Fachwerksanierung: „Bunter Hof“ in Osterwieck als Modellprojektfür die energetische Sanierung
Der „Bunte Hof“ in Osterwieck ist ein über 400 Jahre altes Fachwerkgebäude, das zu einem Forschungsprojekt für die energetische Sanierung wurde. In jedem Geschoss wurden die Außenwände mal von außen, mal von innen mit unterschiedlichen Materialen gedämmt.
Beim „Bunten Hof“ in Osterwieck handelt es sich um den Südflügel eines aus dem 16. Jahrhundert stammenden Adelshofs. Er ist als letztes Gebäude dieser Ansammlung von Bauten unterschiedlicher Entstehungszeit übrig gebliebene. Aufgrund seiner baugeschichtlichen Bedeutung wurde er in Zusammenarbeit mit der BauBeCon Sanierungsträger GmbH, der Stadt Osterwieck, dem Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr Sachsen-Anhalt sowie der Deutschen Bundesstiftung Umwelt als Forschungsprojekt für die energetische Sanierung ausgewählt. Zudem waren die Ende vergangenen Jahres abgeschlossenen, 2,55 Millionen Euro teuren Umbau-, Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten ein Bildungsprojekt des Deutschen Fachwerkzentrums e. V., bei dem Schüler, Handwerker und Teilnehmer eines Freiwilligen Sozialen Jahres in Praxisseminaren Erfahrungen im handwerklichen Umgang mit einem historischen Fachwerkgebäude sammeln konnten.
Ein besonders schmuckvoller Fachwerkbau
Eine Besonderheit des von 1579 bis 1582 von Ludolph von Rössing errichteten Fachwerkgebäudes ist die geschmückte Nordseite: Ursprünglich waren die Brüstungsplatten mit ihrer Abfolge von Bögen und Säulen mit Kapitellen unterhalb der Fenster sogar mit Malerei verziert, die Büsten von Königen und Königinnen zeigten. Im Inneren sind dagegen zahlreiche Malereien der Renaissance und Grisaillemalereien vom Beginn des 17. Jahrhunderts erhalten geblieben, deren besondere Wirkung ganz in Grau, Schwarz und Weiß ausgeführt insbesondere auf der Schattenwirkung der Malerei beruht. Solche Malereien finden sich vor allem im prachtvoll ausgestatteten Toilettenraum in Höhe des Ostgiebels. Dort rahmen aufgemalte Beschlagwerks- und Rollwerksornamente, Früchte und Tiere bauzeitliche Fenster und Türöffnungen. Historische Ausstattungsteile wie Türen und Fenster des 16. bis 18. Jahrhunderts spiegeln die umfassende Baugeschichte des Gebäudes wider.
Sanierung der Fachwerkkonstruktion
Dass sich an einem so alten Gebäude auch Schäden finden würden, versteht sich von selbst. Daher bildete die Analyse der Schäden des Gefüges und die Konzeption einer die Substanz und Ressourcen schonenden Sanierung und Restaurierung den Ausgangspunkt der integrativen Planung. Zunächst stellte der Holzschutzgutachter die Schäden am Holz in Tiefe und Breite fest. Dann bestimmte der Statiker die Restquerschnitte der Hölzer und deren Tragfähigkeit. Die Sanierungsumsetzung wurde schließlich gemeinsam mit dem Planer und der Bauforschung diskutiert.
Auf Grundlage dieser Planung ertüchtigten die Zimmerleute sorgfältig die Fachwerkkonstruktion entlang der Nordfassade der oberen Stockwerke, reparierten den geschossweisen Abbund mit Ständern, Riegeln, Brüstungsplatten, Schwellen und Rähm. In Abstimmung mit der Denkmalpflege widmeten sich die Handwerker auch dem als Treppenhausturm erkerartig an die Nordfassade angebauten Wendelstein. Dessen Ständer und Schwellkranz hatten Umbauten im 18. Jahrhundert geschädigt, die von den Zimmerleuten ebenfalls wieder instandgesetzt werden mussten. Die Sicherungen beinhalteten sowohl Arbeiten des konstruktiven Holzschutzes, wie die Herstellung von Abtropfkanten oberhalb des Schwellkranzes und Brüstungsgesimses als auch die behutsame zimmermannsmäßige Instandsetzung schadhafter Hölzer durch Ausvieren, Anschuhen und Aufbohlen am Ständer und Riegel sowie Aussetzungen an den Gesimsbalken.
