Wahrzeichen aus Holz
Im Zuge der Landesgartenschau in Hemer konnte am 17. April 2010 der Jübergturm als Aussichtsturm der Öffentlichkeit übergeben werden. In neunmonatiger Planungs- und Bauzeit wurde der Turm mit dem statischen Prinzip eines Hyperboloiden gefertigt und aufgerichtet. Das Stabwerk aus Sibirischer Lärche trägt den Turm.
Es ist unter anderem diese einmalige Annäherung an den 23,5 Meter hohen Turm auf dem Jüberg bei Hemer, der ihn so interessant und unvergleichbar macht. Von der Seite der Landesgartenschau kommend, über die sogenannten Himmelsleiter, führt der Weg durch den Mischwald auf den Jüberg. Am Ende der Schneise im Wald, steht auf knapp 300 Meter Meereshöhe kein gewaltiger Turm, sondern ein filigranes Bauwerk, das sich mit seiner Gestalt und Materialität sorgsam in die Landschaft eingliedert. Der Fuß des Turmes entspricht mit einem Durchmesser von sechs Metern genau der Abmessung der Waldschneise. Der Turm weitet sich dann nach oben hin, die Aussichtsplattform hat einen Durchmesser von 8,72 Metern. An der Brüstung beträgt der Durchmesser 9 Meter.
Je höher desto luftiger
Fünf Plattformen (in einer Höhe von 4,38 Meter, 8,75 Meter, 13,13 Meter, 17,50 Meter und 21,88 Meter) gliedern den Turm und geben – je höher es hinauf geht – den Blick frei. Da sich die Zahl der nach oben verlaufenden Lärchenhölzer von Plattform zu Plattform verringert, wird der Turm nach oben immer luftiger, bis schließlich wenig oberhalb der Baumwipfel auf der obersten Plattform der 360 Grad-Blick auf Hemer und die umgebende Landschaften frei wird.
Für das Bauwerk wurde von den Architekten Birk und Heilmeyer aus Stuttgart das Prinzip der hyperbolischen Gitterschalen aufgenommen. Dieses Prinzip zeichnet sich dadurch aus, dass ihre äußere Hülle von Geraden gebildet wird, sodass keine gekrümmten Bauteile erforderlich sind. Diese Konstruktionen sind äußerst stabil und wenig windanfällig. In diesem Fall bilden insgesamt 240 Kanthölzer, die gegenläufig nach oben verlaufen und miteinander verbunden sind, die innere und äußere Ebene der Außenkonstruktion. Jede Ebene besteht aus jeweils 120 Kanthölzern aus Sibirischer Lärche mit einem Querschnitt von 8 x 8 cm.
Durch konstruktive Elemente werden die Lasten abgeführt
Die verspielte Optik des Turmes wird durch unterschiedlich lange Kanthölzer auf der inneren und äußeren Ebene erreicht. „20 mal 6 Hölzer je Stabschale scharen sich um den Turm. Die Anzahl der Einzellamellen der Stabpakete nimmt dabei entsprechend der statischen Beanspruchung von unten nach oben ab. „Holz eins endet kurz über der ersten Plattform, Holz zwei kurz überhalb der zweiten Plattform usw.“, erklärt Architekt Stephan Birk. Zwei Hölzer – das fünfte und sechste – enden dann 1,62 Meter oberhalb der obersten Plattform und bilden gleichzeitig die Brüstung der Aussichtsplattform. „Durch die Kopplung mit horizontal angeordneten Stahlringen entsteht eine statisch effiziente Dreiecksstruktur, bei der lediglich das filigrane Stabwerk trägt. Diese Holzlamellenschale trägt alle einwirkenden vertikalen und horizontalen Lasten ab und ist somit ein reines Stabschalentragwerk“, erklärt Architekt Birk und fügt hinzu: „Unseres Wissens der erste echte Holzstab-Hyperboloid, bei dem lediglich das äußere Stabwerk trägt.“
Stabilisiert werden die Einzelstäbe durch die sogenannten Speichenräder (Podeste) sowie durch je zwei zusätzliche Ringe zwischen den Podesten, die die Knicklänge reduzieren. Die Speichenräder sind aus Stahl ausgebildet und am äußeren Rand gelagert. Zwischen den Podesten spannen sich insgesamt fünf gewendelte Stahltreppen bis ganz nach oben.
Beauftragte Firmen kamen aus dem süddeutschen Raum
Die Lärchenhölzer wurden als Brettschichtholz aus je vier Lamellen vom Unternehmen Holzleimbau Wiedmann in Rheinfelden produziert, bevor die knapp 25 Meter langen Stäbe zur Weiterverarbeitung ins schwäbische Blaustein gebracht wurden. Das dort ansässige Unternehmen Müllerblaustein war für die Weiterverarbeitung und die Montage in Hemer zuständig.
Die Arbeiten standen unter Zeitdruck, denn der Termin zur Landesgartenschau musste eingehalten werden. Mitte November 2009 bis Ende März 2010 waren die Konstrukteure von Müllerblaustein damit beschäftigt, die Werkstattplanung und die Umsetzung der Konstruktion zu koordinieren. Dies erfolgte größtenteils parallel zur Detail- und Anschlussstatik, zu Fragen der Architektur und zur Bauwerksplanung. Hier bedurfte es eines kontinuierlichen Austausches zwischen Projektleiter Thorsten Voss (Müllerblaustein), den Architekten Birk und Heilmeyer sowie den Tragwerksplanern von Knippers Helbig Advanced Engineering (Stuttgart).
