Wie ein zweischaliges Ziegelmauerwerk Heizung und Klimaanlage im Büro überflüssig macht

Ist es möglich, ein ganzjährig behagliches Gebäude ohne Heizung und Klimaanlage auf wirtschaftliche Weise zu realisieren? Eine interessante Lösung liefert ein Bürohaus in München-Gräfelfing: Hier spielte die Gebäudehülle aus zweischaligem Unipor-Ziegelmauerwerk eine zentrale Rolle.

Eine ganzjährig angenehme Raumtemperatur von 22 bis 26 Grad Celsius – ganz ohne Einsatz kostenintensiver Haustechnik. Die Heinrich Nabholz KG wünschte sich am Standort ihrer Hauptverwaltung im Westen der bayerischen Landeshauptstadt einen besonders nachhaltigen Büroneubau. Der mineralisch gefüllte „Unipor Coriso“-Ziegel  mit einer Gesamtdicke von 65 cm inklusive Putz und Mörtelfuge erfüllte diesen Anspruch.

Kompakter Gebäudekubus

Die fünf Stockwerke des Bürogebäudes wurden aus zweischaligem „Coriso“-Ziegelmauerwerk von Leipfinger-Bader errichtet
Foto: Heiko Stahl

Die fünf Stockwerke des Bürogebäudes wurden aus zweischaligem „Coriso“-Ziegelmauerwerk von Leipfinger-Bader errichtet
Foto: Heiko Stahl
Das Gebäude (52 m x 15,20 m) besitzt insgesamt fünf oberirdische Geschosse. Das Vierte ist etwas zurückgestaffelt, um Platz für eine Dachterrasse mit besonderer Atmosphäre zu schaffen und das ansonsten kompakte Erscheinungsbild optisch aufzulockern. Dazu leistet auch der relativ mittig und gegenüber der Fassade zurückgesetzt angeordnete Erschließungskern mit Eingangsbereich, Treppenhaus, Aufzügen und Sanitäranlagen einen wesentlichen Beitrag. Er verbindet den größeren südlichen Gebäudetrakt mit dem kleineren nördlichen Teil. Die nutzbare Bürofläche verteilt sich auf insgesamt neun Büroeinheiten, die in Größe und Zuschnitt der einzelnen Räumlichkeiten variieren und so unterschiedliche Nutzeransprüche erfüllen.

Am „Bürohaus 2226“ in Lustenau orientiert

Der Verzicht auf die übliche Haustechnik erforderte vom Architekten Bernd-Simon Schwarz vom Schwarz Architekturbüro aus Altdorf eine veränderte Herangehensweise. Ein allzeit angenehmes Raumklima lässt sich nämlich auch mithilfe wärmetechnisch optimierter Außenwände und Decken sowie einer lüftungstechnisch durchdachten Innenraumkonzeption erzielen.

Das 2013 erbaute „Bürohaus 2226“ im Millennium-Park im österreichischen Lustenau zeigt beispielhaft, wie die Auslassung von Heiz- und Klimatechnik unter anderem durch ein zweischaliges Ziegelaußenmauerwerk wirtschaftlich realisierbar ist.  Der Name „Bürohaus 2226‘ verweist auf die Raumtemperatur von 22 bis 26 Grad Celsius.

Dicke der Gebäudehülle wird reduziert

Der dämmstoffgefüllte „Coriso“-Mauerziegel lässt sich gut verarbeiten, so dass der Büro-Rohbau zügig entstand
Foto: Heiko Stahl

Der dämmstoffgefüllte „Coriso“-Mauerziegel lässt sich gut verarbeiten, so dass der Büro-Rohbau zügig entstand
Foto: Heiko Stahl
Wie beim Bauwerk in Lustenau entschieden sich die Planer aufgrund der gleichermaßen guten wärmedämmenden wie speichernden Eigenschaften für ein zweischaliges Ziegelmauerwerk. Da sich jeder Zentimeter eingesparter Außenwanddicke in zusätzlicher Nutzfläche auszahlt, wird durch den Einsatz dämmstoffgefüllter „Unipor Coriso“-Ziegel die Dicke der Gebäudehülle minimiert.

Beim Lustenau-Gebäude beträgt die Dicke der Gebäudehülle noch 81,8 cm. Sie reduziert sich beim Münchener Projekt durch eine Außenschale aus 30 cm dicken „Unipor WS08 Coriso“-Ziegeln und einer ebenfalls 30 cm dicken Innenschale aus „Unipor WS10 Coriso“-Ziegeln – zuzüglich trennender Mörtelfuge (1,5 cm), Kalkzementputz auf der Außen- und Kalkputz auf der Innenwand (2,0 cm beziehungsweise 1,5 cm) – auf insgesamt 65 cm.

