Umbau und Sanierung der Christuskirche in Neumarkt
Brückner & Brückner Architekten haben in Neumarkt in der Oberpfalz die evangelische Christuskirche saniert und umgebaut und dabei einen sehr besonderen Raum der Stille und der Geborgenheit geschaffen.
Die Christuskirche ist Teil des „Evangelischen Zentrums Neumarkt“ und war früher Klosterkirche des ehemaligen Kapuzinerklosters
Foto: Brückner & Brückner Architekten / Constantin Meyer
Es ist schon beeindruckend zu sehen, wie ein (Kirchen)-Raum so gestaltet werden kann, dass er einerseits nahezu aufzugehen scheint mit seinen umfassenden Wänden – ein weißer, fließender Lichtraum – und andererseits Geborgenheit und Sicherheit ausstrahlt. Brückner & Brückner Architekten ist dies in der Christuskirche in Neumarkt gelungen! Das Büro ist bekannt für seine reduzierte, nicht selten von Weißtönen geprägte Architektur und sein Gespür für Orte des Glaubens und der inneren Einkehr. Das Diözesanmuseum Freising und die Transformation des ehemaligen Franziskanerklosters zur Musikakademie bei Hammelburg sind gelungene Beispiele.
Heute ist der Kirchraum hell und licht. Der Chorraum ist geöffnet, und Altar und Bestuhlung sind gestalterisch reduziert
Fotos: Brückner & Brückner Architekten / Constantin Meyer
In Neumarkt in der Oberpfalz ging es um die Sanierung der evangelischen Christuskirche, deren Grundsteinlegung bereits Mitte des 17. Jahrhunderts erfolgte.Deren Innenräume waren zuletzt aber maßgeblich in den 1930er Jahren gestaltet worden. Sowohl der Raumeindruck in seiner Gesamtheit, aber beispielsweise auch der durch die Bestuhlung vorgegebene Lithurgieablauf waren nicht mehr zeitgemäß. „Kirchen sind für uns besondere Häuser mit besonderen Räumen, Räumen für die Seele. Sie haben Geschichte und sie begleiten viele Menschen seit Jahrzehnten. Wir spüren bei den Menschen in diesen bewegten Zeiten eine starke Sehnsucht nach Begegnungen und nach Räumen mit besonderer Atmosphäre. Gerade in unserer immer digitaler werdenden Zeit mit vielen massiven Veränderungen und Unsicherheiten wie Pandemie, Klimakrise oder Krieg, erkennen wir eine Sehnsucht nach Räumen der Besinnung, des Rückzugs, der inneren Einkehr und der Ruhe. Sie sind so wichtig, geben Halt und Geborgenheit. Wir finden, dass diese Räume einen großen Mehrwert für die Gesellschaft und jeden einzelnen haben“, heißt es dazu bei Brückner & Brückner Architekten in der Projektbeschreibung.
Der Chorraum wurde geöffnet und das Fenster zur Ostseite in seiner Form verändert
Foto: Brückner & Brückner Architekten
In diesem Sinne sollte auch der vom Kirchenraum abgetrennte Chorraum hinter dem Altar wieder dem Kirchraum zugeschlagen und gestaltet werden. „Anlass für die Sanierung war allerdings zunächst die dringend notwendige Reparatur des Kirchendachs“, erläutert Stephanie Sauer, Partnerin und Projektleiterin der Christuskirche bei Brückner & Brückner Architekten. „Der Dachstuhl musste ertüchtigt werden und auch das Gewölbe, auf dem der Dachstuhl nun auflag, hatte Schaden genommen.“
Barrierefreier Zugang
In früheren Zeiten hatte die Gemeinde den Chorraum von der Kirche abgetrennt, um hier unter anderem Getreide lagern zu können. Die Wiedereinbindung des Chorraums, insbesondere durch die ungewöhnliche Ausführung mit abgerundeten Übergängen zwischen Boden, Wänden und Decke statt mit klaren Kanten und Ecken, ist vielleicht die eindrücklichste Veränderung.
