Sanierung und Umbau des Diözesanmuseums in Freising

Das Diözesanmuseum in Freising bei München ist durch die Sanierung nach Plänen des Büros Brückner & Brückner Architekten ein lichter, transparenter Ort geworden, an dem das Kirchliche mit dem Weltlichen in Dialog tritt.

Das Museum der Diözese Freising wurde im Oktober 2022 nach neun Jahren wiedereröffnet. 2013 hatte es, in erster Linie aus brandschutztechnischen Gründen, quasi von einem Tag auf den anderen schließen müssen. Der 1870 als Knabenseminar geplante und genutzte spätklassizistische Flügelbau war bereits in den 1970er Jahren zum Museum umgenutzt worden. Den Umbau hatte man seinerzeit leider nicht sehr sorgfältig durchgeführt. Zudem entsprach er nicht den heutigen Anforderungen an einen modernen Museumsbau. Die Chance auf einen Neuanfang nutzte der Bauherr, die Erzdiözese München und Freising, insbesondere in Person des Direktors des Museums, in Zusammenarbeit mit Brückner & Brückner Architekten, um das Museum nicht nur technisch und baulich, sondern auch in der Präsentation der historischen Kirchenkunst zeitgemäß anzupassen.

Das Diözesanmuseum in Freising wurde nach Plänen des Büros Brückner & Brückner Architekten saniert und umgebaut Das Diözesanmuseum in Freising wurde nach Plänen des Büros Brückner & Brückner Architekten saniert und umgebaut
Foto: Thomas Dashuber

Das Diözesanmuseum in Freising wurde nach Plänen des Büros Brückner & Brückner Architekten saniert und umgebaut
Foto: Thomas Dashuber
Betritt man heute den Bau, fallen vor allen Dingen die Helligkeit und Offenheit im Gebäude auf, die Blickbeziehungen innerhalb der Räumlichkeiten und nach draußen. Und auch die Ausstellungsobjekte werden so in Szene gesetzt, dass auch das jüngere Publikum einen leichteren Zugang findet. „Aus dem eher wehrhaften Baukörper sollte ein einladender Museumsbau entstehen, der Bezüge herstellt und den Dialog sucht“, erläutert Günter Horn, Projektleiter bei Brückner & Brückner ­Architekten, den Wunsch der Diözese und den Kern des Entwurfs.

Was wurde saniert?

„Geöffnete Wände sind der Kern unserer architektonischen Idee, unser leidenschaftlichstes Bild – innen wie außen“, heißt es dann auch in der Baubeschreibung des Büros für das Projekt. „Ausblicke – Einblicke – Durchblicke. So werden neue Begegnungen und der Dialog mit den Menschen, der Kunst und der Umgebung ermöglicht“. Insbesondere die Durchgänge vom Arkadenumlauf zu den Räumen öffneten die Handwerker, so dass ganz neue Perspektiven möglich wurden und das Gebäude in seiner Gesamtheit erfahren werden kann. Auch die Fenster nach draußen wurden bodentief heruntergezogen und geben spannende Ausblicke über Freising und die angrenzende Landschaft frei. In der ehemaligen Kapelle befindet sich heute eine Lichtraum-Installation.

Eine ganze Reihe weiterer Arbeiten waren notwendig, um einen modernen Museumsbetrieb anbieten zu können: Unter dem Lichthof wurde ein neuer Keller gebaut, die Dachkonstruktion über dem Lichthof musste erneuert und ergänzt sowie die Decken brandschutztechnisch ertüchtigt werden. Ein nicht-bauzeitlicher Oktagon-Turm wurde abgerissen. Insgesamt musste der Bau in einem ersten Schritt auf seinen elementaren Rohbau zurückgebaut werden. „Erst im Zuge dieses Rückbaus und der Bestandserkundungen kam der schlechte Zustand der vorhandenen Bausubstanz zum Vorschein“, erläutert Hjalmar Schoch, Projektleiter beim zuständigen Ingenieurbüro Sailer Stepan Tragwerkteam. „In der Umnutzungsphase der 1970er Jahre war seinerzeit weder nachhaltig noch substanzschonend vorgegangen worden.“