Nicht nur die Stabwerkskonstruktion aus Holz musste koordiniert und gefertigt werden, die Stahlbaukonstruktion war eine weitere – im wahrsten Sinne des Wortes – Stütze des Projektes. Von Januar bis Ende März 2010 wurden die Treppen, Podeste und die temporäre Aussteifung gefertigt. Ebenso die Holzbauteile „Im März schlossen wir die Holz-Vormontage in der Werkstatt ab und lieferten die Teile auf die Baustelle“, sagt Thorsten Voss, Projektleiter bei Müllerblaustein.
Knapp 30 Mann im Schichtbetrieb auf Montage
Während bis zu 12 Mitarbeiter in der Vormontage mit dem Holzturm beschäftigt waren und sich insgesamt rund 280 CNC Abbund-Stunden summierten, kam während der Montagezeit in Hemer die Mannschaft mit bis zu 26 Mann an ihre Grenzen. Die Baustelle wurde in diesen sechs Wochen zum Ende hin im Mehrschichtbetrieb gefahren. Zur Früh- und Spätschicht kamen in den letzten zwei Wochen noch Nachtmontagen dazu. „In den letzten drei Wochen gab es keine freien Tage“, beschreibt der Projektverantwortliche Voss die Strapazen. Selbst am Karsamstag und Ostermontag wurde gearbeitet. Die Montage ruhte lediglich am Karfreitag und Ostersonntag. „Der Zeitdruck war für eine der großen Herausforderungen“, sagt Voss im Nachhinein. Alles andere sei technisch lösbar gewesen. Unterstützung an Monteuren für das schwäbische Unternehmen kam von drei anderen Firmen aus dem Holzbaubereich. „Man kennt sich in der Branche und hilft sich aus“, sagt Voss.
Viele Einzelteile ergeben ein Ganzes
An der Baustelle erfolgte die Vormontage von je sechs Stäben zu insgesamt 40 Stabpaketen – 20 für die innere und 20 für die äußere Schale.
Auch bei den Stahlbauteilen bedurfte es einer ausgereiften Logistik. Die maximale Transportgröße wurde ausgereizt. Die Treppenläufe kamen an einem Stück auf die Baustelle, die Podeste wurden in lediglich zwei Segmente unterteilt. Auf der Baustelle fügten sie die Monteure durch biegesteife Schraubverbindungen zusammen.
Treppe-Podest-Treppe-Podest
Dort wurde dann zunächst das stählerne Innere des Turms (Treppen, Podeste) auf einer Hilfskonstruktion errichtet und ausgerichtet. Dabei wurde der Montagerhythmus Treppe-Podest-Treppe-Podest eingehalten. Auch diese Stahlkonstruktion war Sache der Holzbau-Monteure, Unterstützung für Schweißarbeiten kam durch die Metallbaufirma Magg.
Während der Stahlbau-Montage wurden am Boden auf dem Vormontageplatz Stabpakete zusammengebaut. Immer sechs Hölzer (durch Metallverbinder gestützt) ergaben einen Verbund. Für die Innen- und Außenschalung bedurfte es dann je 20 dieser Verbände. Als nächster Schritt wurden die Stabschalen nach und nach von innen nach außen montiert. Dabei wurden sie mit dem Kran angehoben, am Fußpunkt eingefädelt und anschließend am Stahlbau fixiert. Nachdem die Innen- und die Außenschalung stand und die Podeste mit der Holzkonstruktion verbunden werden konnte, wurde sukzessive das 18 Tonnen-Behelfsgerüst wieder abgebaut.
Holzschutz für die Holzkonstruktion
Um die frei bewitterte Holzkonstruktion zu schützen wurden gemäß DIN 68 800 Teil 3 die Hölzer bereits vor dem Aufrichten mit einem vorbeugenden chemischen Holzschutz versehen. Die Hirnholzflächen werden vor der Witterung durch einfache Abdeckbleche geschützt. Im Hinblick auf den konstruktiven Holzschutz wurde bei der Ausbildung von Detailpunkten darauf geachtet, stehendes Wasser konsequent zu vermeiden. Zudem sorgt ein permanenter leichter Wind am Jüberg dafür, dass es bei Feuchtigkeit zu einer schnellen Abtrocknung kommt.
In nur neun Monaten zu einem neuen Wahrzeichen
In nur neun Monaten (von der Beauftragung bis zu Eröffnung der Landesgartenschau) war die Planungsphase und Bauphase sehr kurz. „Da die Planung der Statik, Anpassungen an den Entwurf und die Fertigung parallel liefen, war die Koordination aller Gewerke und die Abstimmung der Bauphasen die größte Herausforderung“, sagt Thorsten Voss zurückblickend. Wöchentliche Besprechungen in Stuttgart mit den Architekten und den Tragwerksplanern gehörten ebenso dazu wie die dreiwöchige Non-Stop-Phase auf der Baustelle in Hemer.
Der Jübergturm ist durch seine exponierte Lage von weither sichtbar und schon jetzt ein Wahrzeichen von Hemer. Im Zuge der Landesgartenschau wurde er von den Besuchern stark frequentiert und ist in der Stadt heute vollständig akzeptiert.
240 Kanthölzer bilden den ersten echten Holzstab Hyperboloiden
„Die Koordination aller Gewerke und die Abstimmung der Bauphasen war die größte Herausforderung“
Pläne
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