Architekt Alexander Brenner baut sein eigenes Research House zum Experimentieren

Mit Wohnhäusern und Villen für Anspruchsvolle hat sich der Stuttgarter Architekt Alexander Brenner einen Namen gemacht. Nun hat er sein eigenes Haus gebaut und diese Gelegenheit für ein paar Experimente genutzt. Hinter 75 cm dicken Wänden verbergen sich erstaunlich lichte, weite Räume.

Zu den Nachbarhäusern zeigt sich das Gebäude eher verschlossen. Die Betonfassaden wurden von Hand abgespitzt und scheinen wie Fels aus dem Boden zu wachsen
Foto: Zooey Braun

Zu den Nachbarhäusern zeigt sich das Gebäude eher verschlossen. Die Betonfassaden wurden von Hand abgespitzt und scheinen wie Fels aus dem Boden zu wachsen
Foto: Zooey Braun
„Brenner Research House“ nennt Alexander Brenner das Wohnhaus, das er als sein eigener Bauherr in Stuttgart errichtet hat. Das Wort „Research“ formuliert den Anspruch, mit diesem Gebäude die eine oder andere Neuerung zu testen. Die Unbeschwertheit und Freiheit, mit der Alexander Brenner die Räume seines Hauses erforscht hat, ist überall spürbar. Auch die Lust am Experiment, an der Verwendung von Materialien und an der Arbeit an Baumethoden. Für ihn ist es gleichzeitig eine „gebaute Autobiographie“, da er 30 Jahre Baupraxis einfließen lässt.

Ungewöhnlich ist bereits die Fassade. Um auf Dämmstoffe verzichten zu können, die häufig auf Erdölbasis produziert werden, besteht die Hülle aus 50 cm dickem Porenbeton mit dämmenden Lufteinschlüssen, der sich hinter einer äußeren Schale aus 25 cm Sichtbeton verbirgt. Sollte das Haus jemals abgerissen werden, entsteht kein Sondermüll, sondern sortenreines mineralisches Material, das sich gut recyceln lässt.

Gehämmerter Beton auch im Inneren

Die Hauptflächen werden gespitzt, so dass der verwendete Zuschlag aus Kalkstein sichtbar wird
Foto: B-and

Die Hauptflächen werden gespitzt, so dass der verwendete Zuschlag aus Kalkstein sichtbar wird
Foto: B-and
Der Sichtbeton präsentiert sich handwerklich veredelt, denn ein Steinmetz hat über mehrere Wochen sämtliche Oberflächen abgespitzt, sodass der regionale Zuschlagstoff Kalkstein zum Vorschein kommt. Das gibt dem Gebäude eine beigefarbene, warme Anmutung. Rau wie ein Fels scheinen die Fassaden nun direkt aus dem steilen Gelände zu wachsen. Zu den Nachbarhäusern zeigen sie sich beinahe festungsartig verschlossen, während sie sich zum Tal hin öffnen, in einer feinsinnigen Komposition aus gegeneinander verschobenen Glas- und Wandflächen. 

Die Brüstungen und waagerechten Flächen des Betons werden fein gestockt
Foto: B-and

Die Brüstungen und waagerechten Flächen des Betons werden fein gestockt
Foto: B-and
Auch im Inneren schufen die Steinmetze eine ganz besondere Atmosphäre durch den gehämmerten Beton an Einbauten, Treppen und Brüstungen, der an die steinerne Kraft historischer Gebäude erinnert. Das beruhigende Gefühl von Festigkeit und Haltbarkeit wird durch gekalkte Wände und Türblätter aus verkohlten, feuerbehandelten Eichenbohlen verstärkt.

Metalltafeln ins Garagentor integriert

Besucher stehen zunächst vor einer Stützmauer, die das Hanggrundstück zur Straße abgrenzt. In die Bekleidung aus Metalltafeln ist unauffällig das Garagentor integriert. Daneben gewährt eine schwere Schwingtür aus schwarzem Stahl Eintritt. Man findet sich in einem überdeckten Vorhof wieder, in dem eine kreisrunde Deckenöffnung für Helligkeit sorgt. Um dem einfallenden Zenitlicht einen warmen Charakter zu geben, trägt die runde Laibung der überglasten Öffnung eine goldfarbene Beschichtung. Zum Einsatz kam die Keim Design-Lasur, von Hand aufgetragen mit einem Lappen. Wegen des transparenten Bindemittels Wasserglas treffen die Lichtstrahlen ungehindert auf die Goldpigmente. Es entsteht ein besonders intensiver Farbeindruck, wie er mit einer Dispersionsfarbe wegen deren milchigem Bindemittel nicht möglich gewesen wäre.

Vom Vorraum fällt der Blick in die Garage, deren Wände ebenfalls mit der DesignLasur behandelt sind, allerdings in Kupfer. Der metallische Ton passt gut zu den Karosserien der dort geparkten Autos, gleichzeitig betont er die Eigenheiten des Putzuntergrundes und erzeugt somit eine Oberfläche von handwerklicher Lebendigkeit statt von industriell-sterilem Charakter.

