Leserbrief zu bauhandwerk 11.2021, Seite 1, Editorial

Sehr geehrter Herr Wieckhorst,

mit Interesse habe ich Ihr Editorial in Ihrer Zeitschrift gelesen und möchte dazu einige Anmerkungen machen: Ich führe nunmehr meinen Betrieb (0,00 Arbeitnehmer sind beschäftigt) seit 13 Jahren in Vollzeit, selbständig seit 2004 (nebenher). Mein Tätigkeitsfeld umfasst die Zimmerei, nebenher nehme ich noch planerische Leistungen (als Dipl.-Ing. Arch.) wahr, so wie die Arbeit gerade anfällt. Mir macht das alles große Freude.

Seit August dieses Jahres (2021) bilde ich einen Azubi aus. Ich teile mir die Ausbildung dieses jungen Mannes (er ist 18 Jahre alt) mit einem befreundeten Partnerbetrieb je zur Hälfte. Der Grund für die Ausbildungsteilung ist: Ich bin Soloselbständiger.

Nach Auslotung der Sachlage nach Bekanntwerden des Ausbildungswunsches des jungen Mannes habe ich mich gekümmert und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Ausbildung in meinem „Einmann-Betrieb“ nicht realisierbar ist aufgrund der derzeitigen Umstände beziehungsweise auch Kosten. So muss ich zum Beispiel Mitglied in der SOKA-Bau sein, will ich denn die überbetrieblichen Ausbildungskosten (circa 30 T €) von der SOKA-Bau erstattet bekommen. Das setzt voraus, dass ich mindestens drei Monate vor Mitgliedschaft SOKA-Bau einen geringverdienenden gewerblichen Arbeitnehmer einstellen muss. Außerdem muss ich eine Lohnbuchhaltung einrichten, gegebenenfalls Beiträge bei der zuständigen Bauberufsgenossenschaft abführen, um nur einige Maßgaben zu nennen. Dann ist ja ein Azubi meistens in der überbetrieblichen Ausbildung (Berufsschule und Lehrbaustelle) befindlich, ich kann ihn also nicht auf Baustellen mitnehmen und somit auch nicht abrechnen.

Da ich den jungen Mann aber nicht enttäuschen wollte (...) habe ich mich nach einer anderen Ausbildungsmöglichkeit umgesehen. Da hatte ich Glück: Meine Partnerfirma (...) erklärte sich dazu bereit, diesen jungen Mann auszubilden mit der Maßgabe, dass wir uns die Ausbildungsvergütung teilen. So machen wir das jetzt.

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, ich möchte mich hier nicht beschweren beziehungsweise beklagen. Ich möchte damit sagen, dass auch „Einmannbetriebe“ ausbilden können, sind aber durch gesetzliche Bestimmungen/Rahmenbedingungen beziehungsweise auch durch ihre Leistungsfähigkeit (= Umsatzfähigkeit) und den damit verbundenen Kosten für eine Ausbildung gegenüber den größeren Betrieben finanziell benachteiligt. (...) Ich finde, auch Kleinstfirmen, so wie ich es bin, sollten eine Chance erhalten, ihr Wissen an junge, interessierte und engagierte Menschen weiter geben zu können. Da sollte die Gesetzgebung Erleichterungen (zum Beispiel Steuerfreibeträge etc.) für Firmen wie mich erlassen, werde ich doch steuerlich genauso behandelt wie größere Unternehmungen. Ab einer gewissen Mitarbeiterzahl rechnet sich demnach eine Ausbildung für den Betrieb, leider kann es sich nicht für Kleinstunternehmen rechnen, wie ich erfahren musste.

Ich meine, auch die Kleinstbetriebe sollten nicht aufgrund dieser widrigen Umstände am Ausbilden gehindert werden, auch hier kann gegen drohenden Fachkräftemangel entgegengewirkt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Lars Oliver Witzel

Dipl.-Ing. (FH) Architektur, zertifizierter Bau-Sachverständiger, Ing.-Holzbau, Zimmerei und Bauplanung Witzel, Hessisch Lichtenau

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