Spiegelglatt poliert
Neubau der Neuapostolischen Kirche in München-Laim

Schimmernd-glatte Kalkputzwände kennzeichnen die Neuapostolische Kirche in München-Laim. Für die spiegelglatten Außenwände des Neubaus verwendeten die Gipser erstmals in Süddeutschland eine mehrschichtige Kalkspachteltechnik aus Italien.

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Das neue Gotteshaus der Neuapostolischen Kirchengemeinde in München-Laim ersetzt einen maroden Vorgängerbau aus den 1960er-Jahren. Der reinweiße Kubus der Münchner Architekten Haack + Höpfner strahlt Ruhe und Klarheit aus. Zwei schmale, eingeschossige Nebenflügel umfassen den von der Straße abgerückten, weiß verputzten Monolithen. Dazwischen entstand ein kleiner Quartiersplatz mit Kirchbaum, Wasserbecken und Sitzbänken.

Als „Weg ins Licht“ beschreiben die Architekten Lydia Haack und John Höpfner das Leitthema ihres Entwurfs, das sich schon an der Eingangsfassade abzeichnet: Während die Nebengebäude grau verputzt wurden und der Vorplatz mit dunklen Granitsteinen gepflastert wurde, schimmert an der Fassade der Kirche ein feiner, mehrschichtig verdichteter, mit Marmorzuschlägen versehener Kalkputz. Das Wasser im Becken wirft Lichtreflexe auf die glatte, matt glänzende Wandoberfläche. Die Altarwand durchzieht eine „Lichtwolke“ aus 31 Leuchtröhren, die Innen- und Außenraum verbinden und die Kirche abends mit Hilfe eingebauter LEDs in Szene setzen. Tagsüber löst sich die seidig glatte Oberfläche des Kalkputzes scheinbar im Licht auf und hebt sich von den umliegenden Baukörpern ab.

Deutsch-italienische Teamarbeit

Für die Fassade verwendeten die Gipser eine mehrschichtige Kalkspachteltechnik, die im Italienischen „Spatolato a calce“ genannt wird und das erste Mal an einer Außenfassade in Süddeutschland zum Einsatz kam. „Die Hersteller für Kalkglätte sind hierzulande vorsichtiger als in Italien: Sie meinen, ein solcher Putz sei für unsere Wetterverhältnisse nicht geeignet“, sagt Johann Lerchl, Geschäftsführer der Johann Lerchl Innen- und Außenputze GmbH. „Bei einer fachgerechten Ausführung und Wartung ist diese Sorge aber unbegründet.“

Die Kalkspachteltechnik war den Architekten aus Italien bekannt. Über einen Fassadengutachter entstand der Kontakt zu Fassa Bortolo, dem größten italienischen Hersteller für Werktrockenmörtel, der die Oberfläche für Architekten und Bauherren bemusterte. Für die Ausführung brachte ein Außendienstmitarbeiter der Mailänder Firma ein Muster mit, das die Lerchl-Gipser in der Werkstatt ausprobierten. Die Putzarbeiten führten sie gemeinsam mit der italienischen Firma Edil Grulay auf, die Erfahrungen mit der Kalkspachteltechnik hat.

Für das zweischalige Mauerwerk wurden druckfeste Hochlochziegel mit hoher Rohdichte vermauert, die Rissen im Putz vorbeugen. Als Grundputz brachten die Gipser mit dem Mörtelschlauch lot- und waagerecht einen 20 mm dicken, schnell härtenden Kalkzement-Leichtgrundputz auf. Anschließend zogen sie mit der Glättkelle einen zweischichtigen, je 3 mm dicken Dünnschichtputz als Grundlage für die Dekorbeschichtung auf. In die erste Lage betteten sie die Bewehrung aus Glasfasergewebe ein, dann trocknete die Spachtellage fünf Tage. Anschließend folgte die zweite Lage mit erneut fünf Tagen Trocknungszeit.

Absolut glatte Putzoberflächen

„Um eine völlig glatte Oberfläche zu bekommen, durften keine Riefen im Untergrund bleiben. Also haben wir den Putz nach dem Ansteifen mit Flächenspachteln abgezogen und alle Überstände weggehobelt“, sagt Johann Lerchl. Anschließend trugen die Handwerker mit der Stahltraufel in zwei Schichten 3 mm satinierte Kalkglätte auf und glätteten sie mit dem Flächenspachtel. Zwischen beiden Arbeitsgängen trocknete der Dekorkalk einen Tag. Das Material besteht aus Marmorstaub, Sumpfkalk, natürlichen Erdfarbstoffen sowie weiteren Zusatzstoffen. Zum Abschluss versiegelten die Gipser den Putz nach einem Monat mit einer farblosen Siloxanbeschichtung als Witterungsschutz.

Auf dem Gerüst arbeiteten je drei Gipser direkt nebeneinander und zogen jeweils nur eine halbe Gerüstlage auf, damit der Putz nicht antrocknet. Um eine spiegelglatte, seidig glänzende Oberfläche zu erzielen, mussten sie den optimalen Zeitpunkt zum Glätten erwischen. „Ist die Kalkglätte noch zu frisch, gibt es Unebenheiten. Ist man zu spät dran, glänzt sie nicht mehr“, sagt Johann Lerchl. „Wir haben vorab Muster gemacht und uns an den idealen Zeitpunkt herangetastet: wenn die Oberfläche leicht matt ist.“ Beim Glätten kam es für die Handwerker dann darauf an, kräftig gegen das Material zu drücken: je stärker, desto glatter wird der Putz.