Wände komplett in Gold getaucht

Vom Entree führt eine skulptural ausgeformte Treppe hinauf ins Atelier
Foto: Zooey Braun

Vom Entree führt eine skulptural ausgeformte Treppe hinauf ins Atelier
Foto: Zooey Braun
Eine skulptural ausgeformte Treppe aus Sichtbeton führt hier von der Halle mit dem Eingangsbereich in das erste Vollgeschoss. Dieser offene Atelierraum dient Alexander Brenner zum Malen und zur Arbeit an seinen Skulpturen, aber auch als vielseitig nutzbarer Raum für kleine Veranstaltungen, Hauskonzerte, Lesungen, Vernissagen und Ähnliches. Vorgelagert ist eine Terrasse mit schönem Talblick. Die Nebenküche, aber auch die Gästetoilette überraschen mit Wänden, die mittels der Design-Lasur komplett in Gold getaucht sind, ebenso wie auch viele andere Nebenräume und der Weinkeller. Wie bei den anderen lasierten Flächen entwickeln die metallischen Pigmente im Zusammenspiel mit den unterschiedlichen Untergründen, auf die diese aufgetragen wurden, ein faszinierendes Leuchten und Farbspiel. Ein Stockwerk weiter oben beginnen die Privaträume. Während sich das Schlafzimmer zur Aussicht hin orientiert, ist das Bad im hangseitigen Bereich angeordnet – von hier aus erreicht man über einen ellipsenförmigen Zugang auch ein kleines, höhlenartiges Caldarium mit Badewanne. 

Individuell gestaltete Oberflächen

Viel Platz zum Verweilen oder Lesen bietet die Fensternische, die neben dem Kamin in die dicke Außenwand eingelassen ist 
Fotos: Zooey Braun

Viel Platz zum Verweilen oder Lesen bietet die Fensternische, die neben dem Kamin in die dicke Außenwand eingelassen ist 
Fotos: Zooey Braun
Die Etage darüber bietet Platz zum Kochen, Essen, zum Verweilen oder Lesen in einer Fensternische, die neben dem Kamin in die dicke Außenwand eingelassen ist. Bei den Wänden entschied sich Alexander Brenner für einen Kalkputz von Keim, teilweise durchgefärbt in verschiedenen Tönen. Die Nuancen sind speziell nach seinen Vorstellungen aus den hauseigenen Dekorfarbpulvern des Unternehmens angemischt, wobei eher dunkle, erdige Pigmente zum Einsatz kamen. Diese wurden dann mit dem weißen Kalkspachtel „Athenit-Fino“ gemischt, sodass sanfte, pastellige Töne entstanden. Von Hand frisch abgeglättet, präsentiert sich der Putz mit einer leicht wolkigen, lebendigen Oberfläche.

Die oberste Etage schließlich dient als Wohnraum. Weil sie die beste Aussicht bietet, ist zur Talseite eine großzügige Dachterrasse vorgelagert
Foto: Zooey Braun

Die oberste Etage schließlich dient als Wohnraum. Weil sie die beste Aussicht bietet, ist zur Talseite eine großzügige Dachterrasse vorgelagert
Foto: Zooey Braun
Dem Architekten war es wichtig, dass das menschliche Tun, also das Handwerkliche, sichtbar ist und nicht die Menschenhand, die eine Maschine nachahmt. Gerade im Zusammenspiel mit den großen Glasflächen wirken die Wände mit ihrer individuellen Farb-Changierung weich und lebendig. Hinzu kommen die ökologischen und baubiologischen Vorteile von Kalkputz.

Natürliche Materialien

Die Verwendung von dauerhaften und natürlichen Materialien gehört bei Alexander Brenner und speziell bei diesem Haus ganz wesentlich zum Konzept. Denn Brenner glaubt, dass es das Nachhaltigste ist, wenn man die Dinge mit guten Materialien in guter Qualität realisiert und sie dann für eine sehr lange Zeit zu gebrauchen sind. Oberflächlichkeiten und kurzlebige Ausführungen sind seine Sache nicht. Eine präzise Vor- und Detailplanung sorgt dafür, dass die Wirkung der sorgfältig hergestellten Wandflächen weder durch Steckdosen, noch durch Lichtschalter oder andere störende Elemente beeinträchtigt wird – diese verbergen sich vielmehr im Einbaumobiliar. 

Die oberste Etage schließlich dient als Wohnraum. Weil sie die beste Aussicht bietet, ist zur Talseite eine großzügige Dachterrasse vorgelagert, welche die gesamte Hausbreite einnimmt. Eine raumhohe Verglasung mit minimierten Rahmen lässt Innen und Außen fließend ineinander übergehen und erhält dabei Unterstützung von den Bodenbelägen: Das Eichenparkett im Wohnraum mit seinem natürlichen Grauton korrespondiert mit dem des Natursteins auf der Dachterrasse.

Schwimmender Estrich als Test

Der schwimmende Estrich unter dem Parkett lagert aus ökologischen Gründen nicht wie üblich auf einer Trittschalldämmung aus Styropor, sondern auf einer Weichfaserplatte aus Holz – eine Konstruktion, die der Architekt erst an seinem eigenen Haus testen wollte, bevor er sie Bauherren empfiehlt. Es sind eine Unzahl besonderer Details wie dieses, die das Gebäude zu einem begehbaren, dreidimensionalen Experiment machen. Damit knüpft es im besten Sinne an die berühmten Case Study Houses an, mit denen amerikanische Architekten in den Jahren um 1950 neue Möglichkeiten beim Bau von Einfamilienhäusern ausprobierten.

Autor

Dipl.-Ing. Christian Schönwetter ist Architektur- und Designjournalist aus Stuttgart.

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