Alles aus einer Hand
Einfamilienhaus aus Holz mit Passivhausstandard in Riedenburg

Weder innen noch außen ist bei diesem Passivhaus in Riedenburg Holz zu sehen. Dabei ist es ein durch und durch von den Zimmerleuten der Firma Jura-Holzbau GmbH in Elementbauweise errichtetes Holzhaus. Wie sollte es auch anders sein, sind die Bauherren Stefanie Hierl-Halbritter und Christian Hierl doch das geschäftsführende Ehepaar des Holzbaubetriebs. Mit ihrem Eigenheim haben sie im vergangenen Jahr ein Holzhaus geschaffen, das überhaupt nicht nach einem solchen aussieht.

Alles aus einer Hand – davon kann man sprechen, wenn für ein Einfamilienhaus sowohl die Architektur, Planung und Statik als auch die Ausführung von ein und demselben Holzbaubetrieb übernommen wurde. Und als wäre das noch nicht genug, wohnen die Inhaber der Jura Holzbau GmbH, Stefanie Hierl-Halbritter und Christian Hierl, auch noch in diesem Holzhaus, das sowohl innen als auch außen so gar nicht nach einem Holzbau aussehen will. „Wir wollten unseren Kunden zeigen, dass ein Holzhaus nicht unbedingt so aussehen muss wie man es sich üblicherweise vorstellt“, erklärt Christian Hierl. Für die Umsetzung der Konstruktion in Holzbauweise war eine Passivhausberechnung mit Wärmebrückenberechung nach PHPP Grundlage.

 

Versteigerung im Internet statt Abriss

 

2007 erwarben Stefanie Hierl-Halbritter und Christian Hierl ein 1969 in Riedenburg in schöner Hanglage erbautes Fertighaus. Obwohl dieses bereits einen großzügigen Grundriss besaß, entsprach es weder den architektonischen, noch den energetischen und baubiologischen Vorstellungen der Bauherren. Kurzerhand versteigerten sie das in Holzständerweise errichtete Fertighaus bis auf das massive Hanggeschoss im Internet. Für 130 Euro ging es weg – inklusive der Dacheindeckung, Fenster und Heizungsanlage. Dem neuen Eigentümer wurde lediglich zur Auflage gemacht, sein neues Eigenheim auch selbst an Ort und Stelle zu demontieren.

Auf dem dann noch verbliebenen Stumpf entwarf Stefanie Hierl-Halbritter ein Holzhaus, das so gar nichts mit dem Vorläuferbau an diesem Ort zu tun hat: Es ist ein schlichter, moderner Entwurf, dessen Geschosse durch das Material der Fassaden differenziert werden: Für das Obergeschoss verwendeten die Handwerker hellgraue Faserzementplatten, für das Erdgeschoss anthrazitfarbene Putz.

Hanggeschoss als Plattform für den Holzbau

 

Die Stahlbetondecke des erhalten gebliebenen Hangkeller bildet die Plattform, auf die die Zimmerleute der Jura-Holzbau GmbH das neue zweigeschossige Passivhaus stellten. Die Decke musste nur an der Stelle mit einem Stahlträger statisch ertüchtigt werden, an der sich im Neubaugeschoss darüber ein Kamin befindet. Der für den ehemals vorhandenen Balkon über die Fassade auskragende Teil der Betondecke wurde aus energetischen Gründen abgeschnitten.

Während im Werk die Holzkonstruktion in Elementbauweise vorgefertigt wurde, begannen die Handwerker auf der Baustelle zeitgleich mit der Kellersanierung. Hierzu wurde das Erdreich ausgegraben, das Mauerwerk mit einem Feuchtigkeitsanstrich versehen und eine Drainage verlegt. Anschließende dämmte man den Keller wärmetechnisch mit extrudierten Polystyrolschaum-Platten.

Gesundheitlich unbedenkliche Baustoffe

 

Wichtig ist für Stefanie Hierl-Halbritter und Christian Hierl bei den von Jura Holzbau errichteten Häusern die Verarbeitung ökologisch und baubiologisch einwandfreien Baustoffen. Dies gilt natürlich auch für ihr eigenes Heim. „Anstelle der sonst üblichen OSB-Platten verwenden wir für die Vorfertigung der Holzrahmenelemente als Wandaussteifung Gipsfaserplatten von Fermacell“, sagt Stefanie Hierl-Halbritter. Dies tun die engagierten Holzbauer hauptsächlich wegen des Leimanteil in den OSB-Platten. Vor allem finden die ökologischen und baubiologischen Auswahlkriterien aber in der Wahl der Dämmstoffe ihren Niederschlag: Die dampfdiffusionsoffene Außenhaut der vorgefertigten Holzrahmenwände bildet im Erdgeschoss eine verputzte Holzfaserdämmplatte. Auch auf der Außenseite der Holzrahmenwände im Obergeschoss verarbeiteten die Zimmerleute die gleiche Dämmung. Die Außenhaut stellten sie aber als hinterlüftete Fassade mit großformatigen Faserzementplatten auf einer 30 mm starken Lattung her.

