Jowat-Forum in Detmold zeigt nachhaltige Bau-Produkte und Recycling-Konzepte

Das Gebäude als System begreifen: Dieser Leitgedanke prägte das Jowat-Forum in Detmold. Der Klebstoffe-Hersteller Jowat SE und das Maschinenbauunternehmen Kraft Group aus Rietberg hatten zu informativen Vorträgen eingeladen.

Das Jowat Forum Kleben & Bauen ist eine Plattform für Unternehmen, die sich mit den neuesten Entwicklungen, Trends und Herausforderungen bei der Herstellung von Bauelementen, wie Dämmmaterialien, Türen, Fenstern, Fußböden und zugehörigen Baumaterialien beschäftigen. Rund 120 Gäste kamen ins Haus der Technik nach Detmold. Ingo Horsthemke, Vice President Global Marketing, moderierte im Audimax und lud die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Netzwerken in den ausgiebigen Pausen ein.

Jan Peter Hinrichs vom Bundesverband energieeffiziente Gebäudehülle (BuVEG) plädierte für eine erhöhte Sanierungsquote
Foto: Michaela Podschun

Jan Peter Hinrichs vom Bundesverband energieeffiziente Gebäudehülle (BuVEG) plädierte für eine erhöhte Sanierungsquote
Foto: Michaela Podschun
„90 Prozent unserer Zeit verbringen wir in Räumen“, begann Jan Peter Hinrichs vom Bundesverband energieeffiziente Gebäudehülle (BuVEG) sein Referat. Die Gebäudehülle trage signifikant zur Co2-Reduktion bei. Technische Lösungen seien vorhanden und marktreif, würden aber nicht in der notwendigen Masse umgesetzt. „Wir haben in Deutschland einen großen sanierten Altbestand. Rund 50 Prozent der Gebäude, die vor 1975 errichtet wurden, werden auch nach 2050 noch in Benutzung sein“, erläuterte Jan Peter Hinrichs. Die aktuelle Sanierungsrate von 0,72 Prozent reiche nicht aus, um die Co2-Reduktionsziele zu erreichen. Im Einzelnen: 60 Prozent der Fenster sind energetisch schlecht;  es gibt 27 Millionen einfachverglaste Fenster, 65 Prozent der Fassaden sind ungedämmt; 30 Prozent der Dächer sind ungedämmt.

Viele Eigentümer sehen keinen Sanierungsbedarf

„Ein weiteres Problem besteht darin, dass viele Eigentümer den energetischen Zustand ihres Objektes überschätzen. Wenn alles schön gestrichen ist und Küche und Bad neu sind, gibt es für viele Leute keinen weiteren Handlungsbedarf“, so Hinrichs. Die Sanierungsquote müsse insgesamt erhöht, und erneuerbare Energien ausgebaut werden, lautet sein Fazit.

Verschiedene Firmen stellten Lösungen für nachhaltiges Bauen und Sanieren vor.  Das Start-up PMF Housing aus Würselen hat ein recycelfähiges Bausystem für Wohn- und Funktionsgebäude entwickelt. „Wenn ich sage, dass wir Häuser mit Holz, Schaum und Textil bauen, sind die Leute verwundert“, berichtete Vertriebsmitarbeiter Raimund Sieben von PMF Housing. Die Wände bestehen aus einer Holzrahmenstruktur mit Querstreben und Fächern, die bespannt sind mit einem formgebenden Textilgewebe. Die Füllung ist ein Hartschaumkern aus Polyurethan. Der Aufbau auf Schraubfundamenten, Punktfundamenten, Bodenplatte und Kellerdecke sei solide. Kleingebäude als Ferienhäuser oder Garten, Bungalows und Großgebäude von bis zu 1200 m2 seien möglich.

Ressource Holz sinnvoll einsetzen

Udo Ludewig, Key Account Manager von puren, zeigte auf, wie der Hochleistungsdämmstoff Polyurethan entsteht und welche Eigenschaften er hat: „Er lässt sich wie Holz verarbeiten und bearbeiten, ist u. a. feuerbeständig, wärmedämmend, verrottungsfest und schimmelbeständig.“

Wie steht es generell um die Ressource Holz? Damit befasste sich Moritz Steinruck von der Egger Holzwerkstoff Wismar GmbH & Co. KG. Durch Stürme, Dürre und Borkenkäferbefall stünde zusehends weniger Holz zur Verfügung. Rund ums Egger-Werk in Brilon gebe es beispielsweise nur noch 60 Prozent der Waldfläche. Ein permanenter Kreislauf sei daher wichtig. Egger produziere aus Sperrmüll Spanplatten.

