Massive Aufstockung des Fabrikgebäudes Kontorhaus in Leipzig

Mit der Aufstockung eines ehemaligen Fabrikgebäudes in Leipzig entstand exklusiver Wohnraum inmitten der Stadt. Der reliefierte Kammputz passt sich dabei einerseits an die horizontal betonte Bestandsfassade an und stärkt gleichzeitig durch seine flächige Wirkung das Volumen des Aufbaus.

Dem Kontorgebäude der ehemaligen Celluloidfabrik in Leipzig an der Ecke Holbeinstraße / Stieglitzstraße hatte das 2017 fertiggestellte Obergeschoss städtebaulich eigentlich schon immer gefehlt. Nicht, dass es vergessen worden wäre – es war einfach nicht vorgesehen gewesen, ließ aber an besagter Ecke eine stärkere bauliche Präsenz fehlen. Während das ebenfalls zum Fabrikareal gehörende, dreigeschossige Nachbargebäude von vornherein mit entsprechender Höhe sehr viel selbstbewusster in Erscheinung tritt, verfügte das Eckgebäude lediglich über Erdgeschoss und erstes Obergeschoss und somit über eine Gebäudehöhe von nur 8,60 m, die nun auf knapp 13,50 m ergänzt wurde. Ein sich zurücknehmendes, zurückspringendes mehr oder weniger transparentes Staffelgeschoss kam für die Architekten daher nicht in Frage. „Uns war die monolithische Wirkung des Aufbaus wichtig, um so das bestehende Volumen zu stärken“, erläutern die Architekten Christian Knoche und Gaby Kannegiesser, deren Büro die Aufstockung geplant und realisiert hat. „Daher haben wir uns für einen massiven Aufbau ohne Versatz zum Bestand entschieden.“

Während die beiden unteren Etagen als Büroflächen genutzt werden, unter anderem vom Büro Knoche Architekten selbst, befinden sich auf der neuen Etage eine 95 m2 und eine 205 m2 große Wohneinheit. Die Außenkanten der Aufstockung folgen dabei (fast) konsequent dem Bestandsbau. Lediglich zum rückwärtigen Hof gibt es im Bestand einen Vorbau. Hier läuft die neue Fassade im Staffelgeschoss gerade durch und die Dachfläche des Vorbaus wird im neuen Geschoss zu einem schmalen Balkon.

Dämmziegel mit Kammputz

Nachdem verschiedene Materialvarianten für die Aufstockung durchgespielt worden waren, fiel die Entscheidung schließlich auf Dämmziegel mit Strukturputz. Eine Konstruktion aus Stahl oder Holz ließ bauphysikalische Schwierigkeiten an der Schnittstelle zwischen Bestand und Neubau erwarten, da das Gesims des Altbaus nun die Brüstungshöhe des Aufbaus darstellt. „Bauphysikalisch war es die richtige Entscheidung, den Bestand möglichst homogen in Materialien mit vergleichbaren Wärmedurchgangskoeffizienten fortzuführen. Unter anderem deswegen fiel unsere Entscheidung auf Dämmziegel“, so die Architekten. Die in ihren Hohlräumen mit Mineralwolle verfüllten Ziegel haben eine Wärmeleitfähigkeit von 0,09 W/mK.

Blieb noch die Frage der Fassadengestaltung. Eine klassische Ziegelvorsatzschale hätte zuviel Gewicht in die Bestandskonstruktion eingebracht. Ziegelriemchen kamen für die Architekten aus optischen und architekturphilosphischen Gründen nicht in Frage. Lange war noch eine Verkleidung der Fassade mit Glasfaserbetonplatten im Gespräch. Doch auch diese Idee wurde verworfen, da die Fugen zwischen den Platten dem Konzept des monolithischen Aufbaus entgegengewirkt hätten. Die Entscheidung fiel schließlich auf einen Kammputz, dessen Fugenstruktur sich in seiner Horizontalität an den Bestand anpasst und dennoch in seiner Gesamtheit als Fläche wirkt.

Nach Abbruch des bestehenden Flachdachs und Rückbaus der Außenwände bis zum umlaufenden Sims, wurde auf die vorhandene Mauerkrone ein Höhenausgleich aufgebracht, auf den dann die beschriebene monolithische Gebäudehülle gemauert werden konnte. Die Außenwände erhielten einen mineralischen, faserarmierten Leichtputz als Unterputz sowie einen mineralischen, grau durchgefärbten Modellieroberputz, in den abschließend die Kammstruktur mit einer Reliefierung von 15 / 15 mm eingearbeitet wurde. Körnung und Konsistenz des Putzes mussten exakt nach den konkreten Vorgaben der Architekten abgestimmt werden, da sich nicht jeder Putz in der gewünschten Weise ziehen lässt. Den Abschluss der Attikakonstruktion oberhalb der Putzfläche bilden dünnwandige, glasfaserarmierte Betonteile, die verdeckt befestigt wurden.

