Anno Tobak
Sanierung eines landwirtschaftlichen Ensembles mit Tabakschuppen in Neupotz

In der Ortsmitte von Neupotz in der Südpfalz konnte ein Ensemble aus Fachwerkhaus, Backsteingebäude, Scheune und zwei Tabakschuppen saniert und zum Museum des Ortes umgebaut werden. Da es sich hierbei um ein typisches landwirtschaftliches Ensemble handelt, gab es auch Gelder aus der Dorferneuerung.

In der Pfalz befindet sich Deutschlands größtes zusammenhängendes Wald- und Weinanbaugebiet. Wenige wissen, dass dort nach wie vor auch etwa ein Drittel des Tabakanbaus hierzulande erfolgt. Die große Zeit des Tabakanbaus ist zwar längst vorbei, aber in der Pfalz werden jedes Jahr immer noch 3500 Tonnen Tabak geerntet.

Neupotz ist so ein Ort, der einst vom Fischfang und Tabakanbau lebte. Heute sind viele der für die Tabaktrocknung erforderlichen Schuppen verfallen oder ganz verschwunden. Mitten im Ort konnte jedoch vor kurzem ein Ensemble aus Fachwerkhaus, Backsteingebäude, Scheune und zwei Tabakschuppen saniert und als Museum zur Geschichte des Ortes erhalten werden.

Vom landwirtschaftlichen Ensemble zum Museum

Noch bis 2004 wurde das heute denkmalgeschützte Ensemble landwirtschaftlich genutzt. Danach verkaufte die Bauernfamilie es an das Land Rheinland-Pfalz. Baugeschichtlich bedeutend ist das 1775 erbaute Fachwerkhaus. Die übrigen Gebäude wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts errichtet. Gefördert wurde die Sanierung des Ensembles unter anderem mit Mitteln der Dorferneuerung, eben weil die Gebäude, so wie sie zueinander stehen, für die landwirtschaftliche Nutzung typisch sind. Daher war es für den Erhalt des Ensembles wesentlich, dass die beiden Tabakschuppen saniert und als begehbare Anschauungsobjekte heute Teil des Museums sind. „Immer mehr Tabakschuppen werden abgerissen und irgendwann gibt es keine mehr“, meint Stefan Schneider vom Architekturbüro Mathias Henrich aus Speyer, das man mit der Sanierungsplanung beauftragt hatte.  Bereits 2007 begann man mit der Freilegung der Gebäude, um die Bausubstanz zu beurteilen: „Die Decken waren im Fachwerkhaus zum Teil mit Gipskarton verkleidet und darunter gab es Putz. Teilweise fanden wir drei bis vier Schichten vor“, erinnert sich Stefan Schneider. Vor allem musste die Qualität der vielen Lehmbauteile im Fachwerkhaus beurteilt werden. Erst im Oktober 2009 begannen die Bauarbeiten am Haupt- und Nebengebäude. Ende 2011 konnte das Museum im Fachwerkhaus eingeweiht werden. Im August desselben Jahres begann man auch mit dem Umbau der Scheune, der zum Ende des vergangenen Jahres abgeschlossen wurde.

Sanierung und Reparatur der Tabakschuppen

Im hölzernen Tragwerk der Tabakschuppen sind Rundhölzer eingehängt, über denen die Bauern einst Tabakbündel zum Trocknen aufhängten. Auch die Gebäudehülle besteht komplett aus Holz, wobei sich ein Teil der Bretter als Lamellen zur Lüftung mit einer Kette bewegen und steuern lässt. Große Teile der Hülle des Tabakschuppens hinter der Scheune waren so stark geschädigt, dass die Zimmerleute sie gegen neue Bretter aus Douglasienholz ersetzen mussten. „Wir haben beim Holzhändler darauf geachtet, dass nur die obersten Bretter vom Stapel abgegriffen wurden, damit diese bereits vorbewittert sind. Außerdem darf man bei einem Tabakschuppen natürlich nur Hölzer verwenden, die nicht vorbehandelt sind“, sagt Bauleiter Schneider. Im Tabakschuppen mussten die Zimmerleute nur ein paar Stützen austauschen, die im unteren Teil morsch waren. Zudem entfernten sie die Bretter der Zwischenebene, damit die Museumsbesucher die Höhe des Tabakschuppens besser erfassen können. Da die Zwischenebene auch statisch als Scheibe wirksam war, musste ihre aussteifende Wirkung durch horizontale Stahlzugstangen ersetzt werden, welche die Handwerker über Kreuz auf Höhe der ehemaligen Zwischenebene im Tragwerk montierten.

