Fachwerkbausatz
Sanierung einer Instenkate in Meilsdorf
Früher zog der Rauch der offenen Feuerstelle durch das Reetdach ab. Heute besitzt die alte Kate eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und erreicht dank einem von der historischen Konstruktion getrennten, hoch wärmegedämmten Holztragwerk fast Passivhausstandard.
Eine Kate ist ein in Fachwerkbauweise errichtetes norddeutsches Hallenhaus. Die Größe hängt von der Zahl der in der Giebelwand verbauten Ständer ab. Das Zweiständerhaus in Meilsdorf ist die kleinste Variante. Dies mag auch daran liegen, dass es sich um eine so genannte Instenkate handelt, also ein Haus, das man schon im 18. Jahrhundert zur Vermietung erbaut hatte. Insten waren nämlich Leute, die weder Land noch Wohnraum besaßen, also einfache Landarbeiter.
Damals: Landarbeiterleben in der Rauchkate
Gekocht wurde in der Kate auf einem offenen Herd. Der Rauch zog durch das Reetdach ab, weshalb man auch von einer Rauchkate spricht. Einen Schornstein gab es folglich nicht. Gewohnt wurde zusammen mit den Vorräten und Tieren unter einem Dach. Als Schlafplatz diente ein so genannter Alkoven, ein Wandschrank, dessen Einstiegsöffnung man mit einem Vorhang oder einer Klappe verschließen konnte, was ein wenig Privatsphäre bot.
Translozierung: Historischer Umzug des Hauses
Die im vergangenen Jahr sanierte Instenkate stand ursprünglich einmal ganz woanders. Sie wurde vom gut zehn Kilometer entfernten Ahrensburger Beimoor an ihren heutigen Standort gebracht. Wann das genau war, ist unbekannt. Das ist nicht ungewöhnlich, denn die zusammengesteckte Fachwerkkonstruktion lässt sich im Vergleich zu einem Massivbau leicht auseinandernehmen und an einem anderen Ort wieder zusammenbauen. Daher ist auch unklar, ob sich die an einem Innenbalken eingekerbte Jahreszahl 1792 auf das ursprüngliche Baujahr im Ahrensburger Beimoor oder den Wiederaufbau in Meilsdorf bezieht. In Meilsdorf gab es im 18. Jahrhundert einmal sechs Instenkaten. Die übrigen Katen stehen heute nicht mehr.
Datierung: Dendrochronologische Untersuchung
Um das Alter eines solchen Hauses bestimmen zu
können, bedient man sich in der Regel einer dendrochronologischen Untersuchung und vergleicht das Jahresringmuster der verbauten Holzbalken mit Jahresringtabellen und kann so den Fällzeitpunkt der Bäume bestimmen, deren Holz verbaut wurde. Die Jahresringtabellen für die auch als Überlappungstechnik bezeichnete Methode reichen bis 700 nach Christi zurück. Bei den untersuchten Hölzern der Instenkate in Meilsdorf kam heraus, dass man die Bäume für die dort verbauten Hölzer schon im 16. Jahrhundert (der älteste Einschlagzeitpunkt war 1531) gefällt hatte. Auch das ist nicht weiter ungewöhnlich, denn es war zu jener Zeit üblich, beim Hausbau Abbruchmaterial älterer Gebäude zu verwenden, was sich bei einer Fachwerkkonstruktion zudem besonders anbietet.
Niedergang: Einsturz des Daches
1821 wurde die Kate um zwei Fach erweitert und erhielt damit ihre heutige Form. Wobei man nicht von Form sprechen kann, wenn man bedenkt, was Susanne Gehrmann, die das Gebäude im Rahmen einer Prüfungsleistung im Studiengang Bauen im Bestand an der Hochschule21 in Buxtehude untersuchte, 2010 in Meilsdorf vorfand: Die Kate war ganz aus der Form gegangen und der Dachstuhl infolge eines Herbststurms ein Jahr zuvor eingestürzt, womit das Haus nicht nur seinen Wetter-, sondern auch seinen Denkmalschutz verloren hatte. All dies lag daran, dass das Gebäude nur bis Anfang der 1940er Jahre bewohnt war und danach bis Mitte der 1980er Jahre nur noch als Lager für Kartoffeln und Korn diente. Zuletzt stand es leer und verfiel zusehends.
Vom Denkmal zum Passivhaus:
Neues Haus in historischer Hülle
„Trotzdem wollten wir die Kate so behandeln, als wenn sie denkmalgeschützt wäre“, sagt Susanne Gehrmann, die 2010 das Haus mit ihrer Familie erworben hatte. Andererseits peilten die Gehrmanns energetisch den Passivhausstandard an – zwei Dinge, die zunächst unvereinbar erscheinen. „Möglich war dies nur mit einer energetisch und statisch eigenständigen Holzrahmenkonstruktion hinter der alten Fachwerkwand, die hinterlüftet nur noch Witterungsschutz ist. Beide – Holzrahmen- und Fachwerkwand – stehen auf getrennten Fundamenten. Die Hinterlüftung erfolgt zwischen Sockel und Schwelle. So ließ sich die historische Fassade erhalten“, erklärt Susanne Gehrmann.