Ab März 2013 erfolgte die Ertüchtigung der Südfassade mit der Kartierung der Schäden, und in einem Seminar erfolgte schließlich die handwerkliche Ertüchtigung. Einen der ersten Arbeitsschritte bildete die Ergänzung fehlender Fachwerkdetails wie Knaggen im Erdgeschoss, der profilierten Gesimsbohle unterhalb der Traufe und der Schließung von Rückbauten im Fachwerk. Letztes betraf zwei Gebinde.
Zunächst nahmen die Zimmerleue in diesem Abschnitt eine Korrektur der verformten Schwelle vor und zogen anschließend auf der Rauminnenseite eine zweite Schwelle ein. Den fehlenden Ständer zogen sie in lotrechter Achse (Zapfenverbindung mit neuer Schwelle) und zwei der Riegel je seitlich des Ständers ein. Die Verlagerung der Last auf die neu eingezogene Schwelle erfolgte mit einem hinter dem Ständer eingezogenem Stempel und dessen Befestigung in der neuen Schwelle. Zwei Gebinde weiter östlich ergänzten die Handwerker die bauzeitliche Strebe, die durch den Einbau einer Fensteröffnung verschwunden war.
Restaurierung und Ergänzung der Gefache
Die Gefachfelder der Nordfassade inklusive des Treppenturms (Wendelstein) und des Westgiebels mauerten die Handwerker zum Teil neu aus. An der Nordfassade fanden sich Gefache aus dem 16. Jahrhundert, die noch aus Stakenhölzern mit Strohlehmputz und einem schützenden Kalkputz mit Anstrich bestanden. Da dieser Kalkputz in vielen Gefachen abgewittert war, putzten die Handwerker die bauzeitlichen Putzreste mit Fassungen vorsichtig an. Andere Gefache verputzten sie mit einem Lehmunterputz und abschließend mit einem Putz auf Kalkbasis von Otterbein. Diesen verwendeten sie auch für die mit Lehm- und Ziegelsteinen geschlossenen Gefache des 18. und 19. Jahrhunderts.
Die unteren Gefache des Treppenhausturms mauerten die Handwerker mit Bruchsteinen aus. Für die Gefache im ersten und zweiten Obergeschoss verwendeten sie Ziegelsteine. Zum Teil erfolgte der Verputz der Gefachaußenseiten auch hier mit Kalkputz von Otterbein.
Auch am Westgiebel mauerten die Handwerker einige Gefach des Giebeldreiecks neu aus. Zuvor brachten sie hier umlaufend an den Balken der Fachwerkkonstruktion Dreikantleisten an und verschlossen die Gefachfelder mit Lehmsteinen, die sie seitlich einnuteten.
In einem weiteren Seminar ertüchtigten die Teilnehmer bauzeitliche Gefache aus Stakenhölzern mit Flechtwerk und Strohlehmputz. Zunächst entfernten sie hierzu lose Putzflächen, rauten den Lehmuntergrund auf und feuchteten diesen an, um anschließend einen neuen Lehmputz aufzutragen. Hohlstellen stopften sie mit Strohlehmputz mit der Fugenkelle aus. Als Lehmputz verwendeten sie zur Reparatur des Flechtwerks einen fertig gemischten Lehmunterputz, der zum Teil mit Strohhäckseln versetzt war. Geschädigte Stakenhölzer tauschten sie aus und nahmen eine Lagekorrektur vor, wenn Staken sich nicht mehr in den Nuten der Riegelhölzer befanden.
Den Anstrich legte man nach Befund fest: die Gefachfelder erhielten einen Anstrich mit Kalkkasein in Altweiß, die Fachwerkkonstruktion einen mit einem Hartöl mit Farbpigmenten in Backsteinrot.
Im bauzeitlichen Korridor sind auf der Westseite in vielen Gefachflächen noch die Malereien der Renaissance zu erkennen. Hier wurden die Hölzer dunkel gestrichen, und ein Begleiter in der Gefachfläche angeordnet, eine Art Begradigung des Holzes. In der Gefachfläche verläuft ein dünner Beistrich, der sich in den Eckpunkten überkreuzt. Aus den Ecken wachsen polychrome stilisierte Pflanzenblüten heraus.
