Unwetter-Gefahren: Gebäude brauchen „Komplett-Check“
Hochwasser und Hitze: Akute Unwetter-Gefahren steigen. Doch die Städte sind darauf nicht vorbereitet. Die wachsenden Klima-Risiken zwingen Deutschland jetzt dazu, anders zu bauen – und sich sogar umzubauen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU Kaiserslautern). Die Untersuchung zur Klimasicherheit in Städten wurde zum Start der IFAT, der Weltleitmesse für Umwelttechnologien, auf einer Pressekonferenz in München vorgestellt.
„Im Fokus der Studie stehen drei Gefahren durch extreme Wetterlagen, gegen die vor allem der Staat, aber auch private Haus- und Wohnungseigentümer jetzt effektiv und entschlossen vorgehen müssen: Überflutungen und Hochwasser, Hitze, Trockenheit und Wassermangel in den Städten“, sagt Prof. Theo Schmitt von der RPTU Kaiserslautern.
Der Studienautor warnt: „Deutschland braucht dringend eine Klima-Risiko-Analyse für alle Städte und Gemeinden.“ Drängende Aufgabe von Bund und Ländern sei es, hierfür die gesetzlichen Weichen zu stellen. Dem „Komplett-Check“ von Gebäuden und Infrastruktur müssten dann Schutzkonzepte folgen: „Dringend notwendig sind effektive Vor-Ort-Lösungen, um die Städte klimasicherer zu machen“, so Schmitt.
„Unwetter-Umbau“ von Wohnhäusern
Der Klimawandel stellt auch die Stadtplanung vor neue Herausforderungen
Foto: Gerd Altmann /Pixabay
Dabei gehe es um einen „Unwetter-Umbau“ von Wohnhäusern, öffentlichen Gebäuden und Industrieanlagen. Ebenso Straßen, Tunnel, Gleisanlagen und vor allem auch die Kanalisation müssten klimasicher saniert werden. „Selbst von der Energie- und Wasserversorgung bis zur Stadtplanung – alles muss auf den Prüfstand. Effektive Schutzkonzepte sind jetzt das A und O. Ohne eine ‚Klima-Risiko-Task-Force‘ bei Kommunen und Versorgern wird es nicht mehr gehen. Vor allem in den Rathäusern muss es einen ‚Klima-Planungswandel‘ geben“, so Prof. Theo Schmitt. Auf die Städte und Gemeinden komme jetzt bundesweit die „Herkulesaufgabe Klimasicherheit“ zu.
Bund und Länder müssten dazu klare Vorgaben machen und die Kommunen bei der Finanzierung erheblich unterstützen, fordert die Initiative „Verantwortung Wasser und Umwelt“. Sie hat die Studie „Vom Starkregen-Management zur klimaresilienten Stadt“ bei der RPTU Kaiserslautern in Auftrag gegeben. Die Initiative wird vom Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) unterstützt.
Starkregen, Sturzfluten, Hochwasser, Sturm, Hagel, Hitze, Trockenheit … – die Studie zur Klimasicherheit sei als „Weckruf“ zu verstehen, die Städte und Gemeinden in Deutschland besser zu präparieren, sagt Prof. Theo Schmitt. Ein „Weiter so“ dürfe es nicht geben. Klima-Anpassungskonzepte seien dringend notwendig.
Überflutungen und Hochwasser in den Städten
Laut RPTU-Studie müssen Städte und Gemeinden klimasicherer werden
Foto: LucyKaef / Pixabay
Wichtig dabei: der Kampf gegen Hochwasser in den Städten. Hier fordert Schmitt, dass Städte und Gemeinden zu einem Starkregen-Risikomanagement verpflichtet werden. Die Kommunen müssten künftig Gefahren- und Risikokarten erstellen. „Bei solchen Warnkarten ist die Topografie mit lokalen Grünflächen und dem Gefälle wichtig. Außerdem natürlich die Meteorologie. Und es kommt entscheidend auch auf die Kapazität von Kanalsystemen an. Was wir dringend brauchen, ist eine systematische Analyse der örtlichen Gefahrenlage – eine ‚Übersetzung‘ von Regenmengen in die konkrete lokale Gefahr einer Überflutung“, sagt Schmitt. Warnkarten seien die Basis für ein effektives Starkregen-Wassermanagement, das bundesweit dringend notwendig sei.
„Auf Risikokarten muss Straße für Straße – bis aufs einzelne Haus genau – die Überflutungsgefahr eingetragen werden. Es geht darum, mit der Starkregen-Risikokarte die Wirkung von Sturzfluten digital zu simulieren. So können Städte ‚wassersensibel` entwickelt werden“, erläutert Prof. Schmitt. Vor allem auch Hausbesitzer würden von Starkregen-Risikokarten profitieren. Sie könnten damit ganz individuell mehr Vorsorge und dadurch Gebäudeschutz betreiben – von der Dachbegrünung (zur Zurückhaltung und Verdunstung von Wasser) bis zum Bau von geschützten Kellereingängen, Lichtschächten und Tiefgarageneinfahrten.
