern wohnen heute barrierefrei im Erdgeschoss. Im Altbau entstand im Obergeschoss eine große Küche und ein Spielzimmer für die Kinder. Beide Räume öffnen sich zum großen Wohn- und Esszimmer im Zwischenbau. Als Treppenhaus dient ein Teil des ehemaligen Viehstalls, in dem nach Aufgabe der Landwirtschaft keine Tiere mehr gehalten werden.
Neue Wege im Haus
Traditionell geht man auf dem Dorf durch den Wirtschafts-
eingang ins Haus hinein. Die gute Stube und der Hauseingang sind für die Gäste. „Als erstes haben wir den Wirtschaftseingang zugemauert. Allein das brachte für die Bewohner eine ziemlich große Veränderung mit sich“, sagt Architekt Guido Neubeck. Zwischen Wohnhaus und Stall befand sich zudem eine Garage, die ebenfalls weg musste. Anschließend betonierten die Rohbauer dort eine neue Bodenplatte.
Auch der Stall erhielt eine neue Bodenplatte, nachdem die Rohbauer die schräg verlaufenden Zementschwarten für die Viehhaltung herausgerissen hatten, um dort das neue Treppenhaus zu errichten. Dafür musste zuvor die Decke durchbrochen und eine neue, die Treppe tragende Wand aufgemauert werden. Diese Wand trennt vom ehemaligen Viehstall etwa ein Drittel des Raumvolumens ab.
Auskragende Holzkonstruktion
Den Holzbau stellten die Zimmerleute dann in nur zweieinhalb Tagen aus vorgefertigten Wandelementen auf. Die Balken für die Decke und das Flachdach legten sie vor Ort auf die Wandtafeln auf. Mit dem Kran befestigten die Zimmerleute auch einen Holzfachwerkträger, der senkrecht zur Firstrichtung des Wohnhauses über die gesamte Länge des Zwischenbaus verläuft. Hieran hängten sie den Untergurt für den Balkon und den zum Hof hin auskragenden Teil des Obergeschosses mit Stahlzugstangen ab. Gleichzeitig dient dieser Holzfachwerkträger als Brüstungselement für die Terrasse auf dem Flachdach. Erst nachdem der Holzrohbau fertiggestellt war, brachen die Rohbauer die beiden Öffnungen ins Mauerwerk hinein, die das Wohnhaus im Obergeschoss mit dem Zwischenbau verbinden.
In der Höhe zonierte Räume
„Die Decken im Wohnhaus und im Stall waren natürlich nicht höhengleich angelegt“, so der Architekt. Daher entstand sowohl von den Mauerdurchbrüchen des Wohnhauses als auch vom Treppenhaus im Stall aus ein Höhenversprung zu den Holzbalkendecken im Zwischenbau von jeweils 35 cm. „Diese Versprünge haben wir als große Stufen ausgebildet, die vor allem von den Kindern als Sitzstufen genutzt werden“, erklärt Guido Neubeck.
Auch in der Höhe ist der Raum im Obergeschoss des Zwischenbaus gegliedert: „Der Raum ist über drei Höhen gestaffelt, über die er sich zoniert“, so der Architekt. Man betritt ihn bei einer Raumhöhe von 2,30 m, die sich im Essbereich auf 3,50 m erweitert, um zum Wohnraum wieder auf 2,60 m zu verspringen.
Fazit
Das kleine Ensemble in Oberscheinfeld ist auf die Bedürfnisse kommender Generationen zugeschnitten und damit eine echte Investition in die Zukunft. Der zum größten Teil leer stehende ehemalige Viehstall bietet der Familie sogar noch Reserve für eine gewerbliche Nutzung.
Die Bauherren wohnen mit ihren Eltern und Kindern weiterhin auf dem Hof im Ortskern – auch ohne landwirtschaftliche Nutzung. Und das ist allemal besser, als im Einerlei eines Neubaugebietes am Ortsrand zu wohnen, denn: Das Dorf hat Potential. Man muss es nur erkennen und – wie Guido Neubeck – in intelligent geplante Gebäude umsetzen.