BlackboxEinfamilienhaus mit Schieferverkleidung in Uiffingen
Uiffingen ist ein kleines Dorf bei Boxberg in Baden-Württemberg mit regionaltypischer, ländlicher Architektur. Doch seit kurzem hat sich hier etwas verändert: Wo zuvor eine heruntergekommene, seit Jahren nicht mehr bewohnte Hofanlage mit zahlreichen Scheunen stand, ist 2006 ein modernes Einfamilienhaus entstanden, das sich mit seiner Schieferverkleidung über Dach und Fassade deutlich von der Umgebungsbebauung absetzt, die ländliche Bautraditon und den Bestand aber dennoch respektiert.
In vielen Regionen Deutschlands schrumpfen die Einwohnerzahlen der Dörfer schon seit langer Zeit kontinuierlich: Vor allem die jungen Menschen ziehen weg, um in den Städten zu arbeiten und ein „modernes“ Leben zu führen. Dies hat vielerorts zu einer hohen Leerstandsquote geführt – mit den bekannten Folgen: Nachdem der Besitzer verstorben ist, verfällt das Haus oder die Hofanlage, was sich wiederum städtebaulich negativ auswirkt. Die Dörfer werden so noch unattraktiver und noch mehr Menschen ziehen fort.
Dorfentwicklung
Aus diesem Grund hat das Land Baden-Württemberg das ELR-Programm (Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum) ins Leben gerufen, ein Förderangebot für die strukturelle Entwicklung ländlich geprägter Gemeinden und Dörfer. Dieses Programm beinhaltet unter anderem auch finanzielle Unterstützung bei der Sanierung und Umnutzung, aber auch bei Abriss und anschließendem Neubau im Ortskern der Dörfer.
Aufs Land?
Der Boxberger Architekt Bruno Blesch war gerade auf der Suche nach einem Bestandsbau für einen Bauherren, den dieser zu Wohnzwecken umbauen und modernisieren wollte. An ein Haus im Dorf hatte der Bauherr dabei zwar nicht gedacht, ließ sich jedoch von seinem Architekten überzeugen, sich doch einmal ein paar leer stehende Objekte im nahe liegenden Uiffingen anzusehen, dass im Rahmen des ELR-Programms gefördert wird. „Ich hatte mir von der Gemeinde zuvor eine Liste der nicht mehr bewohnten Gebäude geben lassen und war dort auf eine Hofanlage gestoßen. Das Grundstück war ziemlich zugebaut – dort standen neben dem Wohnhaus noch etliche Scheunen, weshalb der Bauherr zuerst nicht so angetan war“, erzählt Bruno Blesch. Der Architekt hatte jedoch schnell erkannt, dass man aus der verlassenen Hofanlage etwas machen kann. Sein Plan: Das Wohnhaus, das sich baulich in einem schlechten Zustand befand, sollte ebenso abgerissen werden wie die mittlere straßenseitige Scheune (siehe Luftbild links). Die Fachwerkscheune sollte hingegen erhalten bleiben und auf dem Bruchsteinsockel des ehemaligen Wohnhauses ein neues, modernes Einfamilienhaus entstehen. „Von den Proportionen her war das alte Haus gar nicht schlecht“, erklärt Bruno Blesch und bezog die Kubatur des Gebäudes wie auch das alte Sockelgeschoss in seine Planung ein. Diese Entwurfsidee überzeugte den Bauherrn, der das Anwesen daraufhin erwarb und den Architekten mit der Planung des Neubaus sowie der Umgestaltung des Grundstücks beauftragte.
Entwurf
Anstelle des Mittelteils der Hofanlage sollte ein geschützter Innenhof entstehen, der durch eine teilweise erhaltene, zur Straße mit einer vertikalen Fichtenverbretterung verkleidete Bestandswand von der Straße abgeschirmt wird. Die Scheunen im Süden des Grundstücks sollten als Wirtschaftsgebäude mit Garage verwendet werden und auf dem Sockel des Nordteils das neue energiesparende Wohnhaus im KfW-60-Standard entstehen. Dem Bauherrn war es wichtig, dass weder seine Wohnräume noch der Garten von der Straße eingesehen werden können, weshalb der Architekt in der straßenseitigen Giebelfassade nur kleine Fensterflächen anordnete. Dafür öffnete er die durch die Wand zur Straße vor Blicken geschützte Südfassade mit einem langen Fensterband.
„Wir wollten einen modernen Monolithen auf den alten Sockel stellen“, so der Architekt, der sich daraufhin auf die Suche nach einem Werkstoff begab, mit dem Dach und Fassade bekleidet werden konnten. Alle großformatigen Plattenwaren erwiesen sich jedoch als zu teuer, so dass sich der Architekt von einem auf Schiefer spezialisierten Dachdeckerbetrieb aus Thüringen ein Angebot machen ließ. „Die sind sehr versiert bei der Verlegung von Schiefer und haben das auch sehr günstig angeboten“, so Blesch, der dem Betrieb nach kurzer Rücksprache mit dem Bauherrn den Zuschlag erteilte. Damit war die Entscheidung gefallen: In Uiffingen sollte eine Blackbox entstehen.
