Instandsetzung des Einsteinturms in Potsdam
Die Geschichte des 1922 in Potsdam nach Entwürfen von Erich Mendelsohn fertiggestellten Einsteinturms ist auch die Geschichte seiner Sanierung. Immer wieder traten Schäden auf. Im Herbst dieses Jahres kam die vorerst letzte Instandsetzung zu ihrem Abschluss.
Der Einsteinturm entstand in den Jahren 1920 bis 1922 nach Plänen des Architekten Erich Mendelsohn auf dem Potsdamer Telegraphenberg. Bei dem nach Albert Einstein benannten Gebäude handelt es sich um ein Sonnenteleskop, das vom Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) betrieben wird. Um Einsteins Relativitätstheorie experimentell zu beweisen, plante Erwin Finlay Freundlich, Astrophysiker an der Sternwarte Babelsberg bei Potsdam, ein eigens dafür vorgesehenes Observatorium. Mit dem Bau wurde Mendelsohn beauftragt. Er entwarf einen Turm im Turm: Innen ein Turm aus Holz mit Metallverbindungen und ein System aus Spiegeln und Linsen, das das Sonnenlicht in ein unterirdisches Laboratorium leitet, eingehüllt von einem Turm aus Ziegelstein, der statisch davon entkoppelt ist. Im 20 m hohen Turm befindet sich ein Linsenobjektiv mit 60 cm Durchmesser und ein optisches Labor mit einem Spektrographen, der das Licht der Sonne für weitere Analysen in seine Farbbestandteile zerlegt.
Der Einsteinturm in Potsdam nach Abschluss der Instandsetzungsarbeiten im Herbst dieses Jahres
Foto: Thomas Wolf / Wüstenrot Stiftung
Die sich daraus ergebende äußere Form ist organisch und zeigt Anklänge an den Expressionismus wie an den Jugendstil, entzieht sich aber diesen Stilrichtungen und betont die Eigenständigkeit des Entwurfs von Mendelsohn. Dieser hätte das Gebäude am liebsten ganz aus Stahlbeton errichten lassen. Was heute wie selbstverständlich erscheint, war damals eine enorme Herausforderung: Das Bauen mit Beton war noch vergleichsweise neu, und die damalige Betonqualität lässt sich nicht mit der von heutigem vergleichen. Mit der Schalung ungewöhnlicher Formen lagen kaum Erfahrungen vor. Und wohl auch deshalb wurden nur der Kuppelkranz, die Außenwände der Anbauten sowie die Terrasse und deren Treppe aus Beton errichtet. Der Rest, also der komplette Turmschaft, wurde aus Ziegeln gemauert. Dass das Gebäude trotzdem so aussieht, als bestünde es komplett aus Beton, liegt daran, dass die Handwerker das Ziegelmauerwerk und den Beton seinerzeit mit einer Schicht Spritzputz überzogen. Diese Mischbauweise ist auch der wesentliche Grund für die bereits früh einsetzenden Bauschäden.
Dauerbaustelle Einsteinturm
Schon fünf Jahre nach Fertigstellung wurde eine erste Sanierung erforderlich. Unterschiedliche Materialien haben auch verschiedene thermische Ausdehnungskoeffizienten. Diese wurden der Mischbauweise zum Verhängnis: Risse, Rostschäden und Durchfeuchtungen waren die Folge. 1927 fand die erste umfassende Sanierung statt. Zum Schutz des Gebäudes wurden damals Bleche angebracht. Doch diese schadeten der Bausubstanz letztendlich mehr, als dass sie ihr nutzten. Schon 1940 und 1941 waren weitere Sanierungsarbeiten notwendig. Auch der Zweite Weltkrieg hinterließ Schäden an der Kuppel, die 1950 behoben waren. Danach wurden in regelmäßigen Abständen von wenigen Jahren bis in die Mitte der 1980er Jahre Reparaturen am Einsteinturm durchgeführt. Zu Beginn der 1990er Jahre war die Existenz des Einsteinturms substanziell bedroht. Schließlich nahm sich die Wüstenrot Stiftung des Gebäudes an und nahm die bis dahin gründlichste Sanierung vor. Gründlich deshalb, weil dieser Sanierung eine umfangreiche Untersuchung und detaillierte Kartierung der Schadstellen vorausging. Schon damals achtete man sehr darauf, möglichst viel von der originalen Bausubstanz zu erhalten. Die Wüstenrot Stiftung kann durch diese 1999 erfolgreich abgeschlossene Sanierung auf ein beträchtliches historisches, bauphysikalisches und praktisches Wissen im Umgang mit dem Einsteinturm zurückgreifen. Gerade bei diesem Gebäude spielt das eine wichtige Rolle, da es nicht nur als solches, sondern auch einschließlich seiner Baufehler denkmalgerecht bewahrt werden sollte. Diese erste von der Wüstenrot Stiftung verantwortete Instandsetzung hatte einen nachhaltigen Effekt. Das bis dahin übliche Sanierungsintervall des Einsteinturms verdoppelte sich von etwa zehn Jahren auf über 20 Jahre.
