So viel hält ein Dübel in unterschiedlichem Mauerwerk
Bei der Sanierung eines Einfamilienhauses mit einem WDVS soll die Fassade nicht nur verputzt, sondern teilweise mit Verblendsteinen in Natursteinoptik verkleidet werden. Durch einen Ausziehversuch verschafften sich Planer und Bauherren Sicherheit, dass die Dübel im Mauerwerk die Lasten aufnehmen können.
Verblendsteine auf WDVS
Die Eigentümer eines Einfamilienhauses in Rietberg wollen ihre Immobilie nicht nur mit einem WDVS auf einen aktuellen energetischen Standard bringen, sondern das 2,5-geschossige, 1965 errichtete Wohnhaus auch optisch aufwerten. Dazu werden Teile der Fassade nicht verputzt, sondern mit Verblendsteinen bekleidet. Deren Stützgewebe („Georete“) muss komplett mit Dübeln an der Dämmfassade befestigt werden, da die Verblendsteine nicht – wie bei einer Klinkerschale – auf dem Fundament stehen. Mit etwa 0,7 kN pro Quadratmeter wird das Mauerwerk durch die Naturverblendsteine belastet. Kein Pappenstil, aber auch kein dramatisch hoher Wert. Doch nachdem den Bauherren, die das Haus kurz zuvor gekauft hatten, beim Rückbau und bei vorbereitenden Arbeiten allerhand nicht fachgerecht ausgeführte An-, Um- und Ausbauten aufgefallen waren, wollten sie bei der Befestigung der Natursteinelemente auf Nummer Sicher gehen. Zumal die Außenwände zum größten Teil aus Leichtbeton-Hohlblocksteinen bestehen, denen sie keine große Tragkraft zutrauten.
Leichtbetonsteine und Hochlochziegel
„Ich glaube nicht, dass die Leichtbetonsteine ein Problem sein werden. Da sind die Hochlochziegel schon kritischer“, meint Dipl.-Ing. Christian Keitzl. Seine erste Einschätzung basiert auf Erfahrung, denn der Marktfeldmanager Baustellen-Projekt-Management der Firma Würth beschäftigt sich seit Jahren professionell mit ähnlichen Fragestellungen. Um seine Vermutung zu verifizieren, hat er ein Messgerät mitgebracht, mit dem sich die Auszugskraft von Dübeln ermitteln lässt.
Testobjekt ist der Dämmstoffdübel W-DD-N aus dem Hause Würth, ein Schlagdübel mit Spreiznagel und einem 60 mm großen Teller in der Dimension 8 x 200, der für eine Dämmstoffdicke von 160 mm ausgelegt ist. Insgesamt werden auf der gesamten Wandfläche 15 Messwerte ermittelt. Die fünf schlechtesten Ergebnisse werden dann gemittelt und als Grundlage für die Beurteilung herangezogen.
Immer ohne Schlag bohren
Im ersten Schritt bohrt Christian Keitzl mit dem 8 mm Bohrer ein Loch in die Hauswand – und zwar ohne Schlag. „Das wird immer wieder falsch gemacht: In Mauerwerk bohrt man grundsätzlich nur im Drehgang, weil die Schlagfunktion Schäden an den Mauersteinen (Ziegeln) verursachen kann“, erklärt der Experte. Danach reinigt er das Bohrloch mit einer Luftpumpe von Bohrmehl. Nur so können Dübel ihre volle Auszugskraft erreichen. Und auch dies wird im Baustellenalltag oft nicht gemacht. Im zweiten Schritt schlägt er den Dübel in das so vorbereitete Bohrloch; eine Distanzhülse aus Kunststoff simuliert den nicht vorhandenen Dämmstoff und sorgt dafür, dass der Dübel nicht zu tief im Loch verschwindet.