Sanierung und Ergänzung des Bruchsteinsockels
Zuerst galt es jedoch, den Mittelteil der Hofanlage und das ehemalige Wohnhaus zurückzubauen. Dabei musste das Abbruchunternehmen jedoch große Vorsicht walten lassen, um den Bruchsteinsockel des Wohnhauses nicht zu zerstören. „Es war unheimlich schwer, den Handwerkern klarzumachen, dass dieser Teil des Hauses erhalten werden sollte“, erinert sich Bruno Blesch, der während der Abbrucharbeiten peinlich genau darauf achtete, dass das Wohnhaus mit dem Bagger nach oben hin abgetragen wurde. Da das Sockelgeschoss jedoch nur an den beiden straßenseitigen Wänden aus Bruchstein, zur Hofseite jedoch aus wenig vertrauenserweckenden Fachwerkwänden bestand, entschied man sich, diese durch neue Sichtbetonwände auf neuen Fundamenten zu ersetzen. Anschließend gossen die Mitarbeiter des Rohbaubetriebs die neue Stahlbetondecke mit einer kleinen Auskragung für den Windfang (siehe Grundrisse auf Seite 36). Die beiden Bruchsteinwände wurden gereinigt und anschließend neu verfugt, was der Bauherr in Eigenregie erledigte.
Holzrohbau
Die Werkplanung für die Holzrahmenbauelemente des Rohbaus wurde nicht, wie eigentlich mittlerweile üblich, vom Zimmereibetreib angefertigt, sondern im Architekturbüro. Der Grund hierfür war die Einteilung der Schieferfassade, was sich als komplizierte Planungsaufgabe erwies. „Wir mussten das ganze Haus auf die Schieferformate abstimmen: Sämtliche Fassadenöffnungen richten sich nach dem Rastermaß der sogenannten Variablen Deckung“, erklärt Bruno Blesch. Anhand dieser Werkplanung fertigten die Zimmerleute die mit einseitiger Beplankung vorgefertigten Holzbauelemente in der Werkstatt vor und richteten sie innerhalb eines Arbeitstages auf der Baustelle auf. Danach mussten die Zimmerleute nur noch die äußere Beplankung aus Holzweichfaserplatten montieren, die Zellulosedämmung einbringen und die vorbereitenden Arbeiten für die Schieferdecker erledigen. Diese bestanden aus der Montage von Konterlattung und Schalung sowie der Verlegung einer dampfdiffusionsoffenen Bahn als Trennlage.
Montage der Schieferverkleidung
Das Dach das Hauses deckten die Schieferspezialisten aus Thüringen mit einer Rechteck-Doppeldeckung im Format 50 x 25 cm, die Fassade mit der neuen Variablen Rechteck-Deckung im Kreuzfugenraster in den Formaten 50 x 25 und 25 x 25 cm. Beide Verlegearten haben eine Überdeckung von 5 cm und zeichnen sich durch die schnelle und daher kostengünstige Montage aus. Die graublauen Platten wurde von Rathscheck Schiefer fertig vorgebohrt auf die Baustelle geliefert, wo sie von den Schieferdeckern auf die Holzschalung genagelt wurden. Zuvor galt es jedoch, die Fassade mit den beiden verschieden großen Formaten einzuteilen. Die kleineren quadratischen Platten waren nötig, da der Grundriss des Hauses durch das bestehende Sockelgeschoss festgelegt wurde, dieses jedoch nicht rechtwinklig war. Durch das zweite Plattenformat hatten die Schieferdecker die Möglichkeit, die Fassaden auf Basis der Werkplanung so einzuteilen, dass sie sich dem Bestandsmauerwerks anpassen konnten. Zudem entstand auf diese Weise ein lebendiges, dabei aber dennoch homogenes Fassadenbild, das die gewünschte monolithische Erscheinung des Baukörpers ergab.
Innenräume
Das Rohbauunternehmen, das die Sichtbetonwände im Sockelgeschoss gegossen hatte, stellte auch die Sichtbetonwand im Erdgeschoss, die Wohnzimmer und Küche voneinander trennt und gleichzeitig die Treppenstufen ins Obergeschoss aufnimmt, her. Um die exakten Aussparungen für die Holztritte zu erhalten, hatte der Schlosser eine Negativform aus Stahlblech angefertigt, welche die Rohbauer einbetonierten. Abschließend schlugen die Zimmerleute die Holztritte mit dem Vorschlaghammer in die Betonwand ein.
Reparatur der Bestandsscheunen
Die straßenseitige Scheune erhielt an der Stelle, wo zuvor die abgerissene Mittelscheune angebaut war, eine vertikale Verbretterung aus sägerauem Fichtenholz, wie es auch bei der Wand vorm Innenhof zum Einsatz kam. Weiterhin erhielt das Dach eine neue Deckung mit roten Ziegeln. Das Dach des zur Gartenseite hin angrenzenden ehemaligen Schweinestalls wurde lediglich repariert, während das salzbelastete Mauerwerk völlig unbehandelt blieb – für die Nutzung als Werkstatt war dieses Problem belanglos.
Fazit
Die Blackbox in Uiffingen ist in Verbindung mit den erhaltenen Wirtschaftsgebäuden ein gelungenes Beispiel, wie man im Rahmen des ELR-Programms die Dorfkerne am Leben erhalten und gleichzeitig die traditionelle Bebauung mit moderner Architektur aufwerten kann. Anfangs waren die Nachbarn zwar skeptisch, doch dies legte sich mit der Zeit – Qualität setzt sich am Ende eben meistens durch.
Baubeteiligte
Planung und Bauleitung:
Überbau architektur, Dipl.-Ing. Bruno Blesch, Boxberg
Mitarbeit:
Christine Lang und
Elisabeth Gierse
Statik:
Ingenieurbüro Annette Puls, Niederstetten
Rohbauarbeiten:
Firma Ruck, Boxberg
Zimmererarbeiten:
Zimmerei Leidenberger + Reiter GbR, Igersheim
Schieferarbeiten:
Dach und Schieferdecker GbR Linke und Rissland, Neustadt/Rennsteig
Fensterbauarbeiten:
Fenster Haag GmbH,
Lauda-Königshofen