Zu einer zeitgemäßen Nutzung gehört allerdings auch eine barrierefreie Erschließung der Kirche, was nun über einen Zugang im Süden gewährleistet wird. Auf der gegenüberliegenden Kirchenseite gibt es ebenfalls einen neuen Zugang. Diese Seitenkapelle war über Jahrzehnte zu einem Lagerraum degradiert gewesen. Heute kann man über diese nicht nur die Kirche betreten, sondern den Kapellraum auch als Raum der Stille nutzen. Die ehemals über dem Altar hängende Christusfigur wurde von dem riesigen Holzkreuz abgenommen. Sie scheint nun, deutlich tiefer hängend, seine Arme schutzgebend auszubreiten.
Der Boden im Kirchenraum selbst musste angehoben werden, um den barrierefreien Zugang im Süden zu ermöglichen. Daher wurde der neue Bodenaufbau mit Fußbodenheizung auf dem vorhandenen Boden aufgesetzt. Er sollte nun optisch wie eine Welle in den Chorraum hineinschwappen. „Die Oberflächen sind in diesem Projekt natürlich maßgeblich“, so Architektin Sauer. „Bodenbelag und Wandbelag mussten extrem gut aneinander angepasst werden; zwei unterschiedliche Materialien mit jeweils ganz anderen Anforderungen, die am Ende gleich aussehen müssen.“
Fugenlose Bodenbeschichtung
Es ging also darum, zunächst eine fugenlose Bodenbeschichtung mit homogener Optik zu finden, die für Veranstaltungen mit vielen Menschen geeignet ist. Die daran angepasste Wandbeschichtung sollte sich in Optik und Haptik möglichst nicht unterscheidet, allerdings als Lehmputz ausgeführt werden. Zunächst wurde also die Beschichtung für den Boden hergestellt. Sie besteht zu einem Großteil aus Sanden, Quarzen und Zement plus einem Anteil Naturharz. Die Versiegelung erfolgte mit einem matten PU-Lack in wässriger Dispersion mit Härter. Da sie aufgespachtelt wird, sind keine Rollerspuren erkennbar. „In dem von uns hergestellten und aufgebrachten Produkt gibt es keinen Kunststoffanteil und alle Materialien, inklusive der Versiegelung, sind lösemittelfrei“, betont Hans Vögerl, Geschäftsführer der Hans Vögerl GmbH, die für die Bodenarbeiten zuständig war. „Neben der Verwendung geeigneter Produkte zur Herstellung eines als Nutzboden zugelassenen Bodensystems braucht man für eine rissfreie und fugenlose Ausführung nicht zuletzt erfahrene Handwerker; Spezialisten, die mit Leidenschaft und Herzblut ihre Arbeit ausführen.“ Für die Gewährleistung einer homogenen Oberfläche durfte nicht die „Handschrift“ Einzelner sichtbar werden. Aus diesem Grund wurde während der Ausführungsphase die Position der Mitarbeiter auf der Bodenfläche turnusmäßig geändert. Teilweise waren bis zu 10 Mann gleichzeitig beschäftigt.
