Vom Umspannwerk zum Doppelhaus

Die Umnutzung eines Gleichrichterwerks in Berlin-Zehlendorf war für die Architekten und Handwerker eine spannende Aufgabe: Hier galt es, für den alten Ziegelbau sowohl eine neue Aufteilung als Doppelhaus zu finden als auch eine zeitgemäße Wärmedämmung der Außenwände im Detail korrekt auszuführen.

Das Ende der 1920er Jahre nach Plänen des Architekten Hans Heinrich Müller erbaute Umspannwerk in Berlin diente der Umwandlung von Drehstrom in Gleichstrom für die Straßenbahn Zehlendorf-Kleinmachnow. Genau genommen handelt es sich bei dem kleinen Industriebau in der Machnower Straße daher eigentlich um ein Gleichrichterwerk. Viel wichtiger ist jedoch die Lage des Solitärs: Er liegt inmitten eines Wohngebietes im vornehmen Stadtteil Zehlendorf. Eine Umnutzung für Wohnzwecke lag damit nahe. Die wollte sich der Eigentümer des in den 1960er Jahren im Villenviertel stillgelegten Umspannwerks aber auch wegen der Grundstücksgröße gut bezahlen lassen. Eine theoretische, weitere Bebauungsmöglichkeit führte zu einem hohen Grundstückswert. Daher fand sich zunächst kein Käufer. Erst als der damalige Eigentümer auch wegen der nahen Nachbarbebauungen den Preis reduzierte, erwarb Stefan Kahlfeldt 2007 das Gebäude und beauftragte seinen Bruder Paul und dessen Frau Petra mit der Planung einer Umnutzung für eigene Wohnzwecke.

Erfahrung in der Umnutzung von Industriebauten

Die Architekten hatten nicht nur bereits Erfahrung im Umgang mit alten Industriebauten, sondern schon fünf Gebäude des Architekten Hans Heinrich Müller einer neuen Nutzung zugeführt. Wer, wenn nicht Petra und Paul Kahlfeldt waren daher besser geeignet, sich mit dem expressiv angehauchten Bestand in der Machnower Straße auseinanderzusetzen? Man sollte meinen, dass derart erfahrene Architek­ten in einem solchen Fall mit keinen Überraschun­gen mehr zu rechnen brauchten. Aber jeder Bestandsbau ist eben ein Unikat und will auch als solches behandelt werden. Von daher galt es für die Architekten, in Berlin-Zehlen­dorf für das ehemalige Gleichrichterwerk vor allem bauphysikalische Fragen zu lösen und natürlich für das Gebäudeinnere eine neue Raumaufteilung zu finden.

Doppelhaus auf zwei Etagen mit separaten Treppenhäusern

Was der Bestand zu bieten hatte, war ein längsgeteiltes Haus: Das 4,50 m hohe Erdgeschoss war zur Machnower Straße hin in drei Transformatorenkammern aufgeteilt. Darüber befand sich ein fast 6 m hoher Saal für die Schaltanlagen, der von drei großen Fenstern zur Straße hin natürlich belichtet wurde. Im hinteren Teil des Hauses gab es anstelle des Kriechkellers zur Straße ein begehbares, durch kleine Fenster belichtetes Untergeschoss. Darüber befanden sich kleinere Räume mit annähernd normaler Raumhöhe für weitere Schalter und Spulen.

Wie sollten die Architekten das Haus nun für zwei Familien aufteilen? Die Vorgabe lieferten die beiden runden Treppentürme an den Seiten des Gebäudes: Petra und Paul Kahlfeldt entschieden sich gemeinsam mit den Bauherren folgerichtig für eine vertikale Teilung. Dadurch werden die Wohnungen nicht nur durch einen eigenen Eingang betreten und über ein eigenes Treppenhaus erschlossen, sondern erstrecken sich auch über zwei Geschosse. So machen sich beide Wohnungen die Qualitäten des Bestandes (zum Beispiel den fast 6 m hohen Saal) zunutze.

Rückbau, Umbau und Wärmedämmung

Um die neue Aufteilung in zwei Haushälften zu erreichen, entfernten die Rohbauer zunächst sämtliche Innenwände. Nur die tragende Stahlkonstruktion blieb erhalten. Danach passten die Handwerker die alten Fensterlaibungen an die vom Tischler aus Nadelholz neu angefertigten Fenster an – denn die neuen Fenster mussten hinter den alten, erhalten gebliebenen Sprossenfenstern aus Stahlprofilen positioniert werden. Damit an den Fensterleibungen keine Wärmebrücken entstanden, montierten die Handwerker dort eine 7 cm dicke, mit Blech verkleidete Mineralfaserdämmplatte.

Natürlich mussten nicht nur die Fensterleibungen, sondern das gesamte Gebäude im Zuge der Umnutzung wärmetechnisch aufgerüstet werden. Hierzu mauerten die Handwerker hinter die bestehenden,25 cm Ziegelaußenwände 11,5 cm dicke Hochlochziegel (Poroton), die in Kombination mit einem 2 cm dicken, im Spritzverfahren aufgetragenen Wärmedämmputz für eine zeitgemäße Dämmung und bauphysikalisch zugleich für ein angenehmes Raumklima sorgen. Auch das Stahldach mit einer Hohlziegelfüllung erhielt eine zusätzliche Dämmung und eine Zinkblechdeckung. Die Stahlsteindecken wurden zur Verlegung einer Fußbodenheizung genutzt – je nach Nutzung liegt darauf Parkett, Teppich oder Linoleum. Auch die ehemaligen Trafotüren blieben – mit neuen Verglasungen versehen – erhalten. Die Trafo-Einbringtrassen wurden hingegen entfernt und durch eine großzügige Terrasse ersetzt. Dadurch sind die Wohnräume jetzt mit dem Garten verbunden. Die für die neue Raumaufteilung erforderlichen Innenwände bauten die Handwerker in Trockenbauweise aus Leichtbauwänden und verglasten Holzständerwänden auf. Lediglich die Wohnungstrennwände mauerten sie konventionell aus Kalksandstein.

Denkmalverträglicher Umgang mit dem Bestand

Obwohl das Gebäude unter Denkmalschutz steht, ließen sich alle Veränderungen verträglich einpassen. Alle notwendigen Eingriffe wurden von den Architekten nicht kontrastierend, sondern ergänzend behandelt. So entstand ein neues Gebäude im historischen Gewand – bei Baukosten, die im Vergleich zu einem gleichwertigen Neubau insgesamt nicht viel höher waren.

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