Dämmung der Fachwerkwände
von außen mit Zellulose
Am Westgiebel nagelten die Handwerker unter Verwendung alter Platten einen Wetterschutz aus Schiefer an, so wie er im 19. Jahrhundert vorhanden war, der eine Wärmedämmung der Außenwand ermöglichte. Eine Innendämmung kam hier wegen der Malereien aus dem 16. Jahrhundert nicht in Frage. Für eine hohlraumfreie Dämmung des Westgiebels von außen bot sich eine Einblasdämmung aus Zelluloseflocken an. Entsprechend den Vorkragungungen des Westgiebels montierten die Zimmerleute eine Unterkonstruktion aus Latten, deren Abschluss und Hülle aus 2 cm dicken Holzfaserdämmplatten besteht. Für den abschließenden Schieferbehang folgte eine Brettschalung mit Unterspannbahn. Anschlussstellen und Kehlen wurden mit Kupferblech ausgeführt.
Da das Dach nicht ausgebaut wird verlegten die Handwerker auf der obersten Geschossdecke zwei Lagen 8 cm dicker Holzweichfaserdämmplatten mit Nut und Feder von Steico. Damit sich an den im Dachstuhl vorhandenen Metallen kein Kondenswasser bilden kann, umhüllte man auch die Stahleinbauteile der Sprengwerke von 2009 und eingebaute Bolzen ebenfalls mit Holzweichfaserplatten.
Innendämmung mit Wärmedämmlehmplatten
An den Außenwänden des ehemaligen Rittersaals im zweiten Obergeschoss montierten die Handwerker mit Ausnahme der Westseite von innen Cellco Wärmedämmlehmplatten, die aus Lehm, Kork, Kieselgur und Holzvlies bestehen. Diese Platten zeichnen sich laut Herstellerangaben von Haacke-Cellco sowohl durch gute Wärmedämmeigenschaften als auch eine gute kapillare Leitfähigkeit aus.
Als ersten Arbeitsschritt vor der Montage der Dämmplatten entfernten die Handwerker innen an den Außenwänden des ehemaligen Rittersaales lose Materialien, wie Zementputze und Ölfarben. Das Dämmsystem muss von den Handwerkern homogen und hohlraumfrei zur Fachwerkaußenwand verarbeitet werden. Die 25 cm x 50 cm großen 6 cm dicken Dämmplatten werden zwischen die aufgebohlten Ständerachsen angebracht. Zuvor stopften die Handwerker Hohlräume zwischen den Ständern und Bohlen mit Strohlehmmörtel aus. Bei größeren Fehlstellen oder Unebenheiten trugen sie mehrlagig eine Ausgleichsschicht mit Strohlemputz auf. Der Ausgleichmörtel ist dem Bestand angepasst. Auf den Innenseiten der Fachwerkwände befinden sich im Rittersaal Strohlehmputze, vereinzelt Kalkputzreste, versetzt mit Tierhaaren, und unverputzte Gefache, ausgemauert mit Lehmsteinen. Bei unverputzten Fachwerkflächen befestigten die Handwerker an den Ständern und Riegeln zunächst Schilfrohrmatten als Putzträger auf den sie anschließend als Ausgleichs- beziehungsweise Unterputz Lehmmörtel auftrugen. Nach Austrocknung der Putzlage setzten sie im nächsten Arbeitsschritt mit dem Kontaktdämmmörtel von Haacke-Cellco die Platten homogen so an, dass die Stoßfugen versetzt verlaufen. Setz- und Stoßfuge sowie die Rückseite der Dämmplatte wurden anschließend ebenfalls mit Kontaktdämmmörtel vollflächig eingestrichen.
Die Auftragsdicke des Kontaktdämmmörtels sollte dabei aber nicht mehr als 2 bis 3 mm betragen. Nach dem Versetzen der Platten brachten die Handwerker zur zusätzlichen Lagesicherung Tellerdübel an den Kreuzungspunkten der Setz- und Stoßfugen an. Bei einer Plattendicke von 6 cm werden 4 bis 8 Tellerdübel/m2 angebracht und die gedämmten Wandflächen anschließend mit zwei Lagen Lehmputz versehen, wobei zwischen den Putzschichten eine Gewebelage eingebracht wird. Man hat sich in Osterwieck für den ehemaligen Rettersaal unter anderem für dieses Dämmsystem entschieden, weil das kleinteilige Format der Dämmplatten sich gut den Unebenheiten des Wandverlaufs anpassen lässt.