Schwachstellen des Hauses ermitteln
Es komme bei privaten und öffentlichen Gebäuden genauso wie bei Gewerbeimmobilien darauf an, gezielt die Schwachstellen eines Hauses zu ermitteln und diese umzubauen. Prof. Schmitt warnt dabei vor „punktuellen Sanierungen“: „Es geht nicht nur um die bislang bekannten und akuten Starkregen-Hotspots. Heftige Gewitter mit anschließenden Überflutungen werden mehr werden – und sie werden immer mehr Kommunen treffen. Überhaupt werden Wetterextreme schlimmer – sie werden an immer mehr Orten, immer häufiger und heftiger auftreten.“
Außerdem gehören nach Angaben der RPTU Kaiserslautern Regenbecken, oberirdische Sammelflächen, Flutmulden und Notwasserwege zum systematischen Hochwasserschutz. Darüber hinaus seien Warnsysteme bei Unterführungen ebenso erforderlich wie ein Überflutungsschutz von Straßentunneln und unterirdischen Gleisanlagen.
Vor allem aber sei ein bundesweites Frühwarn- und Informationssystem notwendig: „Was wir brauchen, ist eine funktionierende ‚Risikokommunikation‘. Es bringt nichts, viele Menschen weiter im Ungewissen zu lassen. Dafür ist die Gefahr, die von Starkregen ausgeht, viel zu hoch. Deutschland muss sich auf das, was noch kommt, möglichst effektiv vorbereiten. Und dabei dürfen wir keine Zeit verlieren“, warnt Prof. Theo Schmitt weiter. Die Studie der RPTU Kaiserslautern macht deutlich: Beim Wasser stecken Städte in einem Dilemma. Zu viel und zu wenig Wasser – beides führt zu erheblichen Problemen und bringt wachsende Gefahren. Die Entwässerung der Zukunft für Wohnsiedlungen und Verkehrswege müsse Engpässe im Kanalnetz vermeiden. Nur das garantiere Schutz vor Überflutungen. Beim Kanalsystem der Zukunft gehe es um das optimale Transportieren, Reinigen, Speichern und Ableiten von Regenwasser.
Trockenheit und Wassermangel in den Städten
„Wichtig ist aber auch eine effektivere Nutzung des Regenwassers. Schon deshalb, weil immer weniger Grundwasser zur Verfügung steht. Das hat mit geringeren Schneefällen im Winter zu tun. Aber auch mit längeren Vegetationsperioden, die zu einer höheren Verdunstung führen“, sagt Schmitt. Die Folge seien weniger Grundwasser und gleichzeitig Niedrigwasser in Flüssen und Bächen.
„Neben Starkregen zwingen also auch fehlendes Grundwasser und anhaltende Trockenheit die Kommunen zu neuen Schutzkonzepten. Die Städte müssen künftig in der Lage sein, deutlich mehr Regenwasser deutlich besser ‚aufzusaugen‘. Mehr Bepflanzungen sind dabei ein wichtiger Punkt: die blau-grüne Stadt also. Ziel muss es sein, dass weniger Regenwasser in die Kanalisation abfließt: Wir brauchen ‚wasserbewusste Städte („Schwammstadt-Konzept“)‘, fordert Prof. Theo Schmitt.
Der Studienautor der RPTU Kaiserslautern plädiert dafür, Regenwasser verstärkt als Brauchwasser zu nutzen. Ebenso „Grauwasser“ – also leicht verschmutztes Abwasser. So sollten Privathaushalte zum Beispiel Duschwasser künftig stärker auch für die Toilettenspülung nutzen. Außerdem müsse die Trinkwasserversorgung besser vernetzt werden. Regionale Verbundsysteme zur Fernwasserversorgung seien dazu notwendig. Kommunale Anbieter müssten dabei intensiv kooperieren.
Hitze in den Städten
Begrünte Fassaden sind eine Möglichkeit, die Aufheizung von Städten zu verringern
Foto: Michaela Podschun
Die Studie zu Klima-Risiken in Städten stellt auch die Stadtplanung vor neue Herausforderungen: „Es wird höchste Zeit, dass die Rathäuser auf Hitze, Trockenheit und Dürreperioden reagieren. Städte brauchen ein Netz an Grün- und Freiflächen – Grünanlagen als ‚Klima-Komfort-Inseln‘. Dabei müssen die Kommunen stärker auf Pflanzen setzen, die Trockenheit vertragen. Außerdem brauchen Städte mehr Frischluftschneisen und Schattenplätze“, sagt Studienleiter Prof. Theo Schmitt.
Neue Klima-Risiken stellten allerdings auch Architekturbüros und Baustoffhersteller vor neue Herausforderungen: „Es geht um das optimale Klima in Innenräumen – Kühlungseffekte sind wichtig. Hier lässt sich über Schatten an Gebäuden genauso wie über Dach- und Fassadenbegrünung schon viel erreichen“, so Schmitt. (bhw/ela)