Der „Renault Trafic E-Tech“ im Praxistest

Mit dem „Trafic E-Tech“ bringt Renault Trucks einen Transporter mit Elektroantrieb auf den Markt. Wir haben das Modell „L2H1“ der Red Edition getestet, dessen Bruttolistenpreis bei 59 800 Euro liegt. Der lange Kerl mit knapp fünfeinhalb Metern (5,48 m) scheint unauffällig.

Der „Trafic E-Tech“ reiht sich ein in das funktionale Design der neuen Generation an Bullys, Tourneos, Proaces, Spacetourers, Starias und Zafiras. Doch Renault-typisch fällt auf, dass beim Testwagen doch ein paar kleine Gadgets verbaut sind, die zumindest das Handling erleichtern, wenn nicht sogar Spaß machen. Der „E-Tech Trafic“ wird übrigens bei Renault Trucks und Pkw angeboten. Die Plattform teilt sich der französische Hersteller mit Nissan.

Fahrerkomfort, Sitzgefühl und Reichweite

Vor allem für große Menschen ist es in der Fahrerkabine nicht besonders komfortabel Vor allem für große Menschen ist es in der Fahrerkabine nicht besonders komfortabel
Foto: Michael Sudahl

Vor allem für große Menschen ist es in der Fahrerkabine nicht besonders komfortabel
Foto: Michael Sudahl
Beim Einsteigen in den E-Kastenwagen mit den roten Gurten fällt gleich der erste Kompromiss auf: Maximale Ladefläche contra Fahrerkomfort. Obwohl der Autor mit 1,87 m Körperlänge nicht zu den ganz großen Menschen gehört, bleibt das linke Bein – trotz Einrasten des Fahrersitzes in der hintersten Rille – leicht angewinkelt. Zweimeter-Typen haben wohl noch weniger Platz für ihr langes Beinwerk.

Und trotzdem gleicht das Sitzgefühl, trotz Blechwand im Rücken und Fahrzeuglänge dem eines Pkw-Drivers. So lassen sich auch lange Fahrten bequem überstehen. Obwohl: Mit einer angegebenen Reichweite von 297 km (mixed WLTP) beziehungsweise 394 (urban) gehört das 90 kW-Gefährt (120 PS) mit einem maximalen Drehmoment von 245 Nm nicht zu den Langstrecklern – wie derzeit alle E-Transporter. Erfreulich: Die 52 kWh Lithium-Ionen-Batterie ist in 50 Minuten von 15 auf 80 Prozent gefüllt, so der Hersteller.

Bei 110 km/h ist Schluss

Zudem ist der „E-Tech“ bei der Geschwindigkeit abgeregelt. Bei 110 km/h ist Schluss – die Tachoanzeige endet bei 170. Dürfte der Diesel-Variante des Trafics geschuldet sein. Die darf schneller düsen. Die Abriegelung dient sicher auch dem Reichweitenversprechen. Denn die Stromer aller Hersteller sind ab Tempo 120 große Gierschlunde. Jeder Kick-down drückt die Reichweite. Was auch bei mehrmaligem Tiefeneinsatz des Strompedals schnell im Display zu sehen ist. Ansonsten schnurrt der „E-Tech Trafic“ – man möge das Wortspiel verzeihen – sauber los. Bestellt ist der Testwagen mit Zuladung. Auf der Hinterachse hockt eine Europalette mit gut verschnürten Granulat-Säcken. 750 kg sollen ein reales Fahrgefühl für den Transporter vermitteln.

Flügeltüren am Heck, Schiebetüren an den Seiten

Die linke Flügeltür am Heck kann einseitig geschlossen werden Die linke Flügeltür am Heck kann einseitig geschlossen werden
Foto: Michael Sudahl

Die linke Flügeltür am Heck kann einseitig geschlossen werden
Foto: Michael Sudahl
Dabei hat der kleine Truck mit 8,9 m³ ein ordentliches Ladevolumen. Unterstützt wird das Ganze von zwei Gimmicks: Die linke Flügeltür am Heck kann einseitig geschlossen werden. Kombiniert mit einer Klappe, die einen Zuladeschacht unter dem Beifahrersitz öffnet, kann 5 m lange Stangenware transportiert werden. Mit roten Fähnchen dran, versteht sich. Eine schöne Option für Metallprofile, Holzsparren oder dergleichen.

Das Testmodell hat zudem zwei Schiebetüren, was das Be- und Entladen deutlich vereinfacht. Auch die Türöffnungen sind dank der Gesamtlänge des Fahrzeugs angenehm groß. In der Fahrerkabine finden sich ­weitere Überraschungen. So ploppt das Handschuhfach auf der Beifahrerseite nicht plump nach unten – wie in diversen Automodellen – sondern wird per Federzug sachte herausgeschoben. Wohlgefällig und so nicht zu erwarten, in einem Nutzfahrzeug.