Gravierender waren die Schäden der Hölzer des auf dem Backsteingebäude aufgesattelten Tabakschuppens. Für dessen Hof- und Giebelseite verwendeten die Zimmerleute neue Bretter, die einen Anstrich mit der Lasur HK Aidol erhielten, damit sie sich farblich dem Bestand anpassen. Für die Gebäuderückseite nahmen sie die alten noch brauchbaren Bretter.

Sanierung des Backsteingebäudes und der Scheune

Ursprünglich hatte man das gelbe Backsteinmauerwerk des Nebengebäudes schwarz verfugt. Die Mitarbeiter der Firma BBR kratzten die Fugen aus und reinigten das Mauerwerk im Wirbelstrahlverfahren, wobei sie die Düsen so anordneten, dass diese das Strahlgut seitlich über die Steine schickten, damit sie geschont wurden. Zudem brachte die Firma BBR per Bohrlochinjektion auch eine Horizontalsperre gegen aufsteigende Feuchte in den Sockel des Ziegelmauerwerks ein. Dort, wo der Rohbauer geschädigte Backsteine austauschen musste, verwendete er alte gelbe Ziegel aus Abbruchhäusern. „Gemeinsam mit dem Rohbauer, der das Sichtmauerwerk wirklich sehr schön ausgeführt hat, habe ich nach passenden Ziegeln Ausschau gehalten und diese dem Besitzer dann für einen Euro das Stück abgekauft“, erinnert sich Stefan Schneider. Die Sandsteingewände und Türschwellen tauschte der Steinmetz aus.

Innerhalb des Ensembles erfuhr die Scheune die größten Eingriffe. Hier mussten die Handwerker das Dach samt Dachstuhl, marode Wandabschnitte und die alten Bodenplatten abbauen. Anschließend mauerten sie die Wandabschnitte mit Hochlochziegeln wieder auf, setzten bodentiefe Fenster und Türen aus grauen Forster Stahl-Profilen ein und auf die Mauerkronen einen Ringanker aus Stahlbeton. Den Dachstuhl, der bis unter den First offen bleibt, bauten die Zimmerleute aus grau lasierten Dreiecksbindern.

Sanierung des Fachwerkhaupthauses

Das Fachwerk des Haupthauses reinigten die Mitarbeiter der Firma IDK von außen im Trockeneis-Strahlverfahren. Danach zeigte sich, dass die Zimmerleute vor allem die Fußschwellen der Fachwerkkonstruktion erneuern mussten. „Rohbauer und Zimmerer konnten hier nur abschnittweise arbeiten, da wir am Gebäude immer wieder Abstützungen vornehmen mussten“, sagt Stefan Schneider. Neben der Schwelle mussten die Zimmerleute im Fachwerk auch einige Riegel und Streben und zwei Sparren im Dachstuhl erneuern. „Hierzu verwendeten die Zimmerleute nur Hölzer aus alten Fachwerkhäusern“, so der Architekt.Viele der Gefache mussten neu mit Lehmsteinen ausgemauert werden. Als Innendämmung kam eine Kombination aus 5 cm und 2 cm dicken Schilfrohrmatten zur Anwendung und darauf ein 3 cm dicker Lehmputz. „Bei so einem Wandaufbau passiert überhaupt nichts, denn Schilf ist einer der wenigen nachwachsenden Rohstoffe, der durch seinen hohen Alkalianteil ohne Konservierungsmittel verwendet werden kann“, meint Lehmbauer Waldemar Eider, der sich mit seiner Firma EIWA auf die Sanierung von Fachwerkhäusern mit Lehm spezialisiert hat. „Eider arbeitete mit einem Trupp von vier Leuten, darunter auch ein Zimmerer, so dass wir spontan auf der Baustelle reagieren konnten, wenn im Zuge der Lehmbauarbeiten auch mal was am Holz gemacht werden musste“, sagt Stefan Schneider. Von außen erhielten die Lehmsteinausfachungen einen Kalkputz mit einem abschließenden Anstrich aus Kalkfarbe. Für den Lehmputz verwendeten die Maler eine Silikatfarbe und brachten auf das vorab gründlich gereinigte Fachwerk einen Anstrich mit der Leinölfarbe Histolith auf. Eine Fachwerkinnenwand blieb als Ausstellungsobjekt des Museums unverkleidet, um die unterschiedlichen Ausfachungen und die Veränderungen, die solche Bauteile im Laufe der Geschichte erfahren müssen, zu zeigen.