Innendämmung mit Holzfaserdämmplatten
Im ersten Obergeschoss des Bunten Hofs waren die vorhandenen Fachwerkwände in einem vergleichsweise guten Zustand. Die bauzeitlichen Gefache aus dem 16. Jahrhundert hatten die Handwerker seinerzeit mit einem 4 bis 5 cm dicken Strohlehmputz überzogen, der noch keinerlei Ablösungen und Hohlräume zur Fachwerkkonstruktion sowie zu den Gefachflächen aufwies.
Daher konnte man in diesem Geschoss innen mit putzfähigen Holzfaserplatten dämmen. Die Befestigung der Platten erfolgte ausschließlich im Dübelverfahren direkt an der Wand, wobei die Handwerker fünf bis sechs Tellerdübel je Quadratmeter verwendeten. Bei der Montage der Platten – eingeschlämmt mit Strohlehmputz – mussten die Handwerker darauf achten, dass keine Kreuzfugen entstehen. Der zuvor auf Teilflächen aufgebrachte Ausgleichsputz durfte noch feucht, aber nicht mehr nass sein.
Nur für die in der Wandflucht einige Zentimeter tiefer liegende Schwelle verwendeten die Handwerker einen Putzträger, den sie anschließend mit Strohlehmputz überputzten. Bei der Montage der Holzweichfaserplatten setzten die Handwerker diese beim Aufbau auf die Deckenbalken des Erdgeschosses auf. Auf die dazwischenliegende Lehmdecke trugen sie eine Lehm-ausgleichschicht auf.
Den raumseitigen Abschluss der Holzfaserdämmplatten bildet auch hier ein zweilagiger Auftrag von Lehmputz mit einer Gewebeeinlage als Armierung dazwischen.
Fazit
Mit der Sanierung und Restaurierung des Bunten Hofs in Osterwieck wurde ein bauhistorisch bedeutendes Fachwerkgebäude der Stadt gerettet. Das Deutsche Fachwerkzentrum konnte gemeinsam mit den Planern und der Denkmalpflege mit Schülern, Handwerkern und Teilnehmern eines Freiwilligen Sozialen Jahres in Praxisseminaren den handwerklichen Umgang mit historischen Fachwerkkonstruktionen üben und im Rahmen des Forschungsprojektes zur energetischen Sanierung unterschiedliche Dämmstoffe in der Anwendung erproben.
AutorinClaudia Christina Hennrich ist Geschäftsführerin vom Deutschen Fachwerkzentrum e.V. in Quedlinburg.
Ein über 400 Jahre altes Fachwerkgebäude als Forschungsprojekt für die energetische Sanierung
Baubeteiligte (Auswahl)
Bauherr Stadt Osterwieck
Planung Deutsches Fachwerkzentrum Quedlinburg e.V.
Statik Hammer & Partner, Halberstad, www.hammer-partner.de
Prüfstatik Prof. Dieter Beyer, Magdeburg
Holzschutzgutachten Roland Becker, Wernigerode, www.sachverstaendiger-wernigerode.de
Brandschutzgutachten Norbert Schellknecht, Weissenfels
Zimmererabeiten Bau- und Möbeltischlerei Volker Baesler, Osterwieck, www.zimmerei-baesler.de
Adams, Ströbeck, www.adams-nt.de
Bauunternehmen Schymura, Quedlingburg
Putzarbeiten Naturstein Büchner, Quedlingburg
CBM Baumanagement, Chemnitz
Malerarbeiten Machunsky Bau, Osterwieck, www.machunsky-bau.de
Malereibetrieb Busse, Stendal
Restaurator Jochen Schulze, Zeitz
Teutloff Bildungs- und Sozialwerk, Wernigerode, www.teutloff-wernigerode.de
Restauratorische Malereien Restaurator Dirk
Knüpfer, Halle / mit Seminarteilnehmern in Qualifizieurungsseminaren des DFZ
Fensterrestaurierung Tischlerei Heydenreich, Ilsenburg, www.tischlerei-heydenreich.de
Tischlerei Andreas Kampe, Osterwieck
Herstellerindex (Auswahl)
Lehmputz Conluto, Blomberg, www.conluto.de
Kalkputz Zement- und Kalkwerk Otterbein,Großenlüder-Müs, www.zkw-otterbein.de
Holzfaserdämmung Steico, Feldkirchen, www.steico.com
Hanfdämmmatten Thermo Hanf, Thermo Natur,Nörtlingen, www.thermo-hanf.de
Wärmedämmlehmplatten Haacke-Cellco, Celle, www.haacke-cellco.info
Zellulosedämmung Isofloc, Berlin, www.isofloc.de
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