Halbkreisförmiges Podest auf Hubwagen befestigt
Bis zu einer Höhe von 2,60 m musste der neue Bodenbelag im Chorraum an der Wand nach oben geführt werden
Foto: Brückner & Brückner Architekten
Eine Besonderheit stellte die Ausführung im Chorraum dar. Hier sollte der Bodenbelag, wie bereits angesprochen, nicht mit einer Kante an die Wand stoßen, sondern über eine Rundung an dieser hochgezogen werden. Für den formgebenden Untergrund wurden druckfeste PU-Formteile (Styrodur), die an eine Halfpipe erinnern, hergestellt. Sie erhielten zunächst einen Harzestrich, um die Druckfestigkeit zu erhöhen. Die Bodenbeschichtung zieht sich nun ansteigend bis zu einer Höhe von 2,60 m an der Wand hoch. „Um hier in einem Guss herunterspachteln zu können, standen meine Mitarbeiter auf einem etwa 8,00 x 5,00 m großen, halbkreisförmigen Podest, das auf einem Elektrohubstapler befestigt war“, erzählt Bodenspezialist Vögerl. „Zum Schutz des Bodens, beziehungsweise zur Lastverteilung, hatten wir zunächst Stahlplatten ausgelegt, auf denen sich der Stapler bewegen konnte.“
Lehmputz an Wänden und Türen
Im nächsten Schritt ging es dann um die Ausführung des Lehmputzes an den sich anschließenden Wänden. Akribisch musste er in seiner Farbigkeit und Textur an den Boden angepasst werden. „Die Farbigkeit anzugleichen ist im Wesentlichen eine Fleißarbeit“, berichtet Roland Döpfner, Geschäftsführer der Firma Lesando, die den Lehmputz hergestellt hat. „Erschwert wird das Ganze dadurch, dass wir ausschließlich mineralische Pigmente verwenden, die natürlich das Spektrum etwas einschränken. Glücklicherweise war der gewählte Farbton des Bodenbelags für uns in coloristischer Reichweite. So haben wir aus unserer eigenen Farbpalette einen Ton, der relativ nah an der Vorlage ist, gewählt und dann schrittweise mit dem Umbau der Rezeptur begonnen.“
Der Übergang zwischen Bodenbelag und Lehmputz ist im Chorraum fast nicht auszumachen
Fotos: Brückner & Brückner Architekten / mju-fotografie / Maria Luisa Jünger
Neben der Farbe geht es aber auch um die Textur, die abhängig ist von der Auftragstechnik und dem verwendeten Werkzeug. „Aber auch die Sieblinie des Marmorgranulats spielt eine Rolle, weil dadurch die allgemeine ,Rauigkeit‘ der Oberfläche beeinflusst werden kann“, ergänzt Döpfner. „Die Textur interagiert dabei mit der Farbigkeit. Übersetzt heißt das: Das Farbempfinden ist auch abhängig von der Struktur, wobei Farbmessgeräte dabei kaum eine Hilfe sind. Es kann gut sein, dass der Spektrometer zwar eine sehr gute Annäherung anzeigt, das menschliche Auge aber – weitaus komplexer – einen anderen Eindruck überträgt.“ Es muss also auch berücksichtigt werden, unter welchen Lichtverhältnissen der Vergleich stattfindet oder in welchem Winkel die Flächen betrachtet werden. Die Erfahrung der Handwerker sowie ihre Geduld und Freude sind ebenso ausschlaggebend.
Der Lehmputz wurde ganz klassisch auf Schilfrohrmatten aufgebracht. „Der Lehm braucht einen rauen Untergrund, an dem er sich quasi festkrallen, mit dem er sich mechanisch verbinden kann“, erläutert Christian Bayer, Inhaber der Firma objektDENKMAL aus Neumarkt, die die Lehmputzarbeiten ausgeführt hat.
Schilfrohrmatten mit Edelstahldraht überspannt
Die Schilfrohrmatten wurden auf der Holzkonstruktion befestigt und bieten dem Lehmputz den notwendigen rauen Untergrund
Foto: Brückner & Brückner Architekten
Auf der von der Zimmerei aufgebrachten Holzkonstruktion wurde eine erste Schicht Schilfrohrmatten senkrecht im 90-Grad-Winkel zur waagerechten Holzschalung aufgebracht, so dass die zweite Lage Schilfrohrmatten wieder horizontal befestigt werden konnte. Dies ist nötig, um ein Abrutschen des Nassmörtels zu verhindern. Die Schilfrohrmatten tackerten die Handwerker mit Klammern und Druckluft entlang der Haltedrähte fest.