Dann setzt Keitzl das Messgerät genau mittig über dem Dübel an. „Es ist wichtig, dass genau senkrecht zum Mauerwerk gezogen wird, um aussagekräftige Werte zu erhalten“, erläutert Christian Keitzl. Mit einer Spindel bringt er jetzt die Zugkraft auf den Dübel, ein Messgerät mit Schleppzeiger zeigt an, welche Kraft dabei aufgewendet wird. Mit jeder Umdrehung der Kurbel steigt der Wert auf der Anzeige, 0,7 kN sind schnell überschritten, das heißt, schon ein einziger Dübel pro Quadratmeter wäre rechnerisch der Belastung gewachsen. Erst bei 1,49 kN nimmt der Experte ein leichtes Knistern wahr. Ein Zeichen dafür, dass sich der Dübel bewegt und langsam aus dem Loch gezogen wird. Tatsächlich sinkt die Momentan-Anzeige der Zugkraft jetzt, der Schleppzeiger ist aber auf dem maximalen Wert stehengeblieben. Christian Keitzl ist zufrieden: „Es ist ein gutes Zeichen, dass der Dübel nicht schlagartig versagt, sondern die Zugkraft nach dem Erreichen des Maximalwertes langsam abnimmt“. Da auch die 14 weiteren Messungen ähnliche Werte liefern – in mehreren Fällen ist der Leichtbetonstein sogar so stabil, dass der Dübel nicht aus dem Loch schlüpft, sondern bricht – steht der Befestigung der Natursteine auf dem WDVS nichts entgegen. Zumal dabei pro Quadratmeter in der Fläche 6,37 Dübel gesetzt werden, am Rand sogar 12, jeder also nur ein Sechstel der Last von 0,7 kN aufnehmen muss.
Auswertung mit Sicherheitsreserve
In seinem Prüfbericht zieht Christian Keitzl nur die fünf niedrigsten Messwerte für die Auswertung heran. Eine von mehreren Sicherheitsreserven bei der Beurteilung des Auszugsversuchs, der auf Grundlage der Leitlinie für die europäische technische Zulassung (ETAG 014) durchgeführt wurde. Auf Grundlage dieser Richtlinie macht er einen Vorschlag, wie die Ergebnisse interpretiert werden sollen: So wird als Charakteristische Last nicht der Mittelwert der kleinsten Bruchlasten von 1,56 kN angenommen, sondern dieser Wert mit 0,6 multipliziert (0,94 kN). Für die Bemessung der Tragfähigkeit teilt er diesen Wert dann noch durch den Materialteilsicherheitsbeiwert γM = 2,0. Mit dem so ermittelten Designwert NRD (0,47 kN) rechnen Baustatiker üblicherweise. Im vorliegenden Fall wird die zulässige Last sogar noch niedriger angesetzt, indem der Designwert durch einen angenommenen Teilsicherheitsbeiwert der Einwirkung von γF = 1,4 geteilt wird. Somit kann jeder Dübel mit 0,34 kN belastet werden. „Wir legen bei der Bemessung der Dübel einen Zeitraum von 50 Jahren zu Grunde. Die verschiedenen Sicherheitsbeiwerte tragen zum Beispiel dem Umstand Rechnung, dass Materialien Alterungsprozessen unterworfen sind oder dass die Dübel auch durch Temperatur und Feuchtigkeit beeinflusst werden. Außerdem wird im Baustellenalltag auch nicht immer jeder Dübel ganz nach Vorschrift gesetzt“.
Dass das Bohren mit Schlag die Belastbarkeit der Verdübelung signifikant verschlechtert, hat Christian Keitzl auf dieser Baustelle ebenfalls stichprobenartig untersucht. So versagt der Dübel in einem so gebohrten Loch in dem gleichen Leichtbetonstein bereits bei 1,16 kN, kann also 0,4 kN (das entspricht etwa 40 kg) weniger Last aufnehmen.