Steico-Vertriebsmitarbeiter Normann Bioly berichtete über serielles Bauen mit Holzfasern
Foto: Michaela Podschun

Steico-Vertriebsmitarbeiter Normann Bioly berichtete über serielles Bauen mit Holzfasern
Foto: Michaela Podschun
Auf Holz setzt auch Steico. Vertriebsmitarbeiter Normann Bioly stellte die einzelnen Holzfaser-Komponenten vor, die ein serielles Bauen und auch den problemfreien Rückbau ermöglichen. E sei sogar möglich, Hochhäuser aus Holz zu fertigen, betonte er und verwies auf die Woodscraper in Wolfsburg. In den zwei 12-geschossigen Holzhybridhochhäusern sollen 106 Wohneinheiten für sozial durchmischtes Wohnen auf knapp 8.000 m² Wohnfläche entstehen.

Türen mit Mehrwert von Grauthoff

Ulf Morfeld stellte die Grauthoff Türengruppe vor
Foto: Michaela Podschun

Ulf Morfeld stellte die Grauthoff Türengruppe vor
Foto: Michaela Podschun
Ulf Morfeld stellte den Türenhersteller Grauthoff aus Rietberg vor und erläuterte, wie Vertriebswege in herausfordernden Zeiten gefunden werden. „Wir brauchen echten Mehrwert im Produkt durch individualisierte Serienfertigung“, sagte er. Wichtig seien die Wertschätzung des Verarbeiters sowie Produkte, die mit Kunden und Lieferanten entwickelt werden. Beispielsweise gibt es von Grauthoff eine Hinterlüftungszarge, um den Luftaustausch von Raum zu Raum ermöglichen. Die Kooperation mit Egger ermögliche, dass passgenau zum Türdekor Platten für den Innenausbau geliefert werden.

Dass Klebstoffe Bauelemente zusammenhalten und als Enabler fungieren, war das Thema von Maik Johanntoberens. Der Jowat-Produktmanager erläuterte den Begriff des Kaschierens und die technischen Möglichkeiten. Markus Hüllmann, CEO der Kraft Group, stellte sein Unternehmen vor und warf den Blick auf Mass Customization.

Digitaler Produkt-Pass

Stephan Schmidt vom Fachverband Schloss-und Beschlagindustrie sprach über europäische Normen und den neuen digitalen Produkt-Pass
Foto: Michaela Podschun

Stephan Schmidt vom Fachverband Schloss-und Beschlagindustrie sprach über europäische Normen und den neuen digitalen Produkt-Pass
Foto: Michaela Podschun
Den langen europäischen Weg zum digitalen Produkt-Pass zeigte Stephan Schmidt vom Fachverband Schloss-und Beschlagindustrie auf. Der digitale Produktpass ist ein Datensatz, der die Komponenten, Materialien und chemischen Substanzen oder auch Informationen zu Reparierbarkeit, Ersatzteilen oder fachgerechter Entsorgung für ein Produkt zusammenfasst. „Ein dicker Block kommt da auf uns zu“, fasste er zusammen.

Welchen Stellenwert hat eigentlich nachhaltiges Bauen? Die BauinfoConsult GmbH aus Düsseldorf liefert Marktdaten zu Baukennzahlen, Bauprozessen und Baumarketing. Marktanalyst Alexander Faust brachte Zahlen mit, die wenig Optimismus erzeugten. Danach sei die Wichtigkeit von nachhaltigem Bauen in Deutschland mit 93 Prozent sehr hoch. Tatsächlich nachhaltig gebaut werde aber nur zu 36 Prozent. Eine Mehrheit der Hersteller erwartet, dass Klimaneutralität angesichts steigender Kosten für viele Bauherren weniger wichtig werden.

Das Jowat-Forum beinhaltete am zweiten Tag auch Betriebsführungen bei Jowat und Kraft. 

Autorin

Michaela Podschun ist Redakteurin der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.

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