Malerazubis lernen im Denkmalcamp der Sto-Stiftung in Rumänien neue Techniken
Die Sto-Stiftung ermöglichte 20 Malerazubis aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Teilnahme an einem internationalen Denkmalcamp im rumänischen Martinsdorf. Wir haben das Camp Mitte August dieses Jahres besucht und mit den Azubis und Betreuern vor Ort gesprochen.
Von Sibiu aus, das früher einmal Herrmannstadt hieß, geht es im Kleinbus mit der Sto-Stiftung auf Zeitreise. Mit jedem Kilometer verschlechtert sich der Zustand der Straße, steigt die Zahl der Pferdefuhrwerke, denen wir begegnen. Mit jedem Kilometer vergeht auch ein Jahrzehnt, bis wir in der kleinen Ortschaft Martinsdorf in Transsilvanien im 17. Jahrhundert ankommen. Dort erwartet uns zwar nicht Graf Drakula, aber immerhin eine Unterbringung im Wohnzimmer alter Leute, die noch leben oder gerade gestorben sind, mit Plumpsklo im Hof und eigentümlich riechendem Wasser, das dort aus dem Hähen kommt. Und es erwartet uns natürlich das eigentliche Ziel unserer Reise und Projekt der Sto-Stiftung in Rumänien: eine mittelalterliche Kirchenburg, die heute die evangelische Kirche ist und das zugehörige Pfarrhaus mit Wehrturm.
Stiftung beteiligt sich erstmalig
Das Besondere an diesem Projekt ist, dass es sich dabei um ein internationales Denkmalcamp handelt, an dem Auszubildende verschiedener Gewerke vom Betonbauer, über Zimmerleute und Stuckateure bis hin zu Malern handwerkliche Erfahrungen sammeln können. Seit 2013 werden die Gebäude von der Bauinnung München sowie der Maler- und Lackierer-Innung München in Zusammenarbeit mit der Handwerkerschule Martinsdorf/Siebenbürgen e.V. nach und nach saniert und restauriert. Jährlich arbeiten hier Auszubildende, Gesellen und Techniker gewerkeübergreifend drei Wochen lang im Mai und Oktober zusammen. „Ich war vor zwei Jahren schon einmal hier und sofort begeistert“, sagt Gregor Botzet, Stiftungsrat Handwerk der Sto-Stiftung und Fachlehrer der Ferdinand-Braun-Schule in Fulda. Insbesondere die 20 Malerazubis aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die vom 13. bis 22. August Gelegenheit hatten, ihre Erfahrungen in Sachen Kirchenmalerei, Restaurierung und Denkmalschutz zu erweitern, liegen der Sto-Stiftung besonders am Herzen. „In den vergangenen Jahren arbeiteten jährlich rund 60 Auszubildende verschiedener Gewerke aus Deutschland an der Sanierung des Objektes. In diesem Jahr beteiligt sich erstmalig auch unsere Stiftung daran“, sagt Gregor Botzet.
In Absprache mit dem Denkmalamt in Herrmannstadt (Sibiu) darf der Handwerksnachwuchs hier also konkret mitarbeiten – eine echte Chance, den Denkmalschutz ganz intensiv kennenzulernen, den es in Deutschland so kaum gibt. Umso größer war der Andrang der jungen Leute auf die begrenzten Plätze: Aus 65 Bewerbungen aus der Schweiz, Österreich und Deutschland wurden schließlich 20 engagierte Azubis im Malerhandwerk aus dem zweiten Lehrjahr ausgewählt.