Injektionssäulen im Düsenstrahlverfahren

Durch Hochdruckinjektion im Düsenstrahlverfahren wurden so genannte Injektionssäulen hergestellt Durch Hochdruckinjektion im Düsenstrahlverfahren wurden so genannte Injektionssäulen hergestellt
Foto: Sailer Stepan Tragwerkteam München

Durch Hochdruckinjektion im Düsenstrahlverfahren wurden so genannte Injektionssäulen hergestellt
Foto: Sailer Stepan Tragwerkteam München
Während der jetzigen Sanierung mussten daher die Fundamente ertüchtigt, auf Grund des neuen Kellergeschosses, zudem schichtweise nach unten geführt werden. Die bestehenden Wandpfeiler wurden hierfür gesichert, um dann vorsichtig den Boden abzutragen ohne die bestehenden Fundamente zu untergraben. Dabei wurden die Fundamente und ein alter Pflasterboden des Vorgängerbaus gefunden. Die Archäologen konnten diese vermessen, dokumentieren und historisch bedeutsame Funde einlagern.

Für das Untergeschoss mussten auch die Treppenhäuser um ein bis eineinhalb Geschosse in den Keller, beziehungsweise in den Tiefkeller, geführt werden. Dort, wo man mit den notwendigen Geräten an die entsprechenden Stellen herankam, wurden durch Hochdruckinjektion im Düsenstrahlverfahren sogenannte Injektionssäulen hergestellt. Hierbei wird eine Bohrlanze mit einer Zement-Suspension in das Erdreich geführt. Beim Hochziehen der Lanze vermischt sich das Erdreich unter hohem Druck mit der Suspension und nach einer kurzen Aushärtungszeit steht der Zement-Bodengemisch-Körper im Erdreich. Im Sinne der Denkmalpflege führten die Handwerker die Fundamente auch händisch, Stück für Stück nach unten. Die abschnittsweisen Aushubarbeiten wurden archäologisch begleitet.

Das Steigungsverhältnis der Treppenläufe aller bestehenden Treppen entsprach nicht den heutigen Vorgaben für sichere Fluchtwege, weshalb die Treppen über alle Geschosse aus- und neue eingebaut wurden. Die alten Granitstufen konnten allerdings eingelagert und auf die neuen Betonläufe aufgelegt werden. Auch hier mussten die angrenzenden Wände während der Bauphase über alle Geschosse gesichert werden.

Durchbrüche schaffen Licht

Über den Durchbrüchen mauerten die Handwerker Bögen über einem Lehrgerüst aus Ziegeln aus dem Bestand Über den Durchbrüchen mauerten die Handwerker Bögen über einem Lehrgerüst aus Ziegeln aus dem Bestand
Foto: Sailer Stepan Tragwerkteam München

Über den Durchbrüchen mauerten die Handwerker Bögen über einem Lehrgerüst aus Ziegeln aus dem Bestand
Foto: Sailer Stepan Tragwerkteam München
Ein ähnlich spannender statischer Aspekt war das Öffnen der Wände zwischen dem Arkadengang und den dahinterliegenden Räumen. Die Decken, die hier auf den Wänden aufliegen, haben Spannweiten von etwa 8 m. Die Eigenlast der Decke sowie die zu erwartende Museumsnutzlast müssen nun durch die Wandpfeiler, die zwischen den Durchbrüchen stehen blieben, getragen werden. „Wir als Tragwerksplaner mussten also den Nachweis führen, dass die Pfeiler tragfähig sind“, erläutert hierzu Bauingenieur Hjalmar Schoch. „Zuerst wurden nur die Ziegel geprüft und die Druckfestigkeiten nach Norm, aber so ein Vollziegelmauerwerk kann durch den Verband und den Mörtel mehr leisten. Ein zweites Prüfverfahren mit Untersuchung des Mörtels konnte dies dann auch entsprechend nachweisen.“ Zum Abfangen der Lasten über den Durchbrüchen sollten keine Betonstürze dienen. Hier mauerten die Handwerker Bögen über einem Lehrgerüst aus alten, aus dem Bestand stammenden Ziegeln.

Ein kleiner Schreck war noch der Fund alter Kaminzüge in einem Teil einer der Wände, die die Tragfähigkeit der Pfeiler statisch gemindert hätten. Durch Radarmessungen konnte belegt werden, dass dies ein Einzelfall war und alle weiteren Wandpfeiler vollumfänglich tragfähig sind.