Besonders schwierig gestaltete sich für die Handwerker der Einbau der Fenster: Da die Fachwerkaußenwände vergleichsweise schräg waren, mussten die Fachleute die Fensterlaibungen schräg schneiden, um sie innen der Wand anzupassen. Für die äußeren Laibungen bauten sie einen Holzkasten, der aus der Fassade herausragt, damit die Fensterläden gerade daran anschlagen können. Zum Schutz dieser Holzkästen fertigte der Dachdecker Abdeckbleche, die er mit einer Silikonfuge direkt an das Fachwerk anschloss.

Die aufwendigen Dachdeckerarbeiten am gesamten Ensemble stellen wir in einer der kommenden Ausgaben der zur bauhandwerk gehörenden Zeitschrift dach+holzbau vor.

Autor

Dipl.-Ing. Thomas Wieckhorst ist Chefredakteur der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.

Baubeteiligte (Auswahl)

 

Entwurf, Planung und Bauleitung Architekturbüro Mathias Henrich, Speyer, www.architekt-henrich.de 

Statik Ing.-Büro Schenck, Neustadt a. d. Weinstraße 

Rohbauarbeiten Fachwerkhaus Firma Georg und Klaus Schloss, Jockgrim 

Zimmererarbeiten Fachwerkhaus Zimmerei Klaus Werling, Hatzenbühl 

Dachdeckerarbeiten Fachwerkhaus Firma Philipp Hehrlein, DDM Ulirch Hehrlein, Annweiler 

Renovierung Holztreppe Schreinerei Schmitt, Rheinzabern 

Trockeneisreinigung Firma IDK Herxheim, Herxheim  

Steinmetzarbeiten Firma Hans Klor, Rohrbach 

Abdichtungsarbeiten Bbr Bausanierung, Eppelborn  

Lehmbauarbeiten Fachwerkhaus Firma EIWA, Waldemar Eider, Bisterschied  

Fensterbauarbeiten Fachwerkhaus Seipel Fensterbau, Graben-Neudorf 

Trockenbauarbeiten Fachwerkhaus Firma Bernd Schmalenberger, Rohrbach 

Malerarbeiten Fachwerkhaus Firma Wolfgang Back, Bellheim; Firma Matthias Willy, Hatzenbühl 

Schreinerarbeiten Fachwerkhaus Schreinerei Richard Gerlinger, Kirrweiler 

Rohbauarbeiten Scheune Firma Frank Baumann, Jockgrim 

Zimmerer- und Dachdeckerarbeiten Scheune

Zimmerei Manfred Antoni, Neupotz 

Spenglerarbeiten Scheune Firma Ulrich Winschel, Jockgrim 

Trockenbauarbeiten Scheune Firma Willi Moser, Neustadt a. d. Weinstraße 

Malerarbeiten Scheune Firma Norbert Wolff, Rülzheim  

Schreinerarbeiten Firma Helmut Schmitt, Jockgrim

Herstellerindex (Auswahl)

 

Holzlasur Aidol Remmers, Löningen, www.remmers.de  

Leinölfarbe Histolith Caparol, Ober-Ramstadt, www.caparol.de 

Silikatfarbe Keimfarben, Diedorf, www.keimfarben.de

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