Wiederaufbau: Fachwerk als Bausatz
Die Zimmerleute nummerierten die Fachwerkhölzer, bauten alles auseinander und säuberten die Hölzer mit dem Hochdruckreiniger in der Halle. „Einen ganzen Sommer lang haben wir die Hölzer trocknen lassen“, erinnert sich Susanne Gehrmann. Anschließend bürsteten die Handwerker die Oberflächen ab und ergänzten die schadhaften Hölzer zimmermannsmäßig. „Danach haben die Zimmerleute das Fachwerkhaus auf einer neuen gedämmten Sohle wieder aufgebaut. Dabei haben wir uns vom ursprünglichen Standort ein wenig entfernt“, sagt Susanne Gehrmann. Den Dachstuhl bauten die Zimmerleute komplett neu auf.
Öko- und biologisch: Bauen mit gesunden Baustoffen
„Beim Bau haben wir nur schadstoffarme Baustoffe verwendet und auf Bauschaum und Silikon weitgehend verzichtet“, so Susanne Gehrmann. Unterstützt wurde dieses Anliegen vom Freiburger Sentinel Haus Institut. Dieses kümmert sich um wohngesunde Baustoffe und eine gute Innenluftqualität. Die meisten der in Meilsdorf verarbeiteten Produkte entsprechen den strengen Kriterien des Freiburger Instituts. So packten die Handwerker in das Holzständerwerk hinter den Fachwerkaußenwänden zwar Mineralwolle, die einen äußeren Abschluss mit einer Lage DWD-Platten erhielt. Auf die von innen auf das Holzständerwerk genagelten OSB-Platten befestigten sie jedoch Holzweichfaserplatten, die abschließend einen Lehmputz erhielten. „Diese Materialien können Feuchtigkeit gut aufnehmen und sorgen für ein angenehmes Raumklima“, meint Susanne Gehrmann. Die OSB-Platten wurden zwei Jahre lang abgelagert, damit die Aldehydemissionen weitestgehend abgelüftet sind, die Wände wurden mit einer schadstoffgeprüften Silikatfarbe gestrichen. Auch im Dach packten die Handwerker zwischen die Sparren Mineralwolle und befestigten auf den von innen aufgenagelten OSB-Platten ebenfalls Holzweichfaserplatten. Den inneren Abschluss bildet hier jedoch eine Lage Gipsfaserplatten (Fermacell Greenline), die in der Lage sind, Schadstoffe, wie zum Beispiel Formaldehyd, abzubauen. Für den äußeren Abschluss wählte man im Dach als Brandschutz eine Lage zementgebundener Spanplatten, auf denen die Dachdecker Reet in handwerklich traditioneller Bindetechnik als hinterlüftetes Dach befestigten. Damit ist die komplette Hülle (Reetdach und Fachwerkfassade) hinterlüftet und von dem nach ener-
getischen, öko- und baubiologischen Gesichtspunkten konstruierten Holzhaus im Inneren getrennt.
Energetisch: Dreifachverglasung und
Wärmerückgewinnung
„Dennoch waren einige Kompromisse notwendig, um das alte Erscheinungsbild mit der hochgedämmten Konstruktion in Einklang zu bringen“, sagt Susanne Gehrmann. So wird die Dach- und Wandfläche der historischen Hülle auf der Nordseite 3 m breit unterbrochen und mit einer Holz-Glas-Fassade mit Dreifachverglasung (Ug = 0,6 W/m2K) geschlossen. Das verschlechtert zwar die Wärmebilanz aufgrund von Transmissionsverlusten erheblich, bringt aber deutlich mehr Tageslicht in das sonst vergleichsweise dunkle Fachwerkhaus.
Geheizt wird mit einem Pelletofen. Damit dieser im Sommer aus bleiben kann, wird das Warmwasser über Solarkollektoren erwärmt. Die Belüftung erfolgt über eine zentrale, passivhauszertifizierte Lüftungsanlage mit einem Wärmerückgewinnungsgrad von 85 Prozent. Mit einem Heizwärmebedarf von 37 kWh/m2a erreicht die Fachwerkkate zwar nicht den Passivhausstandard, ist aber deutlich besser als ein Niedrigenergiehaus.
Die Hülle – Reetdach und Fachwerkfassade – ist hinterlüftet
und von dem im Inneren errichteten Holzhaus getrennt