Ziel der neuerlichen Instandsetzung
Zunächst befreiten die Handwerker die Fassade von Algen und Verschmutzungen mit einem Wasserstrahlgerät
Foto: Roland Schulze Baudenkmalpflege
Außen und innen waren jedoch erneut Schäden aufgetreten. Dazu gehörten Risse im Putz, Schäden an Oberflächen und Wassereintritte an undichten Stellen. Abermals gestützt auf gründliche Voruntersuchungen und eine sorgfältige Planung wurden seit 2022 Turm und Kuppel unter Berücksichtigung der denkmalgerechten Nutzung restauriert und repariert. Mit Mitteln der Getty Stiftung aus Los Angeles wurde zudem eine Simulationsberechnung zum Wärme- und Feuchteverhalten erstellt, die zusätzliche Erkenntnisse hervorbrachte.
Beide Sanierungsphasen wurden von der Wüstenrot Stiftung operativ durchgeführt und finanziert. Auf Grundlage der letzten Instandsetzung und der seitdem durchgeführten regelmäßigen Begutachtungen durch den Architekten Helge Pitz entwickelte die Wüstenrot Stiftung gemeinsam mit dem Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam ein detailliertes Konzept für eine erneute Grundinstandsetzung des Einsteinturms. Das schließlich mit der Instandsetzung beauftragte Architekturbüro Kühn- von Kaehne und Lange aus Potsdam baute auf all diesem Wissen auf und erarbeitete ein neues Instandsetzungskonzept. Ziel dieses Konzeptes war eine behutsame, denkmalgerechte Reparatur des Einsteinturms.
Behutsame Instandsetzung der Fassade
Risse weiteten die Handwerker auf, um sie anschließend zuverlässig zu verschließen
Foto: Architekturbüro Kühn- von Kaehne und Lange
„Die Instandsetzung folgt dem Konzept der kleinflächigen Reparatur, um die Modellierung der Oberfläche möglichst authentisch zu bewahren und die Geschichte der Instandsetzung mit den unterschiedlichsten Materialien fortzuschreiben“, so die Architekten des Büros Kühn- von Kaehne und Lange. Zunächst befreiten die Handwerker die Fassade von Algen und Verschmutzungen mit einem Wasserstrahlgerät. Nun konnten die neu entstandenen Risse im Putz ausgebessert werden. Hierzu weiteten die Handwerker die Risse behutsam auf, um sie anschließend zuverlässiger schließen zu können. Auch über einigen Fenstern zeigten sich Risse, verursacht durch die Stahlträger der Stürze. Diese legten die Handwerker frei, entrosteten sie, trugen Korrosionsschutz auf, bevor sie die entsprechenden Stellen wieder verschlossen.