Gewollt unperfekt

„Die Dietze Hochbau GmbH war für unser Bauvorhaben genau passend. Eine Firma aus der Region, bei der es noch üblich ist, dass der Chef regelmäßig auf die Baustelle kommt. Herr Dietze war sehr kooperativ und konnte eigentlich immer eine Lösung aus dem Ärmel zaubern, wenn es Not tat“, beschreibt Christian Knoche die gute Kooperation mit der Baufirma. „Sehr gut war auch die Zusammenarbeit mit der für den Fassadenputz zuständigen Firma Planum Bau- und Sanierungs GmbH, von denen mit viel Geduld und Liebe, aber auch dem notwendigen Verständnis für das, was wir uns als Architekten vorgestellt haben, der reliefierte Putz umgesetzt wurde.“ Für die Putzstruktur war zunächst ein Zahnspachtel-Werkzeug nach den geometrischen Vorgaben der Architekten hergestellt worden. Die Struktur setzten die Handwerker als exakt horizontal verlaufenden Reliefputz mit einer Holzlattenführung um. Andererseits war es den Planern wichtig, dass die Fläche nicht zu perfekt erscheint, weshalb jeweils nur einmal gezogen und nicht korrigiert wurde. Diese leichten Ungleichheiten und Unregelmäßigkeiten sind es, die die Verbindung zur Bestandsfassade mit ihrer Patina herstellen. „Die gute Kommunikation mit den Ausführenden, die erstmal verstehen mussten, dass sie natürlich keine groben Fehler erzeugen, aber eben auch kleine Fehlstellen nicht korrigieren sollten, der Austausch darüber, was handwerklich machbar ist und was nicht sowie die insgesamt sehr gute handwerkliche Ausführung sind heute keine Selbstverständlichkeit!“, so die Architekten.

Alles aus Ziegeln

Für die Verwendung von Porotonziegeln sprachen nicht zuletzt ihr geringes Gewicht und die leichter handhabbare Logistik auf der Baustelle. Daher wurden auch die neue Decke des bestehenden ersten Obergeschosses, die hier die alte Holzbalkendecke ersetzt, sowie die Decke beziehungsweise das Dach des neuen Geschosses als Ziegelmontagedecken (V-TEC, Typ 25+0) aus Ziegeln eines nahegelegenen Ziegelwerks mit integriertem Ringanker und Stahlträgern umgesetzt. Hierbei liegen vorgefertigte Ziegelgitterträger im Abstand von 64 cm wechselseitig in Wandtaschen der Außenwände, in Stahlträgerunterflanschen oder auf tragenden Innenwänden. Statisch notwendig waren für die Deckenverlegung Stahlträger bis zu einer Höhe von 300 mm. Die Gitterträger wurden vor Ort mit den Ziegeln aufgefüllt, die Stöße zwischen den Ziegelreihen ausbetoniert. Auch die Ziegeleinhängedecke ist konstruktiv gesehen eine Balkendecke, so dass die Struktur der alten Holzbalkendecke wieder aufgegriffen und in Ziegel und Stahl nachgebildet wurde.

Geringfügige Bestandsertüchtigung

Aus statischen Gründen war es nicht notwendig, die Fundamente des Bestands zu ertüchtigen, da diese für die Belastungen in einem Gewerbebau mit schweren, Schwingungen erzeugenden Maschinen ausgelegt worden war und somit die Anforderungen einer weiteren Wohnetage mittragen konnte. „Als gewerbliches Gebäude war der Bau mit höheren Deckenlasten gerechnet worden als sie nun durch die Büro- und Wohnnutzung anfallen. So hatte die Gründung quasi noch Reserven“, erläutert Architektin Gabi Kannegiesser. Allerdings war in einem ersten Schritt die Ertüchtigung der Gebäudeabdichtung notwendig gewesen. Mit dem Mauersägeverfahren wurde eine Horizontalsperre ergänzt und die Vertikalisolierung erneuert. Im ersten Geschoss hatte es zudem in einem großen Raum ohne Innenwände sechs gusseiserne Stützen gegeben, die rechnerisch nicht bestimmt werden konnten. Diese tauschten die Handwerker gegen sechs schlanke Stahlstützen, die nun die Lasten der Ziegeldecke an diesen Stellen aufnehmen. Brandschutztechnisch war es ausreichend, die Stützen mit einem F30-Anstrich zu versehen.