Gut ­gemacht! Gleiches gilt für die nach vorne klappbaren Sitzflächen der Beifahrersitze. Darunter findet sich Stauraum, etwa für die Ladekabel. Die übrigens in unterschiedlichen Längen konfigurierbar sind. Wer also immer zuhause oder im Betrieb lädt, und nicht auf öffentliche Ladepunkte angewiesen ist, der kann kurze Ladekabel ordern. Lästige Stolperfallen sind damit passé.

Von sportlich bis Eco

Alle Türe offen: Die beiden Schiebetüren vereinfachen das Be- und Entladen deutlich Alle Türen offen: Die beiden Schiebetüren vereinfachen das Be- und Entladen deutlich
Foto: Michael Sudahl

Alle Türen offen: Die beiden Schiebetüren vereinfachen das Be- und Entladen deutlich
Foto: Michael Sudahl
Nun geht die Testfahrt aber los. Von Schorndorf aus startend, das östlich von Stuttgart liegt, klettert der Van über den schwäbischen Schurwald. Die 200 Höhenmeter erklimmt der gut beladene „E-Tech“ sportlich. Wenn die vollen 1160 kg Zuladung ausgeschöpft sind, mag der Trafic kurzatmiger werden. Doch die 750 kg Granulat im Rücken steckt er gekonnt weg. Das zulässige Gesamtgewicht liegt Transporter-üblich bei drei Tonnen (3070 kg).

Erwähnenswert ist beim „E-Tech Trafic“ die „Eco“-Taste. Denn sie nimmt ihren Namen ernst. Wer den Knopf, der unterhalb des Touchscreens liegt, drückt, dämpft seinen Stromfuß. Was beim Fahren sofort bemerkbar wird, zeigt sich auch in der Power-Anzeige, die links neben dem Tacho liegt und den Drehzahlmesser ersetzt. Der Eco-Modus hält die Nadel gnadenlos im grünen Bereich. Das schont den Energieverbrauch und spart Strafzettel. Denn wo Stromer schnell mal über die 30 beziehungsweise 50 Stundenkilometer-Grenze innerstädtisch hinausschießen, hilft der Eco-Fahrstil die Regeln zu achten. Falls das Absicht war: Chapeau! Gut gemacht, ihr Renault-Ingenieure.

Infotainment

Das gilt auch für das Infotainment-System. Die Kopplung mit dem iPhone des Fahrers klappt binnen Sekunden. Playlist hören, Radiosender finden und die Routennavigation funktionieren vom Handy aus einwandfrei. Die Grafik auf dem Touchscreen ist ein bisschen Retro und 2000-er like. Aber was solls, selten so schnell verbunden gewesen!

Autor

Michael Sudahl ist als freier Journalist bei der Agentur Der Medienberater Fromm Sudahl in Schorndorf tätig.

Schnell-Check

Erster Eindruck: Der „Renault E-Tech Trafic“ kommt unauffällig, aber gefällig daher. Renault-typisch sind ein paar durchdachte Gimmicks, wie die Eco-Taste, die sich ernst nimmt. Oder die lange Fahrzeuglänge, die, mit langem Radstand kombiniert, fast neun Kubikmeter Ladevolumen liefert.

Fahr(er)gefühl: Drive like a Boss. Man sitzt wie im Pkw. Ja gut, die Federung ist nicht wie im Auto. Aber die 5,48 m Fahrzeuglänge sind zu keinem Zeitpunkt lästig. Für lange Kerle dürfte die Sitzverstellung zu knapp bemessen sein. Aber wie singen schon die Stones: You can´t always get, what you want.

Öko-Check: Mit seinem 90 kW-Motor und 110 km/h in der abgeriegelten Spitze liefert der Van, was er soll. Bodenständig und solide. Bergauf sogar sportlich. Gleiches gilt für den Energieverbrauch: Mit 22 kWh pro 100 km im WLPT-Zyklus ist der „E-Tech“ kein Supersparer – sondern eher Mittelmaß.

Hands-on: Die Zuladung mit 1,16 Tonnen ist für einen E-Transporter im oberen Drittel anzusiedeln. Vergleichbare Modelle mit Stern oder aus Wolfsburg tragen weniger Last. Und der Laderaum ist um ein Fach erweiterbar für lange Gegenstände, das ist ein pfiffiges Argument.  

Was haften bleibt: Drei Klicks und einen Code eintippen und das Handy ist mit dem Trafic „connected“ verbunden, ganz ohne App runterzuladen oder einem mehrfachen Abbruchdrama. Rechts daneben ist die Schublade mit „drive“. Nicht unbedingt nötig, aber elegant. Und auch der Eco-Modus funktioniert vorbildlich.

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