Die von den Architekten entwickelten Lichtröhren sind mit einer umlaufende Nut versehen, in die die Gipser das Dichtband einpressen konnten. So kann kein Wasser hinter die Konstruktion laufen.

Wellenlos im Streiflicht

Wie die Straßenfront wurden auch die Innenwände des Kirchsaals mit Kalk-Gips-Glättputz verputzt. Die hinter der Attika verborgenen Oberlichter tauchen die schimmernd glatten Wände in helles Tageslicht. Fünf weiß lackierte Stahlträger halten die abgehängte Decke, die zu drei Seiten von den Außenwänden abgelöst ist. Zum Altar hin wird der Raum immer heller: Direkt vor der Altarwand steht man fast schon im Licht. Für die Gipser war das helle Streiflicht eine große Herausforderung: „Bei solch einem Licht sieht man jede noch so kleine Unebenheit“, sagt Johann Lerchl. „Wir mussten den Kalkputz daher sehr sorgfältig glätten, damit die Oberfläche nicht wellig wird.“

Die Spachteltechnik „Spatolato a calce“ konnte innen aus Kostengründen nicht umgesetzt werden. Als kostengünstige Alternative schlug die Firma Lerchl den Architekten einen dreimal geglätteten Kalk-Gips-Glättleichtputz ohne Farbanstrich vor. Der Putz setzt sich aus Stuckgips, Weißkalk und hochwertigem Kalkbrechsand zusammen.

Die Gipser trugen zunächst mit der Stahltraufel einen 15 mm dicken Leichtglättputz auf. Danach glätteten sie den Putz in drei Gängen: Zunächst verrieben sie die Kalkglätte mit dem Schwamm. Dann verdichteten sie das Material mit der Kelle nass in nass in zwei feiner werdenden Arbeitsgängen. Abends spritzten sie die Fläche erneut nass, damit der Putz über Nacht feucht blieb. Am nächsten Tag glätteten die Gipser den Putz mit Flächenspachteln. Um einen marmorähnlichen Effekt zu erreichen, spachtelten sie abschließend mit der Glättkelle einen farblosen Dekowachs auf die ausgetrocknete Oberfläche und polierten sie.

Guter Klang trotz schallharter Flächen

Eine Schwierigkeit stellten die glatten, schallharten Wandflächen für die Akustikplanung dar. „Der Raum bot wenig Streukörper, um den Schall zu verteilen. Gleichzeitig waren schallabsorbierende Flächen notwendig – aber nur in geringem Umfang, um eine Überakustik zu vermeiden“, sagt Martina Freytag, Akustikplanerin von der beratenden Ingenieurgesellschaft Müller-BBM. Zudem benötigt die neue Pfeifenorgel eine ausreichende Nachhallzeit, um ihren Klang zu entfalten.

Gemeinsam erarbeiteten Architekten und Akustikplaner mehrere Entwürfe für eine Akustikdecke, deren geometrische Schalllenkung und akustische Oberflächenwirkung sie mit Hilfe von Computersimulationen testeten. Man entschied sich, die Decke aufzufächern und den Schall dadurch zu streuen und in den Kirchenraum zu lenken. Dazu schraubten die Handwerker Trägerplatten aus Glasgranulat, das akustisch leicht dämpfend wirkt, an die unter der Betondecke befestigte Metallunterkonstruktion. Die Platten wurden anschließend mit der schalldurchlässigen Deckbeschichtung „StoSilent Top Finish“ versehen.

Die glatten Oberflächen zwangen die Planer zudem, den Raum an einigen Stellen „gestalterisch zu stören“. In die Holzrahmen der Türflügel zwischen Kirchsaal und Foyer setzte der Schreiner die Verglasung sägezahnförmig ein, so dass sie Mehrfachreflexionen des Luftschalls, so genannte Flatterechos, vorbeugen. Um störende Echos zwischen den parallelen Wänden zu vermeiden, verengen sich die Seitenwände zum Altar hin leicht: Ab 1,2 m vor den Wandecken trugen die Gipser statt 1,5 cm in zwei Lagen insgesamt 5 cm Glättleichtputz auf. Die neue Orgel wurde in die Ostwand des Kirchenraums integriert: Ein schlichter, weiß lackierter, bündig in die Wandnische eingesetzter Holzrahmen fasst die Silberpfeifen ein. Es ist der einzige Akzent in den glatten, weißen Wandflächen, die sonst nur vom Licht bespielt werden.

Autor
Dipl.-Ing. Michael Brüggemann studierte Architektur in Detmold und Journalismus in Mainz. Er arbeitet als Redakteur und schreibt außerdem als freier Autor unter anderem für stern, DBZ, bauhandwerk und dach+holzbau.

„Ist die Kalkglätte noch zu frisch, gibt es Unebenheiten. Ist man zu spät dran, glänzt sie nicht mehr“

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