Was hingegen im Bestand verändert wurde, war das Treppenhaus, das in seiner alten Form zu groß war und nicht den brandschutztechnischen Vorgaben entsprach. Nun erfolgt die vertikale Erschließung zwar an gleicher Stelle, aber über eine kleinere, skulpturale Treppenkonstruktion aus Stahl, die von der Firma Stahlbau Künzel gefertigt wurde. Da diese Treppe weniger Platz beansprucht als ihre Vorgängerin, bot sich genug Raum für einen Aufzug. Für dessen Unterfahrt musste an dieser Stelle das Gebäude unterfangen werden.

Charakterstarke Grundrisse

Um den Charakter des Fabrikgebäudes ohne Vor- und Rücksprünge weiterzuführen und somit auf Balkone zu verzichten, erhielt die kleinere Wohnung eine Loggia an der Nordwestseite, während der Grundriss der großen Wohnung um einen quadratischen Patio herum organisiert ist. Über einen langen Erschließungsflur gelangt man rechter Hand in die offene Küche, von hier entgegen dem Uhrzeigersinn in den anschließenden Essbereich sowie nochmals um die Ecke in den Wohnraum. Zur Hofseite befinden sich weitere, voneinander getrennte, Zimmer. Sehr harmonisch wurde der, durch das abseits liegende Treppenhaus ungewöhnliche Grundriss mit einem Innenausbau in Eiche zusammengefasst. Die gesamte, etwa 11 m lange, rechte Seite des Eingangsflures, hinter deren Verkleidung sich unter anderem kleine Nebenräume aber auch Schrankelemente befinden, die Küchenfront und der dazugehörige Küchenblock sowie eine den Wohnbereich umschließende Regaleinheit erscheinen durch die einheitliche Furnierung wie aus einem Guss. Die von der Tischlerei Diedrich ausgesprochen sorgfältig und sauber ausgeführte Holzarbeit erzeugt einerseits schlichte Eleganz, andererseits eine warme, lebendige Ausstrahlung in der großzügigen Dachgeschosswohnung. Große Holz-Alu-Fenster und -schiebetüren zum Patio bringen zudem viel Licht in die relativ lang gestreckten Räume.

Fazit

Im Kontorhaus Leipzig zeigt sich sehr schön, was den Reiz am Bauen im Bestand ausmachen kann: Dass nämlich ungewöhnliche Bedingungen manchmal ungewöhnliche Maßnahmen erforderlich machen, die am Ende genau das Charakteristische ausmachen, was das Haus, das Gebäude, die Wohnung zu einem echten Unikat werden lässt. Ganz zu Recht wurde das Projekt 2017 mit dem Architekturpreis der Stadt Leipzig ausgezeichnet.

Autorin

Dipl.-Ing. Nina Greve studierte Architektur in Braunschweig und Kassel. Heute lebt und arbeitet sie als freie Autorin in Lübeck (www.abteilung12.de) und ist unter anderem für die Zeitschriften DBZ, bauhandwerk und dach+holzbau tätig.

Baubeteiligte (Auswahl)

Bauherr mediventure GmbH, Markkleeberg

Architekten Knoche Architekten BDA, Leipzig, http://knoche-architekten.de

Statik Mathes Ingenieure, Leipzig, www.ming.de

Rohbau- und Maurerarbeiten Dietze Hochbau, Wurzen, https://dietze-hochbau.de

Putzarbeiten Planum Bau- und Sanierungs GmbH, Leipzig

Möbelbau Tischlerei Diedrich, Leipzig, www.tischlerei-diedrich.de

Fensterbau Tischlerei Barth, Waltersdorf, www.tischlerei-barth.de

Stahltreppe Stahlbau Künzel, Marienberg, http://stahlbau-kuenzel.de

Estricharbeiten Otto-Estrich, Mehna, www.otto-estriche.de

Herstellerindex (Auswahl)

Ziegelsteine Wienerberger, AT-Wien, www.wienerberger.com

Mauermörtel Sakret, Berlin, www.sakret.de

Schalungselemente und Gerüst doka Schalungstechnik, Maisach, www.doka.com

Flachdachdämmung und Abdichtung Paul Bauder, Stuttgart, www.bauder.de

Weitere Informationen zu den Unternehmen
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