Liebe Leserinnen, liebe Leser,
landwirtschaftliche Nutzgebäude hatten schon immer eine baulich untergeordnete Funktion. Viele der aus Holz oder Fachwerk errichteten Scheunen und Ställe sind daher im Laufe der Zeit verschwunden. Doch von unseren Altvorderen handwerklich solide erbaut und immer wieder repariert, haben einige dieser Gebäude auch die Jahrhunderte überdauert. Bei den vermutlich ältesten Fachwerkgebäuden Europas handelt es sich um zwei zu Beginn des 13. Jahrhunderts in Essex (England) erbaute Scheunen von Cressing Temple. Hier greift der konservatorische Erhaltungsanspruch. Dank dendrochronologi-scher Datierung war klar, wie alt die Scheunen sind und dass man sie daher museal erhalten muss. Manchmal ist es aber auch eine neue Funktion, die für den Erhalt der landwirtschaftlichen Nutzgebäude sorgt. So wurde aus der größten Feldsteinscheune Deutschlands in Bollewick nach ihrer Restaurierung im Jahr 2000 ein Bio-Landhotel mit selbstverständlich im Bauernstil eingerichteten Zimmern, inklusive einem Restaurant und kunsthandwerklichen Geschäften. Noch bis zum Jahr 1991 war das 125 x 34 m große Gebäude als Kuhstall genutzt worden.
Einen ausgesprochen mutigen Weg zur Erhaltung einer Scheune mit Kuhstall in Niederbayern schlug Architekt Klaus Ilg bei der Umnutzung des Gebäudes zum Wohnhaus ein: Wie ab Seite 10 in dieser Ausgabe der bauhandwerk zu sehen, betonierten die Rohbauer einen Neubau in die alte Scheune hinein. Tageslicht gelangt ins vormals dunkle Dachgeschoss durch sogenannte Lichtkanonen, die die historische Hülle durchdringen.
Auch für Wolfgang Herich galt es beim Umbau eines Bauernhauses mit Scheune im Teutoburger Wald reichlich Tageslicht in die zuvor dunklen Räume zu bringen. Ab Seite 26 zeigen wir in diesem Heft, wie der Architekt diese Aufgabe mit einer Kombination aus Sprossenfenstern aus Holz in den Gefachen auf der einen Gebäudeseite und modernen Metallfenstern auf der anderen Seite löste. Zudem gibt es fest verglaste Gefache, eine Glas-Faltwand, die einen Raum auf der Südseite komplett zur Terrasse hin öffnet und Dachflächenfenster.
Mit letzteren brachte auch Thomas Spooren Tageslicht ins Dachgeschoss einer ehemaligen Remise in Gütersloh. Wie ab Seite 16 gezeigt, bediente sich der Architekt auf der Gebäuderückseite einer Kombination aus Dachflächenfenstern und Dachloggien. Auf der Vorderseite kommt Tageslicht durch Spitzgauben ins Dachgeschoss, die sich als verkleinerte Varianten formal an einem bereits vorhandenen Zwerggiebel orientieren. Zudem lässt auf dieser Seite der Remise eine verglaste Pfosten-Riegel-Konstruktion viel Tageslicht in das ehemals offene Erdgeschoss. So erscheint auch die ursprünglich landwirtschaftliche Nutzung der Gebäude in einem neuen Licht.
Viel Erfolg bei der Arbeit wünscht Ihnen
Manchmal ist es eine neue Funktion, die für den Erhalt der landwirtschaftlichen Nutzgebäude sorgt