Wie Handwerksbetriebe von der Bauwende profitieren und dabei wettbewerbsfähig bleiben

Nachhaltiges Bauen ist kein Trend, sondern eine Notwendigkeit. Doch wie können Handwerksbetriebe in der Praxis von der Bauwende profitieren? Von innovativen Baustoffen über energieeffiziente Systeme bis hin zur gezielten Beratung: Dieser Artikel zeigt, wie Fachbetriebe zur Klimawende beitragen können.

Die Diskussion um die Bauwende hat in den vergangenen Jahren an Dynamik gewonnen und stellt die Baubranche vor weitreichende Herausforderungen. Konkret geht es dabei um eine Hinwendung zu einer nachhaltigeren Bauweise, die sparsam mit Materialien umgeht und weniger schädliche Treibhausgase verursacht. Dabei wird anders als bisher die gesamte Lebensdauer eines Gebäudes betrachtet: von der Materialwahl und Errichtung über die Nutzung bis hin zur Sanierung und dem Rückbau. Denn ohne umfassende Veränderungen in der Bauwirtschaft lässt sich der Gesamtausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid (CO2) nicht reduzieren, und das Erreichen der Klimaziele der Europäischen Union und Deutschlands rückt in weite Ferne.

„Graue Energie“ bestmöglich nutzen

Um die „Graue Energie“ auch bei Neubauprojekten weitestgehend zu reduzieren, sollten Handwerksbetriebe zu einer recyclingfähigen Fassadendämmung raten
Foto: Saint-Gobain Weber

Um die „Graue Energie“ auch bei Neubauprojekten weitestgehend zu reduzieren, sollten Handwerksbetriebe zu einer recyclingfähigen Fassadendämmung raten
Foto: Saint-Gobain Weber
Zunehmend Beachtung findet aktuell der Begriff „Graue Energie“. Anders als die „Goldene Energie“, die den ideellen und immateriellen Wert eines Bauwerks beschreibt, bezeichnet „Graue Energie“ die Energiemenge, die zur Herstellung, zum Transport und zur Entsorgung von Baustoffen benötigt wird. Bei Bestandsbauten ist diese Energie bereits investiert. Die Herausforderung besteht darin, den Energieeinsatz während dieser Phasen zu optimieren und gleichzeitig den Energieverbrauch für zukünftige Nutzungen zu reduzieren. Dies gelingt etwa, indem man unnötige Neubauten vermeidet, bestehende Strukturen erhält und Baumaterialien wiederverwendet. Auf diese Weise wird der Bedarf an neuen Baustoffen erheblich verringert.

Bauherren sind oft skeptisch, ob wiederverwendete Materialien die gleichen Eigenschaften wie neue bieten, insbesondere in Bezug auf  Tragfähigkeit, Brandschutz oder Energieeffizienz. Leider fehlen noch klare Normen und Standards, die die Qualität von wiederverwendeten Baustoffen sicherstellen. Durch Langzeitstudien versucht die Bauindustrie diese Lücke zu schließen. So forscht beispielsweise Saint-Gobain Weber mit EU-Förderung an der Wiederverwendbarkeit des gesamten Systems. Es bedarf  jedoch eines Zusammenwirkens aller Beteiligten und eine grundlegende Bereitschaft, „die Extrameile zu gehen“, wenn wir die ehrgeizigen Klimaziele erreichen wollen.

Diese Extrameile bedeutet nämlich zusätzliche Schritte im Bauprozess, wie die sorgfältige und sortenreine Demontage, Reinigung und Lagerung der Bauteile und Baustoffe. Das bedeutet Zeitaufwand und verursacht Kosten. Neue Baustoffe sind in der Regel billiger oder einfacher zu beschaffen als recycelte Materialien. Außerdem sind viele Gebäude und Systeme (noch) nicht auf „Kreislauffähigkeit“ ausgelegt. Stattdessen wird noch immer linear gebaut – vom Materialeinsatz bis zur Entsorgung. Es fehlen also bereits in der Planungsphase Ansätze und auch Anreize, die Wiederverwendung von vornherein mitzudenken.

Chancen für Handwerksbetriebe

Für Handwerksbetriebe birgt die Bauwende einige neue Herausforderungen, aber auch erhebliche Chancen. Der Beratungsbedarf bei Auftraggebenden hinsichtlich der Verwendung klimafreundlicherer Baustoffe ist hoch. Wichtig ist zu vermitteln, dass bereits kleine Entscheidungen, wie die Wahl nachhaltiger Materialien oder die Minimierung von Abfällen, Auswirkungen auf den ökologischen Fußabdruck haben.

Handwerksbetriebe können durch gezielte Beratung der Bauherrn durchaus ihren Teil zur Bauwende beitragen. Bei der Sanierung und Modernisierung alter Gebäude etwa bringen sie das notwendige Know-how ein, um Fassaden, Innenwände oder alte Bodenflächen so zu sanieren, dass kein unnötiger Abfall anfällt. Die Hauptargumente für eine nachhaltige Sanierung liegen in der Kostenersparnis durch längere Lebenszyklen des Gebäudes ebenso wie in der geringeren Umweltbelastung.

