Sicherer dichten
Montageschäume ohne Isocyanat

Beim Bauen wird eifrig gedämmt und gedichtet. 200 Millionen Montageschaumdosen gehen jedes Jahr in Europa über den Ladentisch. Das praktische Utensil für den Handwerker hat jedoch seine Schatten­seiten: Sprühdosen auf Basis von Polyurethan enthalten Isocyanate, die gesundheitsschädlich sind und sogar im Verdacht stehen, Krebs zu erregen. Der freie Verkauf wird daher nun gesetzlich eingeschränkt. Ersatz steht aber schon bereit: Dämmschäume auf α-Silan-Basis sind frei von Isocyanaten und genauso praktisch und gut zu verarbeiten wie klassischer Polyurethanschaum.

Montageschäume aus der Sprüh­dose gehören heute zur Grund­ausstattung jedes Bautrupps und erfreuen sich beim Handwerker großer Beliebtheit. Auf Fingerdruck dichten sie neu eingesetzte Türen, Fenster oder Rollladenkästen gegen den Rahmen ab und füllen ebenso rasch und praktisch kleinere Hohlräume in Ecken und Wänden. Als sie in den 1970er Jahren auf den Markt kamen, hatte das bis dahin übliche Ausstopfen der Fugen mit Hanf, Werg oder Mineralwolle schnell ausgedient.

Nun aber sind die Montageschäume verstärkt ins Visier der EU-Behörden geraten. Die Rezeptur für den Schaum basiert auf Polyurethan; Hauptbestandteile des Doseninhalts sind – neben Alkoholen – große Mengen an Isocyanaten. Dies sind hoch reaktive chemische Verbindungen. Beim Aktivieren der Sprühdose reagieren sie zu einem Netzwerk von Polyurethan. Gestartet wird die Vernetzungsreaktion durch Spuren von Wasser. Dabei wird gleichzeitig Kohlendioxid freigesetzt. Dieses Gas bläht das entstehende Polyurethan zum Schaum auf. Im fertig vernetzten, ausgehärteten Schaum schließlich sind die Isocyanate fest in das Molekülgefüge eingebunden, – chemisch entschärft zu so genannten Urethanen.

 

Gefährlich nur bei
der Verarbeitung

 

Polyurethane sind deshalb im Gegensatz zur schädlichen Vorstufe völlig unbedenklich. Weil jedoch technisch bedingt in der Sprühdose stets ein großer Überschuss an freien Isocyanaten vorliegt, kann der Handwerker beim Schäumen leicht mit ihnen in Berührung kommen. Isocyanate können Haut, Augen und Atemwege reizen und Allergien auslösen. Das in Sprühschäumen üblicherweise verwendete Isocyanat MDI kann sogar Krebs auslösen.

Darauf hat der Gesetzgeber nun reagiert: MDI-haltige Montageschäume werden ab sofort in den Ländern der Europäischen Union zusätzlich in die Kategorie 3 (krebserzeugende Stoffe), R-Satz 40 „Verdacht auf krebserzeugende Wirkung“ eingestuft und entsprechend etikettiert. Dies schiebt dem freien Verkauf buchstäblich einen Riegel vor. Spätestens nach der Übergangsfrist, die im Sommer dieses Jahres endet, werden also solche Montageschäume in Deutschland und in einigen anderen Ländern der EU aus dem Selbstbedienungsregal verschwinden, in Vitrinen verschlossen und nur noch auf Anfrage herausgegeben.

Montageschaum
ohne Isocyanate

Eine Schaumtechnologie ohne freie Isocyanate ist also gefragt. Zwei führende Hersteller von Montageschäumen, die belgische Firma Soudal und die in der Schweiz ansässige Polypag AG, haben die Lösung schon parat: Einen neuen Dämmschaum, der nicht auf Isocyanatchemie setzt, sondern auf Silanchemie. Wirksame Bestandteile der Rezeptur sind α-Silane, genauer: α-silan-terminierte Polymere.

Silan-terminierte Polymere sind kettenförmige Moleküle, die am Ende eine Silangruppe tragen. Silane sind bewährte Substanzen, die in Lacken, Beschichtungen oder Klebstoffen für Haltbarkeit und Haftung sorgen. In der Familie der silan-terminierten Polymere sind α-Silane recht neu. Herkömmliche Silane sind γ-Silane. Durch kleine Änderungen in der Molekülstruktur reagieren α-Silane um das 100- bis 1000-fache schneller als ihre γ-Verwandten – man spricht vom α-Effekt.

Ausgangsstoff für den neuen Dämmschaum ist α-silan-ter­miniertes Polyurethan: Hier tragen die Polyurethanketten an ihren Enden eine Kappe aus α-Silan. Die Silane reagieren untereinander – ähnlich wie Isocyanate bei herkömmli­chen Montageschäumen; da­bei entsteht das Polymernetzwerk. Eingeleitet wird der Vorgang durch Luftfeuchtigkeit. Weil dabei kein Isocyanat beteiligt ist, entsteht auch kein Kohlendioxid. Deshalb müssen Treibmittel zugefügt werden, die das Produkt aufschäumen. Augenfällig wird die Vernetzung wiederum durch das Erstarren des Schaums. Reaktive freie Isocyanate sind nicht vorhanden.

Wie alle neuen Stoffe mussten sich auch α-Silane und die Produkte daraus vor der Markteinführung auf Herz und Nieren prüfen lassen, was ihr Verhalten gegenüber Mensch und Umwelt betrifft. Das Resultat: keine negativen Auswirkungen. Bei der Vernetzung des Schaumes entsteht zwar Methanol, das ab einer bestimmten Dosis toxisch ist. Unter normalen Verarbeitungsbedingungen sind die auftretenden Mengen jedoch nachweislich so gering, dass gesundheitliche Schäden ausgeschlossen werden können.

 

Nach einer Stunde
ist der Schaum schon fest

 

Obendrein stehen α-Silan-Schäume den klassischen Polyurethanschäumen auch in den Produkteigenschaften nicht nach. Sie haften wie diese auf allen gängigen Oberflächen und sind überstreichbar. Durch den α-Effekt härten die neuen Schäume sogar schneller aus; bereits nach einer Stunde sind sie formstabil und schnittfest.

Ein weiterer Vorteil dieser Schäume ist, dass die leeren Dosen nach der Anwendung einfach in den gelben Sack geworfen werden können, während die Dosen herkömmlicher Schäume wegen Isocyanatresten über ein spezielles Recyclingsystem entsorgt werden müssen (PDR-System).

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