So lohnt sich Strom tanken mit eigener PV-Anlage
Ist das Fahren eines E-Autos für Handwerker tatsächlich günstiger als ein Verbrenner? Bei den aktuellen Energiepreisen ist diese Antwort komplex. Denn Strom zu laden kann genauso teuer sein, wie den Verbrenner an der Tanke mit Diesel zu füllen.
Günstiger wird es erst, wenn der Strom auf der eigenen Photovoltaik-Anlage (PV) produziert wird. Dann kostet das Laden des E-Fahrzeugs fast nichts. „Allerdings nur, wenn der Sonnenstrom direkt in den Auto-Akku fließt“, wie Christian Raach erklärt. Der Experte für Wallbox- und Speichertechnik von der Firma ESS-Kempfle aus dem bayerischen Leipheim spricht dann von „reinem Überschussladen“. Ohne das Puffern der Energie in einem Zwischenspeicher, wie er etwa im Hauskeller steht. Und auch ohne zusätzlichen Strom aus dem Netz.
Doch damit Überschussladen gelingt, müssen Handwerker ein paar Aspekte beachten. „Die Schlüsselposition ist der Wechselrichter“, erklärt Ingenieur Raach. In diesem muss ein Energiezähler installiert sein. Dieser Smart-Meter erkennt, woher der Strom stammt: von der Photovoltaikanlage auf dem Dach oder aus dem Stromnetz. Zu sehen ist das über eine App, über die das gesamte System, bestehend aus PV-Anlage, Stromspeicher und Ladestation für das E-Auto, steuerbar sein kann.
PV-Anlage produziert Strom für den Hausgebrauch
Die Firma ESS-Kempfle aus dem bayerischen Leipheim rät zu „reinem Überschussladen“. Ohne das Puffern der Energie in einem Zwischenspeicher, wie er etwa im Hauskeller steht, kann ein E-Auto günstig ausgeladen werden
Foto: ESS-Kempfle
Zweiter Aspekt ist die Größe der PV-Anlage. Denn diese produziert fast immer vorrangig Strom für den Hausgebrauch. „Egal ob Kühlschränke, Waschmaschinen oder CNC-Maschinen damit gespeist werden, der meiste Überschussstrom wandert direkt in Elektrogeräte, die ihn direkt verbrauchen“, so Raach. Soll nun noch das E-Auto geladen werden, sollte die PV-Anlage auf eine Leistung von mindestens fünf Kilowatt ausgelegt sein. Was einer Fläche von 10m² oder 12 Sonnenmodulen entspricht.
Wenn mancher E-Autobesitzer nun denkt, er kann seinen Akku nachts laden, weil die E-Geräte im Haus keine oder weniger Energie verbrauchen, irrt. Denn die am Tag bei Sonnenschein gewonnene Energie, die im Hausspeicher verharrt, sollte möglichst im Haushalt genutzt werden. Die Akku-Größe ist hierbei ausschlaggebend. Die reicht meist nicht aus, um ein E-Auto aus dem Speicher zu laden. „Um ein Fahrzeug mit Elektroantrieb zu laden, sollte die Kapazität bei 50kW/h liegen“, sagt Raach, der früher selbst eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker absolviert hat. Gängige Hausspeicher haben allerdings nur eine Kapazität von 7,5 kW/h. Damit kann gerade einmal ein Siebtel der Autobatterie mit Strom gefüllt werden.
Virtuelles Kraftwerk nutzen
Wer trotzdem in der Nacht günstig Strom tanken will, der sollte an ein virtuelles Kraftwerk andocken. Die dorthin geschickte Sonnenenergie wird als Guthaben auf einem Stromkonto online gutgeschrieben und kann bei Bedarf abgehoben werden. Im Grunde wie auf einem Bankkonto. Hinter diesen auch als Cloud bezeichneten Kraftwerken stecken etliche, dezentrale PV-Anlagen, die in Summe mehrere Megawatt Leistung generieren.
Was ist also wichtig, um möglichst günstig Sonnenstrom zu tanken? Raach rät den Gesamtbedarf im Blick zu haben. Sprich Wärmepumpe und die Verbräuche weiterer E-Geräte hinzuzurechnen. Die Wallbox und das E-Auto demnach nicht gesondert zu betrachten, sondern alle Energieverbraucher einzubeziehen. Dementsprechend groß sollte die PV-Anlage auf dem Dach ausgelegt sein.
Wer überdies einen Dienstwagen fährt oder den Tankstrom anderweitig abrechnen will, sollte seiner Wallbox einen MID- oder einen eichrechtskonformen Zähler gönnen. Dieser muss geeicht sein und kann – ebenfalls bei vielen Anbietern via App – ausgelesen werden. Etwa indem die Software monatlich eine Excel-Liste generiert und diese wahlweise an den Arbeitgeber oder das Finanzamt schickt.
Tarife der Energieversorger prüfen
Wer sein E-Auto laden möchte, sollte die Größe der PV-Anlage im Blick haben. Ideal ist eine Kapazität von 50kW/h
Foto: Klaus-Uwe Gerhardt/Pixabay
Ein weiterer nützlicher Hinweis betrifft die Wahl des Stromanbieters. Denn in der Regel müssen Eigennutzer rund ein Fünftel ihres Energiebedarfs zukaufen. Mal scheint die Sonne nicht oder der Strombedarf ist höher als geplant. Hier lohnt sich ein Blick auf die Tarife der Energieversorger. Denn Wallboxen lassen sich programmieren. Etwa auf Ladezeiten zwischen 22 und 2 Uhr. Findet sich hierzu ein passender Nachttarif, kann das Laden auch über eingekauften Strom günstig bleiben.
Bleibt die Frage nach der Investition. Eine Wallbox mit Montage und Programmierung kostet um die 2000 Euro. „Mit diesem Budget ist preisgünstiges, weil intelligentes Laden wie beschrieben möglich“, so Raach. Selbstbausätze für PV-Anlagen inklusive Unterkonstruktionen und Montagesets finden sich auf Onlineshops wie Greensol.de mit einer Leistung von bis zu zehn Kilowatt-peak ab 5800 Euro. Wichtig zu wissen: Seit Januar 2023 ist die Mehrwertsteuer auf PV-Installationen auf null gesetzt. Ein Vorsteuerabzug ist nicht möglich. Dafür sind die Produkte knapp 20 Prozent günstiger als im Vorjahr.
Autor
Michael Sudahl ist freier Journalist und lebt in Schorndorf.
Unterschied: solaroptimiertes versus Überschuss-Laden
Ist eine Wallbox installiert, kann bei den meisten Modellen zwischen solaroptimiertem Laden und Überschussladen ausgewählt werden. Ersteres nimmt überschüssigen Strom vom Dach und lädt ihn ins Fahrzeug. Reicht die Energie nicht, wird bis zur erforderlichen Grundlast die restliche Energie aus dem Stromnetz geholt. Es sind also weiterhin, wenn auch geringe, Kosten für das Laden vorhanden. Beim Überschussladen hingegen wird erst dann die Wallbox aktiviert, wenn ausreichend Strom vom Dach kommt. Hier ist kein Netzbezug vorgesehen und dadurch ist diese Art zu Laden tatsächlich kostenlos.