„Die Kerndämmung der Holzrahmenwände wird bei uns grundsätzlich erst auf der Baustelle ausgeführt. Da wir im Werk bereits die Fenster und Metallzargen mit in die vorgefertigten Wandelemente einsetzten, wäre die Last für den Transport inklusive der Kerndämmung zu schwer“, so Stefanie Hierl-Halbritter. Als Kerndämmung wurde daher auf der Baustelle Zellulose in die Außenwand- und Deckenelemente sowie in die Dachebene des um lediglich drei Grad geneigten Pultdaches eingeblasen. Das Dach deckten die Spengler mit Edelstahlblech (Metall Roofinox) ein.

„Die konstruktive Wandebene und die Installationsebene sind bei uns im Bauprozess getrennt“, sagt Stefanie Hierl-Halbritter. Daher führten auch beim Passivhaus in Riedenburg die Zimmerleute die Installationsebene mit einer horizontalen Lattung 6/6 cm auf der Innenseite der Holzrahmenwände aus. Nachdem der Elektriker seine Kabel darin verlegt hatte, wurde die Installationsebene mit 6 cm dicken Flachsfasermatten gedämmt und mit Naturgipskartonplatten geschlossen.

 

Montage der Wand-

und Deckenelemente

 

Im Oktober 2007 stellten die Zimmerleute von Jura Holzbau den kompletten Holzrohbau in zwei Tagen auf: am ersten Tag das Erdgeschoss, am zweiten Tag das Obergeschoss. „Im Sommer hätte man alles an einem Tag aufstellen können. Im Herbst sind die Tage kürzer und dann macht es Sinn, die Montage kontrolliert auf zwei Tage zu verteilen“, erklärt Christian Hierl.

Eine statisch und konstruktiv anspruchsvolle Aufgabe sowohl für die Planung als auch Ausführung war die beide Geschosse trennende Decke, denn das Obergeschoss ist zum Erdgeschoss verschoben und kragt über dieses entsprechend stark und zum großen Teil stützenfrei aus. Die statisch zum Teil mit einer Kreuzlagenholzplatte ausgebildet Decke steckt daher in einem über die gesamte Länge des Obergeschosses durchlaufenden 16 m langen HEB-Stahlträger. Die Kreuzlagenholzplatte nimmt auch die horizontalen Windkräfte der Fassade auf, denn das Haus hat im Erdgeschoss keine durchlaufenden Zwischenwände. Der verbleibende Teil der Decke wurde klassisch mit einer Tragkonstruktion aus Balken ausgebildet und der Zwischenraum mit Zellulose ausgeblasen. Ansonsten verwendeten die Handwerker nur für das Tragwerk der Veranda im Erdgeschoss Stahlträger.

 

Licht und Schatten ausgewogen

 

Der statisch ausgeklügelte und konstruktiv perfekt auf der Baustelle umgesetzte Aufbau der Decke erlaubt im Erdgeschoss eine großzügige Öffnung der Außenwand zur Veranda hin. Überhaupt eignet sich das Bauen mit vorgefertigten Wand- und Deckelementen aus Kreuzlagenholz für eine freie Grundrissaufteilung, da große statische Lasten aufgenommen werden können. Für die Fensterfront zur Veranda hin wurden raumhohe Hebeschiebetüren als Holzaluminiumfenster mit einer Drei-Scheiben-Wärmeschutzverglasung eingesetzt. Auch alle übrigen Fenster im Haus sind konstruktiv so aufgebaut und vom Passivhausinstitut Dr. Feist zertifiziert. „Da wir beide tagsüber nur wenig zu Hause sind, übernehmen vollautomatisch mit temperatur- und sonnenstandgesteuerten (Climatronic) Stores von Warema die Verschattung der Fensterflächen“, sagt Stefanie Hierl-Halbritter.

 

Anspruchsvoller Innenausbau

 

Die großzügigen Glasfronten der Hebeschiebetüren ergeben in Zusammenspiel mit dem Parkettfußboden in Nussbaum und den glatten weiß gestrichenen Wänden im Erdgeschoss ein harmonisches Ambiente. Hier wurde aufgrund der großen Glasflächen aus Schallschutzgründen eine abgehängte Akustikdecke erforderlich. Der eingangs erwähnte aus Porenbetonsteinen gemauerte Kamin hat die Funktion eines Raumteilers. Außer für das WC und die Speisekammer gibt es im Erdgeschoss sonst keine Innenwände. Das Obergeschoss ist dagegen mit Trockenbauwänden in insgesamt fünf Zimmer unterteilt. Auf diese Ebene gelangt man über eine einläufige Treppe, die als Betonfertigteil während der Gebäudemontage von den Handwerkern mit dem Mobilkran in die noch offene Baustelle gehievt wurde. Im Zuge des Innenausbaus passten die Handwerker die Treppe seitlich geschlossen ein und verkleideten die Trittstufen mit massivem Nussbaumholz.

 

Fazit

 

Der Beweis ist Stefanie Hierl-Halbritter und Christian Hierl mit ihrem eigenen Einfamilienhaus gelungen: Man kann sehr wohl ein Holzhaus in anspruchsvoller Architektur bauen, ohne dass man am Ende ein Stückchen Holz davon sieht. Hilfreich war für die Planung und Ausführung sicher der Umstand, dass bei diesem Projekt die Bauherrschaft, der Entwurf und die bauliche Umsetzung in einer Hand lagen. So ließ sich auch der Passivhausstandard mit den vorgefertigten voll gedämmten Holzrahmen in Verbindung mit einem WDVS mühelos erreichen – und das mit ökologisch und baubiologisch unbedenklichen Dämm­stoffen noch dazu.

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