Horizontale Flächen der Fassade wurden mit einem Flüssigkunststoff auf PMMA-Basis abgedichtet
Fotos: Roland Schulze Baudenkmalpflege
Die horizontalen Flächen der Fassade mussten vor Regenwasser geschützt werden. Schon bei der vorangegangenen Sanierung hatte man Flüssigkunststoff auf die Fensterbrüstungen aufgetragen. Nach mehr als 20 Jahren war dieser verwittert und löste sich ab. Man entschied sich dazu, diese Stellen wieder mit einem Flüssigkunststoff auf PMMA-Basis der Firma Triflex abzudichten. Danach erhielt der Turm einen Anstrich mit einer Kieselsol-Silikatfarbe der Firma Keimfarben in Ocker – dem Farbton, den man 1999 unter den Bleiabdeckungen entdeckt und als ursprüngliche Farbfassung identifiziert hatte. Auch innen wurde der Putz kleinteilig ausgebessert, alle Wände neu gestrichen und die Böden behandelt.
Reparatur der Dächer und Kuppel
Auftrag der Ausgleichschicht Kappendecke als Unterbau für die EPDM-Bahnen
Foto: Roland Schulze Baudenkmalpflege
Ursprünglich waren die Dächer mit Ruberoid Dachpappe und später mit Teerpappe gedeckt.1974 hatte man darüber eine Stehfalzabdeckung aus verzinntem Kupferblech angebracht. Dieser Aufbau heizte sich durch die Sonnenstrahlung extrem auf, was die Abgabe giftiger Gase in die Innenräume zur Folge hatte – sehr ungünstig, wenn sich unter einem der Dächer ursprünglich auch noch ein Schlafraum befand. Heute wird der Raum allerdings als Büro genutzt. Daher mussten die Handwerker den gesamten Dachaufbau bis auf die Hohlziegel, aus denen die gewölbten Dächer gemauert sind, zurückbauen. Auf die Hohlziegel brachten die Handwerker eine Ausgleichsschicht auf, um die ursprüngliche Form der Dächer wieder herzustellen. Auf diese legten die Dachdecker EPDM-Bahnen (EPDM steht für Ethylen-Propylen-Dien-Monomer-Kautschuk) und montierten darauf die neue Dacheindeckung aus Zinkblech.
Auf den EPDM-Bahnen montierten die Dachdecker die neue Dacheindeckung aus Zinkblech
Foto: Thomas Knappheide
An der Kuppel musste nur ein kleiner Teil morschen Holzes ausgetauscht werden. Die entfernten Teile nutzten die Zimmerleute als Schablone für die neu anzufertigenden Hölzer. Dann wurde die Kuppel wie die anderen Dachflächen behandelt.
Sowohl die Kuppel, als auch die Dachflächen wurden im gleichen Farbton wie der Turm gestrichen. Über die Farbe der Fassade lagen gut dokumentierte bauliche Befunde vor. Diese Fassung folgt der Idee, dass Mendelsohn die Kuppel und die flachgewölbten Dächer über den Anbauten organisch aus der Gesamtmasse heraus modellierte.
Quellschlauch, Polyurethan-Verfugung und PE-Folie
Insbesondere die Mischbauweise aus Ziegeln und Beton ist weiterhin eine der größten Schadensursachen, die den Erhalt des Einsteinturms gefährden. Dort wo beide Baustoffe aufeinandertreffen, ergeben sich bauphysikalische Probleme, die in Form von Rissen zu Tage treten. Dies war insbesondere an der Kuppel der Fall, da hier der Stahlbeton des Kuppelkranzes direkt mit dem Ziegelmauerwerk des Turmschafts verbunden ist. Aufgrund des thermischen Verhaltens beider Baustoffe variiert auch die Größe der Fuge zwischen den unterschiedlich konstruierten Bauteilen. Bei der letzten Instandsetzung hatte man versucht, darauf mit einem flexiblen Fugenmaterial zu reagieren, das die Bewegungen und Reibungen aufnehmen und ausgleichen konnte. Doch nun zeigte sich, dass auch dabei Risse entstanden waren. Dieser Bauteilanschluss musste folglich anders ausgebildet werden. Hierzu verschlossen die Handwerker die Fuge zunächst mit einem Quellschlauch und einer dauerelastischen Polyurethan-Verfugung. Danach legten sie eine 15 cm breite Polyethylen-Folie auf die Fuge.