Druckfeste WS10-Innenschale

Ein weiterer wichtiger Faktor ist neben dem erreichten geringen Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Wert) von 0,143 W/m²K auch die aufgrund des ausgeklügelten Lochbildes erzielte hohe Druckfestigkeit des „Coriso“-Ziegels. Die lastabtragende WS10-Innenschale gewährleistet durch eine Druckfestigkeit von 5 MN/m² (Festigkeitsklasse 12) auch bei fünf Geschossen eine sichere Tragfähigkeit der Außenwand. Zum ökologischen Anspruch des Projektes passte auch die Auswahl des Wandbaustoff-Lieferanten. Hier entschieden sich Planer und Bauherr für die niederbayerischen Ziegelwerke Leipfinger-Bader aus Vatersdorf, deren mineralisch gefüllte „Coriso“-Mauerziegel am Standort in Mainburg-Puttenhausen (Landkreis Kelheim) hergestellt werden.

Simulation von Wärmebrücken

Die Projektverantwortlichen gaben beim Energieverbrauch den Effizienzhausstandard 55 für Nichtwohngebäude vor. Statt energiezehrender Heiztechnik werden zur Erwärmung der Büroräume ausschließlich natürliche Quellen wie Körperwärme oder ebenso technische Gegenstände wie Lampen und PCs genutzt. Ihre Abwärme wird in den massiven Ziegelwänden zwischengespeichert und zeitverzögert an den Innenraum abgegeben. Ähnliches gilt aufgrund ihrer hohen Speicherkapazität für die 24 cm dicken Stahlbeton-Fertigteildecken mit ihrer Sichtbetonunterseite. Sie wirken im Sommer wie ein Kältespeicher und tragen so ebenfalls zur angenehmen Raumtemperatur bei.

Der besondere Einfluss der Gebäudehülle auf das Raumklima erforderte zudem die Minimierung von Wärmebrücken. Deshalb wurden in allen relevanten Anschlussbereichen an die Außenwand, wie beispielsweise zwischen Fensteröffnungen und Mauerwerk sowie der Dachhautanbindung, sehr effiziente Dämmlösungen verwirklicht. Ihre Wirksamkeit ließ sich durch überaus detaillierte und realitätsnahe Wärmebrückensimulationen rechnerisch überprüfen. Der Aufwand hat sich gelohnt: Unter Berücksichtigung aller zu erwartenden Wärmelasten konnte nachgewiesen werden, dass wie gewünscht eine ganzjährige Raumtemperatur von 22 bis 26 Grad Celsius erreicht wird.

Hohe Qualität bei der Mauerwerkserstellung

Eine 65 cm dicke Ziegelwand sorgt im Gräfelfinger Bürogebäude für hohen Wärmeschutz. Sie besteht aus einer Außen- und einer Innenschale von jeweils 30 cm zuzüglich Mörtelfuge
Foto: Heiko Stahl

Eine 65 cm dicke Ziegelwand sorgt im Gräfelfinger Bürogebäude für hohen Wärmeschutz. Sie besteht aus einer Außen- und einer Innenschale von jeweils 30 cm zuzüglich Mörtelfuge
Foto: Heiko Stahl
Das Rohbauteam des Generalunternehmers, der C + P Schlüsselfertiges Bauen GmbH & Co. KG aus Angelburg, erstellte das Außenmauerwerk entsprechend der Zulassung Z-17.1-1114 („WS08 Coriso“) beziehungsweise Z-17.1-1021 („WS10 Coriso“) und den Bestimmungen der DIN EN 1996 mit deckelndem Dünnbettmörtel. Dank seiner leichten Verarbeitung erwies sich der „Unipor Coriso“-Mauerziegel auch bei seiner Verlegung als wirtschaftlich vorteilhafter Baustoff. Besondere Sorgfalt erforderte dabei die Ausführung der ersten Mauerwerksschicht aus Kimmsteinen, um einen Ausgleich von Deckenunebenheiten zu schaffen. Sie diente angesichts des Ziegelformates zudem der Anpassung der Außenwand an die Geschosshöhe.

Autor

Dipl.-Ing. Hans-Gerd Heye ist Bauingenieur und schreibt als freier Fachjournalist unter anderem für die bauhandwerk. Er lebt und arbeitet in Braunschweig.

Baubeteiligte (Auswahl)

Bauherr Heinrich Nabholz KG, Gräfelfing,
www.nabholz.de

Planung Schwarz Architekturbüro, Altdorf bei Nürnberg, www.schwarzarchitekturbuero.de

Generalunternehmer und Verarbeiter
Rohbau C+P Schlüsselfertiges Bauen, Angelburg, www.cpbau.de

Zweischalige Außenwand Außenschale 30 cm
„Unipor WS08 Coriso“-Ziegel, Innenschale 30 cm „Unipor WS10 Coriso“-Ziegel

Ziegelhersteller Ziegelwerke Leipfinger-Bader, Vatersdorf, www.leipfinger-bader.de

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