Restaurierung, Graumalerei und Schablonieren
Unterstützung erhielten die Azubis von den Betreuern Gregor Botzet, Michael Doll von der Handwerkerschule Martinsdorf Siebenbürgen e.V., seiner Frau Elise als Projektmanagerin und guten Seele des Camps, von Kirchenmalermeisterin Bettina von Boch, Malermeisterin Astrid Robra, Farb- und Lacktechniker Lukas Keller (Fachlehrer und ehemaliger Sto-Stiftungs-Stipendiat) sowie Farb- und Lacktechniker Matthias List. Unter ihrer Anleitung legten die jungen Handwerker in den zehn Tagen in Transsilvanien Bibeltexte in Kaseinmalereien an der Empore der Kirche in Mardisch frei und erstellten Treppenschnitte im Pfarrhaus, um festzustellen, wie viele Schichten Farbe im Laufe der Jahrhunderte aufgebracht wurden. Damit hat die Kirchengemeinde die Möglichkeit zu entscheiden, in welcher Farbfassung die Wände restauriert werden sollen. Im Workshop Graumalerei lernten die Teilnehmerinnern und Teilnehmer wie man Profile, Rosetten und Säulen so aufmalt, dass diese dreidimensional wirken. Mit dem Schablonieren mit Trockenpigmenten entdeckten sie eine weitere interessante und kaum noch praktizierte lasierende Technik. „Die zahlreichen Workshops waren alle sehr spannend“, sagt Teilnehmerin Séline Allet aus Willerzell in der Schweiz. „Wir haben sehr viele Techniken kennengelernt, die ich praktisch noch gar nicht kannte.“
Arbeit ist nicht alles
„Bei diesem Camp können wir den Auszubildenden nicht nur den Denkmal-Gedanken und die dazugehörigen Techniken näherbringen, sondern die jungen Leute auch in ihrer Persönlichkeitsentwicklung weiterbringen“, sagt Gregor Botzet. Dazu trug auch die Einfachheit der Unterkünfte im bereits renovierten Dachstuhl des Pfarrhauses und in der angrenzenden Scheune bei und natürlich die gemeinsamen Mahlzeiten im Dorfgemeindehaus. Hier haben eben alle alles gemeinsam gemacht, was dazu führte, dass die Teilnehmer schnell zu einem vertrauten Team zusammengewachsen sind, das gemeinsam anpackte und lernte, einander half und sehr viel Spaß zusammen hatte. „Die Stimmung im Denkmalcamp war super“, bestätigt Teilnehmer Johannes Paganetty aus Gronau. „Schon nach dem ersten Tag waren wir ein cooles Team.“
Kulturausflüge in die Umgebung
Der Sto-Stiftung geht es immer auch darum, den Horizont der Geförderten zu erweitern. Deshalb standen im Rahmen mehrerer Kulturausflüge auch Landes- und Baugeschichte, Materialkunde sowie Baukultur auf dem Programm. Im nahegelegenen Cincșor (ehemals Kleinschenk) konnten sie eine restaurierte Kirchenburg besichtigen, in Hermannstadt lernten sie die Geschichte des Landes bis zum heutigen Tag kennen und erkundeten in Rahmen einer Führung die Altstadt mit ihren sehenswerten Restaurierungen.
Fazit
Das Fazit der Azubis war zum Schluss einhellig: Jede Menge neues Wissen zu Handwerkskunst und Baukultur und ein großartiges Gemeinschaftserlebnis, zu dem jede und jeder die Reise nach Transsilvanien gerne wieder antreten würde. „Ich nehme zahlreiche positive Eindrücke und gute Freundschaften, viele neue Erfahrungen und reichlich Wissen über die Denkmalpflege mit nach Hause“, sagt Henrik Otte, Teilnehmer aus Bielefeld. „Der Zusammenhalt und die Hilfsbereitschaft hier waren unglaublich. Ich würde mich freuen, nochmal dabei sei zu dürfen.“ Ob es ein weiteres Denkmalcamp für Azubis im Malerhandwerk geben wird? „Aus der Nummer kommen wir nicht mehr raus“, sagt Gregor Botzet. „Aller Wahrscheinlichkeit nach werden wir auch im nächsten Jahr wieder mit einer neuen Azubitruppe herkommen.“
Weitere Infos auch unter www.sto-stiftung.de und www.handwerkerschule.eu
AutorDipl.-Ing. Thomas Wieckhorst ist Chefredakteur der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.