Alles über alte Ziegel
Wenn vom 18. bis 20. November in Leipzig die denkmal stattfindet, stehen „Backsteine, Ziegel und Klinker in der Architektur der Jahrhunderte“ im Fokus. So lautet der Name der dreitägigen Forumsveranstaltung, die auch von der Zeitschrift bauhandwerk unterstützt wird.
Drei Tage lang steht auf der denkmal in Leipzig die Backsteinarchitektur im Spannungsfeld von Denkmalpflege, touristischer Erschließung und energetischer Sanierung auf der Forumsveranstaltung in Halle 2 im Fokus. Einen Grund dafür nennt Projektdirektorin Ulrike Lange: „Die Erhaltung dieses Kulturerbes betrifft den gesamten Nord- und Ostseeraum und erfordert einen internationalen Erfahrungsaustausch – über Ländergrenzen hinweg.“ Aktuell geht jedes Land mit der Backsteinarchitektur auf seine Weise um. Selbst innerhalb der beteiligten deutschen Bundesländer gibt es aufgrund der Denkmalschutz-Gesetzgebung auf Länderebene keine bundeseinheitlichen Richtlinien oder Standards. Dabei existiert bereits ein multinationales Projekt, das die Backsteinarchitektur ins Zentrum rückt: die Europäische Route der Backsteingotik (EuRoB). Die Kultur- und Tourismus-Route verbindet Zeugnisse der typischen Backstein-Baukultur der mittelalterlichen Hanse von Dänemark über Deutschland und Polen bis ins Baltikum und nach Schweden.
Klöster und Rathäuser, Stadttore und Mauern, Hallenkirchen und Basiliken aus den charakteristischen, von Hand gefertigten roten Ziegeln erinnern noch heute an Macht und Reichtum der Hansestädte des 13. bis 16. Jahrhunderts. Damals wie heute sind sie Wahrzeichen vor allem der Ostsee-Region, stiften Identität und sind oft das älteste sichtbare Kulturerbe. „Für dieses Erbe wollen wir das Bewusstsein der europäischen Öffentlichkeit schärfen. Wir setzen uns für dessen Bewahrung und eine kulturelle und touristische Erschließung ein“, sagt Christoph Pienkoß vom Verein der Europäischen Route der Backsteingotik, der vor allem kultur- und geschichtsinteressierte Erlebnisurlauber und Radtouristen ansprechen will.
Widerspruch zwischen Denkmalpflege und Tourismus?
Die attraktivsten Ziele der Europäischen Route der Backsteingotik sind in einem Reiseführer enthalten, den der Verein im Spätsommer herausgeben will. Dabei ist Christoph Pienkoß durchaus bewusst, dass es Kritiker gibt, die einen Widerspruch zwischen der touristischen Vermarktung der Backsteinarchitektur und der Denkmalpflege sehen. Dieses Spannungsfeld will der Verein deshalb auf der denkmal diskutieren. Pienkoß selbst sieht mehr Potenziale als Probleme und ist davon überzeugt, dass die Denkmalpflege sogar von der touristischen Nutzung profitiert.
„Ein Beispiel für positive Wechselwirkungen ist die Marienkirche in Parchim“, erzählt er. „Dort wurde vor Kurzem bei einer dendrochronologischen Untersuchung der Dachstuhl auf das Ende des 13. Jahrhunderts datiert – und war somit 100 Jahre älter als vermutet. Um dieses Highlight Besuchern nahezubringen, wurde ein Weg in den Dachstuhl eingebaut, der geführte Besichtigungen ermöglicht. Die verstärkte Aufmerksamkeit durch Bevölkerung und Touristen hatte schon vorher zur Aufnahme der Backsteinkirche in das Förderprogramm des Bundes für Denkmale von Nationaler Bedeutung und zu einer Finanzspritze für die denkmalgerechte Restaurierung geführt.“
Sanierungsstau in kleineren Orten und auf dem Land
Und solche Mittel werden überall dringend gebraucht, gerade bei Bauten fernab der bekannten Touristenstädte. Pienkoß: „Auch wenn die Backstein-Hülle meist noch gut erhalten ist, gibt es oft bei Fenstern, Innenausstattung, Ausmalungen und Orgeln zu tun. Viele große Kirchen sind da schon auf einem guten Weg, wie die Georgenkirche in der Altstadt von Wismar.“ Das im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigte und zu DDR-Zeiten zur Ruine verkommene Bauwerk – seit 2002 als Teil der Altstadt von Wismar auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes – wurde in den vergangenen 20 Jahren wieder aufgebaut und im Mai 2010 als Gotteshaus und Kulturkirche neu in Betrieb genommen. Im Gegensatz zu solchen Leuchtturmprojekten bestünde in kleineren Städten und erst recht in ländlichen Regionen noch ein riesiger Sanierungsstau bei Backsteingebäuden, so Pienkoß.
Wie kann man Backstein denkmalgerecht dämmen?
„Ziegelsteine nach historischem Vorbild zu formen, ist gar nicht so einfach“, erklärt Dr. Ursula Schirmer, Sprecherin der Deutschen Stiftung Denkmalschutz Bonn. Dabei seien solche Ziegel nicht nur für Jahrhunderte alte Backsteinbauten gefragt, sondern auch für neuere, zum Beispiel beim Rückbau von Fenstern in Originalgröße. „Neuere Backsteinbauten stammen aus den 1920er- und 30er-Jahren, man findet sie im Bauhaus wie auch in der Gründerzeitarchitektur“, zählt Schirmer auf. Ein aktuell drängendes Problem sei die energetische Sanierung solcher Backsteingebäude. Die Schwierigkeit: „Von außen kann man sie nicht dämmen, weil das typische Fassadenbild dann verloren ginge. Von innen ist es aber auch schwierig, weil die Sanierung für die Bewohner mit erheblichen Belastungen verbunden wäre“, erklärt Schirmer. Umso interessanter ist ein aktuelles Pilotprojekt aus Hamburg, bei dem derzeit rund 90 Jahre alte Laubenganghäuser denkmalgerecht energetisch saniert werden. Dabei wird vor die Ursprungsfassade aus Klinkern eine komplett neue Vollklinkerfassade gesetzt.
Mit all diesen Fragen setzen sich die Vorträge auf dem Forum „Backsteine, Ziegel und Klinker in der Architektur der Jahrhunderte“ drei Tage lang ab 10 Uhr in Halle 2 auf der denkmal in Leipzig auseinander.
Weitere Infos unter www.denkmal-leipzig.de
„Backsteine, Ziegel und Klinker in der Architektur der Jahrhunderte“ im Fokus von Forum und Messe