Initiative will bezahlbaren Wohnraum fördern
Nicht nur mit Blick auf Flüchtlingsunterkünfte brauchen wir die von NRW-Bauminister Michael Groschek geforderte „Willkommenskultur für Bagger“, denn die Schaffung bezahlbaren Wohnraums ist eine „doppelte Integrationsaufgabe“, bei der auch die just gegründete „initative bezahlbarer Wohnungsbau“ hilft.
Wir stehen gesellschaftlich an einem Punkt, an dem wir bei zurzeit stark rückläufigen Flüchtlingszahlen für die Menschen, die in unserem Land bleiben dürfen, dauerhafte Unterkünfte schaffen müssen. Die Bilder der massenhaft in Hallen untergebrachten Flüchtlinge dürften damit hoffentlich bald der Vergangenheit angehören. Wir alle wissen, dass ein paar Quadratmeter Hallenfußboden, notdürftig von Planen oder mobilen Stellwänden zu einem Raum gezäunt, wenig mit einer menschenwürdigen Unterkunft zu tun haben.
Vom Zelt zur Leichtbauhalle
Notunterkünfte zur Erstunterbringung, in denen Flüchtlinge nur für kurze Zeit bleiben sollen, nehmen mittlerweile einen etwas dauerhafteren Charakter an. Der Grundriss von Hallen wird dann in Trockenbauweise in Wohnkabinen aufgeteilt. Es sind damit auch nicht mehr Hunderte von Menschen, die in einer Halle untergebracht werden, sondern beispielsweise maximal 35, wie dies beim Umbau einer Turnhalle aus den 1960er Jahren in Ahaus der Fall ist.
Aus den Zelten, in denen man Flüchtlinge im Sommer untergebracht hatte, sind Ende vergangenen Jahres winterfeste Leichtbauhallen geworden. So entwarf Jan Schabert vom Büro günther & schabert Architekten in München drei Leichtbauhallen, die ergänzt um einige Container 230 Personen aufnehmen können. Insgesamt sind über die Stadt München derzeit rund 20 Leichtbauhallen verteilt.
In Berlin baut die Thies Holzbau GmbH auf dem Tempelhofer Feld zurzeit nach Plänen einer Architektengemeinschaft ein Tragwerk aus gebogenen Brettschichtholzbindern auf, das im Sommer mit einer Membran bespannt werden soll. In den rund 2,2 Millionen Euro teuren Hallen soll den im Flughafengebäude untergebrachten Flüchtlingen ein vielfältiges Bildungsangebot ermöglicht werden.
Container für die Erstaufnahme
Container aus Holz, Beton, Metall und in Leichtbauweise errichtet bieten sich als schnelle und flexible Lösung zur Erstunterbringung von Flüchtlingen an. Sie können modular zu Unterkünften für vergleichsweise wenige Menschen bis hin zu ganzen Siedlungen aneinander und aufeinander gesetzt werden. Letzteres birgt allerdings zu einem gewissen Maße immer die Gefahr einer Ghettoisierung. Zum Glück kann man die Container später aber wieder auseinandernehmen, an einen anderen Ort bringen beziehungsweise sie leicht für eine andere Nutzung umbauen.
Beim mobilen Wohnsystem der Futuretech, einem Unternehmen der Kärcher Gruppe, handelt es sich beispielsweise um Faltcontainer, die aus wärmegedämmten Sandwichpaneelen vor Ort montiert werden. Die Bauelemente des eigentlich für den Auslandseinsatz der Bundeswehr entwickelten Wohnsystems lassen sich einfach transportieren und stapeln, da sie zerlegbar und damit schnell auf- und wieder abgebaut sind. Bei dem erweiterbaren Modulsystem können bis zu 84 Personen auf zwei Etagen untergebracht werden.