Ein sparsamer Umgang mit Ressourcen reduziert den ökologischen Fußabdruck
Foto: stock.adobe/Michal

Ein sparsamer Umgang mit Ressourcen reduziert den ökologischen Fußabdruck
Foto: stock.adobe/Michal
Bei Neubau-Projekten sollten Handwerker immer auf die Verwendung recyclingfähiger Baustoffe hinweisen, die nach Ablauf der Nutzungsdauer eine sortenreine Trennung ermöglichen. Denn eins ist abzusehen: Durch die wachsende Nachfrage und den wachsenden Bedarf an wiederverwendbaren Baustoffen wird der Einsatz von Verbundbaustoffen in Zukunft zurückgehen, weil die sich im Rückbau nicht mehr sortenrein trennen lassen. Diese Trennung ist jedoch die Voraussetzung für die Wiederverwendbarkeit der Baustoffe.

Einsatz recycelter Baustoffe

Trennbare und damit kreislauffähige Systeme sind also gefragt. Ein Beispiel dafür ist das recyclingfähige Wärmedämm-Verbundsystem „weber.therm circle“ von Saint-Gobain Weber. Alle Komponenten des WDVS – Dämmstoff, Dübel, Gewebe und mineralische Putzmörtel – können nach Ende der Nutzung sortenrein getrennt und der Wiederverwertung zugeführt werden. Doch nicht nur beim Komplett-Rückbau, auch bei An- oder Umbauten profitieren Bauprofis von einer schnellen und sauberen Demontage. Beim Entfernen verklebter Systeme bleiben für gewöhnlich Reste der Dämmplatte auf der Fassadenoberfläche haften. Werden diese abgestemmt entstehen Schäden, die das Anbringen der neuen Dämmplatten erschweren. Beim Rückbau von „weber.therm circle“ dagegen wird das Mauerwerk geschont und behält nahezu seinen Ursprungszustand, so dass die Fassadenfläche ohne aufwändiges Ausgleichen neu gestaltet werden kann.

Klimafreundliche Materialien nutzen

Neben kreislauffähigen Produkten sind umweltfreundliche und emissionsarme Materialien ein weiterer zentraler Bestandteil des nachhaltigen Bauens. Anerkannte Prüfzeichen wie Zertifikate oder Gütesiegel helfen Fachbetrieben und ihrer Kundschaft, bei der Materialauswahl gezielt auf nachhaltige Produkte zu setzen. Orientierung bieten zum Beispiel so genannte EPD (Environmental Product Declarations), die als eine Art Ausweis für die Umweltfreundlichkeit eines Produkts dienen. Auch eine Listung im Produktnavigator der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB) oder das EMICODE-Siegel, das Produkte kennzeichnet, die laut GEV-Richtlinie besonders emissionsarm sind, helfen dabei, nachhaltige Produkte zu identifizieren. 

Emissionsarme Kleber und Fugenmörtel bieten nicht nur eine hohe Qualität, sondern tragen auch zur Reduzierung der CO2-Emissionen bei        
Foto: Saint-Gobain Weber

Emissionsarme Kleber und Fugenmörtel bieten nicht nur eine hohe Qualität, sondern tragen auch zur Reduzierung der CO2-Emissionen bei        
Foto: Saint-Gobain Weber
Das Vorurteil, nachhaltige Produkte seien weniger leistungsfähig, ist erwiesenermaßen unbegründet. CO2-reduzierte Mörtel etwa bieten heute eine gleichwertige oder sogar bessere Leistungsfähigkeit. Sie erfüllen die hohen Anforderungen an Verarbeitbarkeit und Langlebigkeit und bieten teils zusätzliche Vorteile, wie der Hersteller Saint-Gobain Weber beweist: Durch dessen BlueComfort-Technologie werden beim Premium-Fliesenkleber „weber.xerm 842“ 98 Prozent des Zements durch ein mineralisches, hydraulisch abbindendes Bindemittel ersetzt, wobei die positiven Eigenschaften des Zements allesamt beibehalten werden. Diese Substitution spart bis zu 80 Prozent CO2 ein, und das bei gesteigerter Ergiebigkeit und verbesserten Verarbeitungseigenschaften. Nicht zuletzt kann mit dem kennzeichnungsfreien Verlegemörtel der gefürchteten „Maurerkrätze“, die durch den Hautkontakt mit zementhaltigen Bauprodukten ausgelöst wird, vorgebeugt werden.  Die „BlueComfort“-Produktfamilie umfasst aktuell vier Produkte für die Fliesenverlegung und wird sukzessive erweitert.

Fazit: Beitrag des Handwerks zur Klimawende

Die Betrachtung zeigt: Auch Handwerksbetriebe können zu wichtigen Akteuren in der Bauwende werden. Durch die Wahl nachhaltiger Materialien und kreislauffähiger Systeme und durch gezielte Beratung leisten sie einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Dabei bringt die Bauwende nicht nur Verantwortung mit sich, sondern bietet auch große Chancen für das Handwerk: Betriebe, die sich frühzeitig spezialisieren, sichern sich Wettbewerbsvorteile und tragen aktiv zur Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft bei.

Autor


Christian Poprawa ist Direktor Marketing bei der Saint-Gobain Weber GmbH in Düsseldorf.

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