„Das Bild der geöffneten Wände entstand bereits im ersten Kolloquium 2015 und ist bis zum Schluss geblieben“, erzählt Architekt Horn. „Dazu gehörte auch, die Fensteröffnungen zu vergrößern.“ Die Brüstungen der Fenster im Erd- und im ersten Obergeschoss entfernten die Handwerker und zogen die Öffnungen bodentief herunter, wodurch nicht nur sehr viel Licht in das Gebäude gelangt, sondern auch großartige Ausblicke geschaffen wurden. Zur energetischen Ertüchtigung wurden die Fenster als Kastenfenster mit einer inneren Zweifachwärmeschutzverglasung und einer äußeren Prallschutz-Festverglasung konzipiert. Der Sonnenschutz sitzt in einem Kasten zwischen den beiden Scheiben, nach außen versteckt hinter dem bestehenden Rundbogensturz.

Glasdach über dem Lichthof

Für das Thema Tageslicht und Tageslicht-Museum spielte auch der Umgang mit dem Lichthof und seinem Dach eine große Rolle. Hinzu kam, dass die alte Dachkonstruktion schadhaft war und bezüglich der Entwässerung nicht funktionierte. Hieraus entwickelten die Planer zwei Ideenstränge: Zum einen sollte das alte Holzdach über dem Lichthof gegen ein Glasdach getauscht werden, zum anderen sollte eine größere Gesamtkonstruktion das Entwässerungsproblem lösen. Während das Dach vorher also aus den Satteldächern über den umlaufenden Gebäudeflügeln und dem separaten Dach über dem Lichthof sowie einem Flachdachbereich über dem Umgang dazwischen bestand, wurden nun alle Anforderungen unter einer großen Schirmdachkonstruktion aus Stahl zusammengefasst, die an die Firstlinien der Satteldächer anschließt.

Unterhalb vom Schirmdach sitzt ein Lichtdach, eine mit einer Membran bespannte Stahl-Holz-Konstruktion, die das einfallende Licht diffus streut Unterhalb vom Schirmdach sitzt ein Lichtdach, eine mit einer Membran bespannte Stahl-Holz-Konstruktion, die das einfallende Licht diffus streut
Foto: André Mühling

Unterhalb vom Schirmdach sitzt ein Lichtdach, eine mit einer Membran bespannte Stahl-Holz-Konstruktion, die das einfallende Licht diffus streut
Foto: André Mühling
Das alte Dach des Lichthofes bestand aus einem opaken Holzdach und einem umlaufenden Fensterband. Das neue gläserne Dach wiederum liegt auf einer geschlossenen Wand auf, hinter der sich, brandschutztechnisch abgekoppelt, ein Großteil der Technik des Hauses verbirgt. Die Entwässerung erfolgt jetzt über eine umlaufende Rinne, die knapp unterhalb des Satteldachfirstes sitzt.  Die Rinne war vorher am Fuß der Lichthofüberdachung, dort wo die aufsteigende Wand des Daches auf den ehemaligen Flachdachbereich stößt. Diese Konstruktion hatte unter anderem dazugeführt, dass das Flachdach über dem Umgang durch das notwendige Gefälle sehr dick ausgeführt worden war. Die Raumhöhen des Umgangs im zweiten Obergeschoss waren dadurch unproportional niedrig. Daher wurden nicht nur die bestehende hölzerne Satteldachkonstruktion saniert und die neue Stahlkonstruktion ergänzt, sondern zudem die Decke des zweiten Obergeschosses in ihrer Position optimiert.

Unterhalb vom Schirmdach sitzt ein Lichtdach, eine mit einer Membran bespannte Stahl-Holz-Konstruktion, die das einfallende Licht diffus streut. Die darunter anschließenden 18 vertikalen Seitenelemente sind in Fortführung der Idee flächig mit LEDs hinterleuchtet.