Die Fuge zwischen Kuppelkranz und Turmschaft bildeten die Handwerker mit einem Quellschlauch, einer dauerelastischen Polyurethan-Verfugung und einer Polyethylen-Folie aus
Foto: Pablo von Frankenberg
Diese Folie ist nicht direkt mit dem Bauwerk verbunden, über der Folie liegt vielmehr eine Klebe- und Armierungsschicht mit aufgekämmter Oberfläche, die die Folie an Ort und Stelle hält. Auf diese mehrschichtige Überbrückung der Fuge brachten die Handwerker schließlich den Putz auf. Die Fuge bleibt somit beweglich, wobei die PE-Folie diese Bewegungen zum Putz hin so sehr abdämpft, dass der Putz, der nicht direkt auf der Fuge liegt, weniger schnell Risse bekommt. Aber auch damit lassen sich neue Risse nicht ganz ausschließen. Hier zeigt sich, dass historische Planungsfehler von Mendelsohn nicht berichtigt werden können, ohne den Originalcharakter des Denkmals zu verändern.
Die Betonoberfläche der Terrasse vor dem Eingang wurde mit Besen gesäuert, um die obersten 2 mm des Zementsteins zu lösen und somit das Korngerüst des Zuschlags (Gesteinskörnung mit maximalem Durchmesser von 2 mm) freizulegen. Dadurch bekommt die Oberfläche eine gewisse Rauheit, die der Rutschhemmung dient
Foto: Thomas Wolf / Wüstenrot Stiftung
Gleiches gilt für die Terrasse vor dem Eingang, die ursprünglich wie eine Schüssel geformt war, was zu Rissen geführt hatte. Dies hatte man bereits in einer der vorangegangenen Sanierungen durch Dehnungsfugen entschärft und auch die Brüstung vor dem Abrutschen gesichert. Risse traten danach aber dennoch auf, nur an anderen Stellen. Deshalb bauten die Handwerker bei der neuerlichen Sanierung an beiden Seiten der Brüstung eine Dehnungsfuge ein. Zudem wurde der Terrassenboden als fugenlose Betonplatte gegossen. Die Betonoberfläche wurde anschließend mit Besen gesäuert, um die obersten 2 mm des Zementsteins zu lösen und somit das Korngerüst des Zuschlags (Gesteinskörnung mit maximalem Durchmesser von 2 mm) freizulegen. Dadurch bekommt die Oberfläche eine gewisse Rauheit, die der Rutschhemmung dient. Unter der Betonplatte befindet sich eine Drainage. Eine umlaufende Dehnungsfuge beugt erneuter Rissbildung vor.
Fazit
Schon mit der 1999 abgeschlossenen Sanierung konnte die Wüstenrot Stiftung das Sanierungsintervall auf über 20 Jahre mehr als verdoppeln. Die neuerliche Instandsetzung verspricht aufgrund der gezielten Ausbildung kniffliger Details wie der Fugen noch dauerhafter zu sein. Trotzdem trägt jede Instandsetzung des Einsteinturms – wie der Bau des Gebäudes selbst – Züge eines Experiments. Nur so bleibt sowohl die gesamte Bau-, Nutzungs- und Konservierungsgeschichte als auch der ursprüngliche, experimentelle Charakter des Gebäudes erhalten.
AutorDipl.-Ing. Thomas Wieckhorst ist Chefredakteur der Zeitschrift bauhandwerk.
Baubeteiligte (Auswahl)
Bauherrin und Projektträgerin Wüstenrot Stiftung, Ludwigsburg, www.wuestenrot-stiftung.de
Hausherr und Betreiber Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP), www.aip.de
Projektsteuerung Büro Knappheide, Wiesbaden, www.knappheide.eu
Architekten Architekturbüro Kühn- von Kaehne und Lange, Potsdam, www.kvkul.de
Baudenkmalpflegearbeiten Roland Schulze Baudenkmalpflege, Potsdam, www.baudenkmalpflege.de
Herstellerindex (Auswahl)
Flüssigkunststoff auf PMMA-Basis Triflex, Minden, www.triflex.com
Kieselsol-Silikatfarbe Keimfarben, Diedorf, www.keim.com
Zinkblech Rheinzink, Datteln, www.rheinzink.de