In Essen baute die GVE Grundstücksverwaltung Stadt Essen GmbH für rund 35 Millionen Euro eine Erstaufnahmeeinrichtung aus Leichtbaucontainern, die mit zehn Wohn- sowie weiteren Multifunktionsgebäuden und Räumlichkeiten für die Registrierung und Gesundheitsuntersuchung von Flüchtlingen kostendeckend über einen Zeitraum von 25 Jahren an das Land NRW vermietet wurde. Seit Beginn dieses Jahres sind dort auf einer Gesamtfläche von rund 14 500 m2 800 Flüchtlinge untergebracht. Die in 14 Monaten errichteten Gebäude bestehen aus insgesamt 270 Modulen, die aus Stahlprofilen vorgefertigt auf- und aneinander gesetzt wurden. Für einen ausreichenden Wärmeschutz sorgt ein WDVS sowie Rauputz und Farbe für ein zusammenhängendes Erscheinungsbild der Module als Gebäude.
Initiative für bezahlbaren Wohnungsbau
Die Containersiedlungen bleiben städtebaulich und architektonisch schwierig, weil sie schnell und unter enormem Kostendruck aufgebaut werden mussten. Es sind aber nicht nur Flüchtlinge, die künftig nach günstigem Wohnraum suchen. Es mangelt schon seit Jahren an bezahlbaren Wohnungen für Geringverdiener und Studenten – vor allem in Ballungszentren. Bis 2018 rechnet man hierzulande mit mehr als einer halben Million Wohnungsloser. Die Zuwanderung hat diesen grundsätzlichen Mangel an günstigem Wohnraum noch verschärft.
Daher bedarf es eines übergreifenden gesellschaftlichen Engagements für den kostenbewussten Wohnungsbau, oder wie Vizekanzler Sigmar Gabriel es nennt: einer „doppelten Integrationsaufgabe“. „Denn es geht um die Integration der Flüchtlinge und um die Stärkung des Zusammenhalts in unserer Gesellschaft“, sagt Bundesministerin Barbara Hendricks in dem Video, das wir auf der Kommunalkonferenz „Zuwanderung und integrierende Stadtgesellschaft – Was folgt nach der Erstunterbringung“ Mitte März in Berlin gedreht haben. Die schnelle und einfache Lösung ist daher mittlerweile keine mehr.
Aus dieser Überlegung heraus gründete das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit in Berlin gemeinsam mit dem Deutschen Architekturmuseum (DAM) in Frankfurt, das für den deutschen Pavillon auf der Architekturbiennale in Venedig verantwortlich ist, und dem Bauverlag in Gütersloh, in dem auch die Zeitschrift bauhandwerk erscheint, die „initiative bezahlbarer Wohnungsbau“. Ziel dieser Initiative ist es, dazu beizutragen, dass künftig mindestens 350 000 Wohnungen pro Jahr fertiggestellt werden.
Die Bundesregierung hat, was die Finanzierung dieses Vorhabens anbelangt, schon mal positive Signale ausgesendet: Das Bundeskabinett hat Ende März die Eckdaten für den Bundeshaushalt 2017 beschlossen, wonach den Ländern für den Wegfall der Finanzhilfen des Bundes zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus in den Jahren 2017 bis 2019 Kompensationsmittel von über einer Milliarde Euro pro Jahr zufließen. Darüber hinaus sieht der Kabinettsbeschluss vor, weitere 500 Millionen Euro pro Jahr für ein Wohnungsbauprogramm zugunsten sozialer Brennpunkte und jährlich 300 Millionen Euro zusätzlich für den Bereich „Soziale Stadt“ zur Verfügung zu stellen. Mit Geld allein ist es bekanntlich nicht getan. Auch der Verwaltungsaufwand für den Bau von Flüchtlingsunterkünften und von bezahlbarem Wohnungsbau insgesamt muss von den Landesbauordnungen bis hin zu den regionalen Bebauungsplänen reduziert werden. Dies betrifft die Stellplatzverordnung ebenso wie die Barrierefreiheit und die EnEV. Und es muss ausreichend Bauland ausgewiesen werden, auf dem dann auch tatsächlich gebaut werden kann. Der NRW-Bauminister Michael Groschek fasst solche Forderungen mit seiner „Willkommenskultur für Bagger“ zusammen.