Hochlochziegel deutlich schwächer
Als deutlich weniger belastbar erweist sich – wie Christian Keitzl anfangs vorhergesagt hatte – der Hochlochziegel. Dieses Material wurde an Fensteröffnungen sowie in einem Anbau verbaut. Bei einem Versuch an einem Probeziegel bleibt der Schleppzeiger schon bei 0,55 kN stehen. „Bei dieser Ziegelart hat man oft eine breitere Streuung der Messwerte, die stark davon abhängen, ob man einen Steg getroffen hat oder nicht.“ Um optimale Auszugswerte zu erreichen, sei es besonders bei dieser Ziegelart wichtig, auf keinen Fall mit Schlag zu bohren, da durch die Schläge das relativ spröde, dünnwandige Material geschädigt werde. Da es sich um einen modernen Ziegel handele, sei hier ohnehin kein Ausziehversuch nötig. Stattdessen könne man die entsprechenden Werte der Zulassung entnehmen. „Bei der vom Hersteller der Steinfassade vorgeschriebenen Dübelanzahl von mehr als sechs, beziehungsweise 12 Dübeln pro Quadratmeter erreicht unser W-DD-N aber auch in diesem Ziegel locker die erforderlichen Tragfähigkeitswerte“, fasst Christian Keitzl zusammen.
Italienisches Design
Außerdem nehme ja auch der Kleber des WDVS einen Teil der Last auf. Malermeister Armin Regenberg wird hier ein System von Brillux mit der 160 mm dicken Polystyrolplatte TQ 3871 anbringen, das mit dem Pulverkleber 3550 befestigt, vollflächig armiert und verdübelt wird. Dort, wo keine Steinfassade angebracht wird, erhält die Fassade eine Oberfläche aus „Rausan“ Kratzputz.
Die Steinplatten werden mit dem System des Herstellers Geopietra auf dem WDVS befestigt. Dazu bettet Francesco Rössler ein spezielles Stützgewebe des Herstellers in einen ebenfalls eigens entwickelten Kleber ein und verdübelt das Ganze mit dem W-DD-N. Auf diesen Untergrund werden die unregelmäßigen Kunststeine mit der Natursteinoptik dann einzeln mit dem gleichen Kleber aufgeklebt, um so die Illusion eines Natursteinmauerwerks zu erzeugen.
Fazit
„Wird schon halten“ taugt als Grundsatz allenfalls im privaten Bereich. Planer und Handwerker sollten sich bei der Bemessung von Befestigungsmitteln entweder auf die Zulassungen der Hersteller verlassen, oder – wenn das nicht möglich ist – die Einschätzung von Spezialisten wie Christian Keitzl beziehen, der als Marktfeldmanager Baustellen-Projektmanagement bei der Adolf Würth GmbH & Co. KG verlässliche Beurteilungen abgeben kann. Das ist besonders beim Bauen im Bestand wichtig. Denn eine Reklamation wegen versagender Befestigungen ist oft nicht nur kostspieliger als eine Prüfung vorab, sie ist auch schlecht für den Ruf eines Handwerksunternehmens. Außerdem könnten durch herabstürzende Bauelemente oder Fassadenteile auch Menschen verletzt werden.
AutorThomas Schwarzmann ist Redakteur der Zeitschriften bauhandwerk unddach-holzbau.
Baubeteiligte (Auswahl)
Planung Kofi Adomako, Paderborn
Bauleitung Schritt Zwei GmbH, Paderborn
Bauunternehmen Fecke Massiv-Haus-Bau,
Delbrück, www.fecke-massivhausbau.de
WDVS Malermeister Armin Regenberg, Rietberg, www.malermeister-regenberg.de
Steinfassade Italienisches Design in Stein,
Francesco Rössler, Osnabrück,
www.italienisches-design-in-stein.com
Dübel-Auszugsversuch Dipl.-Ing. Christian Keitzl, Adolf Würth, Bad Mergentheim
Herstellerindex (Auswahl)
Dämmstoffdübel W-DD-N 8x200, Adolf Würth,
Bad Mergentheim, www.wuerth.de
WDVS „Qju“ mit Dämmplatte TQ 3871, Pulverkleber 3550, Perimeterdämmung, Vollarmierung und Kratzputz „Rausan“, Brillux, Münster, www.brillux.de
Kunststein „Murogeopietra“, Geopietra, Gavardo/Italien, www.geopietra.de