Die Schilfrohrmatten wurden mit Edelstahldraht netzförmig überspannt
Foto: objektDENKMAL
Für eine zusätzliche Befestigung wurden sie mit Edelstahldraht netzförmig überspannt. An den Knotenpunkten verschraubten die Handwerker den Draht mit Edelstahlschrauben und Kunststoff-Dübeltellern (Durchmesser 50 mm) mit der Holzkonstruktion. Auf den etwa 25 mm dicken Lehm-Grundputz wurde nach vollständiger Abtrocknung eine dünnlagige, vollflächige Gewebespachtelung aufgetragen. Um letzte Unebenheiten, wie zum Beispiel an überlappenden Bereichen des Gewebes, zu egalisieren, trugen die Handwerker zusätzliche eine dünne Ausgleichsschicht auf. Die Gewebe- und Ausgleichsspachtelung führten sie mit einem auf das Lehmputzsystem abgestimmten Lehmspachtel aus.
„Die größten Herausforderungen waren zum einen die farbliche und haptische Anpassung des Lehm-Dekorspachtels an den fugenlosen Spachtelboden, was der Hersteller Lesando hervorragend gelöst hat. Zum anderen hatte die Fläche kein Ende“, betont Christian Bayer. „Wir mussten Nass in Nass über die komplette Fläche durchspachteln, ohne einen Absatz erkennen zu lassen. Dafür waren gleichzeitig bis zu 8 Mitarbeitende im Einsatz.“ Eine Trennfuge gibt es nur dort, wo Boden- und Wandbelag aufeinanderstoßen. Das ist technisch nicht anders machbar, aber auch nur bei genauem Hinsehen auszumachen.
Auch die neu betonierte Empore erhielt einen Lehmdekorputz und ist so in die Gesamtgestaltung eingebunden
Foto: Brückner & Brückner Architekten / Constantin Meyer
Der Lehmdekorputz „Capriccio“ wurde übrigens nicht nur im Chorraum verarbeitet. Mit dieser Oberfläche wurden auch die neue betonierte Empore und die Innentüren aus Holz gestaltet, um diese optisch in das Gesamtbild einzubinden.
Bespannte Buntglasfenster
Durch die textile Bespannung vor den Fenstern wird das Licht gleichmäßig diffus gebrochen
Foto: Brückner & Brückner Architekten / mju-fotografie / Maria Luisa Jünger
Eine Besonderheit muss noch erwähnt werden: Vor den großen, bunten Kirchenfenstern sitzt jetzt eine textile Bespannung, die dafür sorgt, dass die Sonne das Buntglas der Fenster auf die Bespannung projiziert. Im Tagesverlauf entstehen dadurch sich verändernde Bilder. In der Nacht strahlen Leuchten in der unteren Laibung der Fenster so auf die Textilbespannung, dass das Licht gleichmäßig diffus gebrochen wird: Das gesamte Fenster leuchtet wie eine Laterne – ein Mehrwert für die Gesellschaft und jeden einzelnen.
Dipl.-Ing. Nina Greve studierte Architektur in Braunschweig und Kassel. Heute lebt und arbeitet sie als freie Autorin in Lübeck (www.abteilung12.de) und ist unter anderem für die Zeitschriften DBZ, bauhandwerk und dach+holzbau tätig.
Baubeteiligte (Auswahl)
Bauherr
Ev.-luth. Kirchengemeinde, Neumarkt i.d. Oberpfalz, www.neumarkt-evangelisch.de
Architektur
Brückner & Brückner, Tirschenreuth | Würzburg, www.bruecknerundbrueckner.de
Tragwerksplanung
Lerzer ING + Plan, Neumarkt i.d. Oberpfalz, www.lerzer-ip.de
Bodenbelagsarbeiten
Hans Vögerl, Parsberg, fugenlos.com
Lehmputzarbeiten und Kalkputzsanierung
objektDENKMAL, Christian Bayer, Neumarkt i.d. Oberpfalz, www.objektdenkmal.de
Lehmputz
Lesando, Dettelbach, www.lesando.de