Massiv erbaute dauerhafte Unterkünfte
Für die Unterbringung derjenigen Flüchtlinge, die langfristig in Deutschland bleiben dürfen, bedarf es dauerhafter und damit nachhaltiger Neubauten. Hier bietet sich zum einen der Holzbau, aber ebenso gut der Massivbau an. In Ahaus errichtete die Stadt nach Plänen des Architekturbüros Tenhündfeld eine dauerhafte Unterkunft für 35 Flüchtlinge, wobei die Zimmer aus aktuellen Gründen zurzeit doppelt belegt sind. Beim Gebäude handelt es sich um eine massiv aus Kalksandstein mit einer Ziegelvorsatzschale errichtete zweigeschossige Flüchtlingsunterkunft. Für einen ausreichenden Wärmeschutz sorgt Mineralwolle zwischen den Mauerschalen.
In Hannover stellte die kommunale Gesellschaft für Bauen und Wohnen Hannover mbH (GBH) Ende April nach Plänen des Büros ksw architekten + stadtplaner in Hannover-Nordstadt für rund 4,6 Millionen Euro eine nicht nur massiv, sondern auch monolithisch erbaute viergeschossige Unterkunft für 50 Flüchtlinge fertig. Die in Ziegelbauweise aus dem Poroton-S10-MW von Wienerberger in einer Wanddicke von
42,5 cm errichteten Außenwände erreichen mit 1,5 cm Innen- und 2 cm Außenputz einen U-Wert von 0,22 W/m²K und passen im Ergebnis damit gut zum geforderten Niveau KfW-Effizienzhaus 70. Das hält die Betriebskosten niedrig und ist aus energetischer Sicht nachhaltig. Weitsicht bewiesen die Auftraggeber und Projektbeteiligten auch mit einem modifizierbaren Nutzungskonzept nach zehn Jahren: Die Flüchtlingsunterkunft wird dann zu Sozialwohnungen. Deshalb wurde ein Teil der Innenwände auch in Trockenbauweise errichtet, damit Änderungen an den Grundrissen später weitgehend problemlos möglich sind.
Nachverdichtung, Konversion und Umbau
Wo Bauland knapp ist, was in Ballungszentren in der Regel der Fall ist, muss der Bestand nachverdichtet, umgenutzt und umgebaut werden. Bundesimmobilien werden zum Beispiel zur Unterstützung der Kommunen, Gemeinden und Länder für den Zweck des sozialen Wohnungsbaus von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) vergünstigt abgegeben. Dies führte bereits zur Konversion militärischer Liegenschaften der Alliierten zu Erstaufnahmeeinrichtungen.
Für die dauerhafte Unterbringung von Flüchtlingen bieten sich zur städtischen Nachverdichtung die Flachdächer von öffentlichen und von Verwaltungsbauten an, auf die weitere Geschosse aufgesetzt werden können.
Und natürlich bietet nicht nur angesichts eines enormen Leerstands auch der Gebäudebestand an sich ein großes Potential für den Umbau zu Flüchtlingsunterkünften. So wurde in diesem Monat der Umbau eines Mehrfamilienhauses in Solingen nach Plänen des Büros Ladleif Architekten als langfristige Unterkunft für Flüchtlingsfamilien mit anerkanntem Status abgeschlossen. Nach der Sanierung inklusive Umnutzung der leer stehenden Gastronomie im Erdgeschoss entstanden für 641 Euro je Quadratmeter Bruttogeschossfläche neun Wohnungen mit Balkonen; zwei haben einen Terrassenzugang.
Dass der Umbau für Flüchtlinge aber nicht ausschließlich ein Thema unserer Tage ist, zeigt die Sanierung von Gründerzeitbauten in der Harzer Straße in Berlin: Dort baute die Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft nach Plänen des Architekten Benjamin Marx schon 2012 acht Häuser mit insgesamt 137 Wohnungen für Sinti und Roma um.
Diese Beispiele zeigen, dass sich auch im Bestand bezahlbarer Wohnraum für Flüchtlinge realisieren lässt. Und natürlich gibt es auch viele gelungene Beispiele für neu aus Holz erbaute Flüchtlingsunterkünfte. Diese stellen wir in der kommenden Ausgabe der zur bauhandwerk gehörenden Zeitschrift dach+holzbau vor.
Weitere Informationen finden Sie auch im Internet unter www.initiative-bezahlbarer-wohnungsbau.de
Es sind aber nicht nur Flüchtlinge, die künftig nach günstigem Wohnraum suchen