Auch die alten Holzdecken des Gebäudes mussten statisch ertüchtigt werden. Gerade die Decken mit
8 m Spannweite waren sehr schwingungsanfällig. Für den neuen Museumsbetrieb war jedoch eine Ausführung mit möglichst geringen Verformungen gefordert. Die Decken wurden daher freigelegt, die Balkenköpfe saniert und die Balken seitlich durch aufgeschraubte Kerto-Holzlaschen statisch ertüchtigt. Dort, wo die Schwingungsanfälligkeit zu groß war, schraubten die Handwerker zusätzlich Stahlprofile gegen eine zu große Durchbiegung auf.

Komplexe Bauaufgabe

Der Rückbau auf den Rohbau hatte auch zur Folge, dass alle Wände, innen und außen, putztechnisch überarbeitet wurden. An der Fassade ergänzten die Handwerker dafür fehlende Gesimse und Faschen, die sie in sorgfältiger Stuckateurarbeit mit der Schablone zogen. Der Erdgeschossbereich erhielt oberhalb der Natursteinverblendung einen Kellenwurfputz, der entsprechend händisch aufgetragen werden musste. Im Gastraum brachten die Handwerker eine Stuckolustro-Spachtelung auf. Die notwendige Menge von etwa 1000 Tonnen Material, die die Putzfirma insgesamt verarbeitet hat, verdeutlicht sehr gut die Größenordnung des Projekts. Zum Vergleich: Auf einen Lkw passen etwa 20 Tonnen des Materials, sprich 50 Lkw-Ladungen, die alle, teilweise von Hand, aufgebracht werden mussten.

Im neu gestalteten Museum ergeben sich Ein-, Aus- und Durchblicke, die das Kirchliche mit dem Weltlichen verbinden Im neu gestalteten Museum ergeben sich Ein-, Aus- und Durchblicke, die das Kirchliche mit dem Weltlichen verbinden
Foto: mju-fotografie Marie Luisa Jünger

Im neu gestalteten Museum ergeben sich Ein-, Aus- und Durchblicke, die das Kirchliche mit dem Weltlichen verbinden
Foto: mju-fotografie Marie Luisa Jünger
Abgesehen von der Komplexität der Aufgabe stellte auch die Logistik auf dem Domberg eine besondere Herausforderung dar: Die Zufahrt zum Gebäude ist durch eine Tordurchfahrt für größere Fahrzeuge nicht möglich. Daher wurden fast alle Materialien am Fuße des Dombergs, auf einer Fläche in der Altstadt von Freising angeliefert und von einem Kran, der oben neben der Südseite des Museums aufgestellt worden war, auf die Baustelle gehoben. Während der gesamten Bauphase war der markant oberhalb der Stadt thronende Museumsbau unter einer riesigen Schutzeinhausung verschwunden. Dadurch konnte weitestgehend witterungsunabhängig gearbeitet und der Bau zügig vorangebracht werden.

Fazit

Die Intention von Auftraggeber und Architekten, einen lichten Ort des offenen Dialogs und Austausches zu schaffen, ist nicht nur baulich sehr gut gelungen. Auch die Präsentation und Auswahl der Exponate, wie beispielsweise die berührende Skulptur „Arcangelo“ von der belgischen Künstlerin Berlinde de Bruyckere und der beeindruckende Lichtraum des US-amerikanischen Künstlers James Turrell, zeigen die erstaunlich moderne Haltung der Kirche an dieser Stelle.

 

Autorin

Dipl.-Ing. Nina Greve studierte Architektur in Braunschweig und Kassel. Heute lebt und arbeitet sie als freie Autorin in Lübeck (www.abteilung12.de) und ist unter anderem für die Zeitschriften DBZ, bauhandwerk und dach+holzbau tätig.

Baubeteiligte (Auswahl)

Bauherr Erzdiözese München und Freising

Architektur Brückner & Brückner Architekten,
Tirschenreuth und  Würzburg,
www.bruecknerundbrueckner.de

Statik Sailer Stepan und Partner, München,
www.tragwerk.team  

Rohbau- und Trockenbau Probat Bau, München, www.probat.ag

Putzerarbeiten Schnitzer Jakob & Sohn, Augsburg, www.schnitzer-stuck.de

Zimmererarbeiten Frank Zimmerei und Holzbau, München, www.zimmereifrank.de

Tischlerarbeiten (Außenfenster) Schreinerei
Pettmesser, Oberhausen, www.pettmesser.info

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