CKW-Abbeizer? Nicht notwendig
Was CKW-freie Abbeizer für die Entfernung von Farben und Lacken leisten
Das Abbeizen alter Farben und Lacke ist eine traditionelle Aufgabe des Malerhandwerks. Gefährliche Abbeizer auf Basis von Methylenchlorid dürfen aufgrund eines EU-Verbots seit Sommer vergangenen Jahres nicht mehr verwendet werden. Da stellt sich die Frage: Was leisten CKW-freie Alternativen?
Dem erfahrenen Maler und Restaurator steht im Regelfall nun kein „scharfer“ Abbeizer auf Methylenchloridbasis mehr zur Verfügung. Aber war es wirklich so einfach? Auftragen, ein bisschen warten, abkratzen, erneut auftragen, wieder abkratzen, mit Anlauger oder Verdünner nachwaschen und schon war die Oberfläche sauber. Funktionierte das wirklich immer und bei jeder Beschichtung? Und preiswert waren diese Abbeizer auch noch … handelte es sich also um ein Wunderprodukt der Chlorchemie oder die gezielte „Entsorgung“ von Chlorprodukten über das Malerhandwerk?
Tatsache ist, dass es in Europa mehrere hundert Todesfälle aufgrund der Raumluftverdrängung bei der Arbeit mit Methylenchlorid-Abbeizern gegeben hat. Und nicht nur Maler, die regelmäßig mit CKW-Abbeizern gearbeitet haben, sind gesundheitlich stark geschädigt. Tatsächlich können alle organischen Beschichtungen, die sich mit herkömmlichen „scharfen“ Abbeizern ablösen ließen, mit der richtigen Anwendungstechnik in jedem Fall auch mit CKW-freien Abbeizern entfernt werden. Den Beweis dafür liefern über 30 Jahre Erfahrung mit CKW-freien Produkten, die letztlich auch mit EU-Beschlüssen anerkannt wurden.
CKW-freie Abbeizermischungen
CKW-freie Abbeizer sind Lösemittelmischungen. Ausgenommen sind alkalische Abbeizer, die meist auf Basis von Natron oder Kalilauge arbeiten. Hauptsächlich werden bei CKW-freien Abbeizern Ester, Glykol-
ester, Alkohole, Ketone oder in der neuesten Generation auch wässrige Abbeizer mit Alkoholen und Säuren eingesetzt. Die Lösemittelgemische werden größtenteils mit Verdickungsmitteln in Gelform angeboten. Die Wahl des Verdickungssystems beeinflusst aber nicht nur den Produktpreis, sondern auch die Verarbeitungsqualität und Wirkung. Manche Abbeizer, die nicht nur im Baumarkt zu finden sind, ähneln einer angedickten Verdünnung von zweifelhafter Qualität. Denn oft verdunsten die enthaltenen Lösemittel, bevor die abzubeizende Beschichtung richtig angelöst wird.
Professionelle Abbeizer hingegen zeichnet ein ausgeklügeltes und optimiertes Verdickungssystem aus; zudem werden Penetrationshilfen eingesetzt. Auf die Verwendung von Wachsen, die in CKW-Abbeizern zur Verdunstungsverzögerung enthalten waren, wird bei CKW-freien Varianten fast immer verzichtet. Diese Rezepturen zeigen hinsichtlich ihrer Kennzeichnung nach GefahrstoffVO eine große Bandbreite: von „Xn“ (gesundheitsschädlich) über „Xi“ (reizend) bis hin zu Abbeizern, die keine Kennzeichnung benötigen.
Ein wichtiges Produktmerkmal CKW-freier Abbeizer ist der Flammpunkt. Der Markt wünscht sich – wie bei den herkömmlichen Abbeizern mit Methylenchlorid – eine schnelle Wirkung, die sich möglichst mit zügiger Blasenbildung bei der Beschichtungsentfernung zeigen soll. Die Anwendung leicht entzündlicher oder entzündlicher Abbeizer ist bei kleinflächigen Arbeiten, wie etwa der schnellen Entlackung eines Türstocks, unproblematisch. Für Fassaden werden nach aktuellem Kenntnisstand derzeit immer Abbeizer mit einem Flammpunkt von über 60 °C angeboten. Die Herstellerhinweise in den technischen Informationen und Sicherheitsdatenblättern sollte der Handwerker also in jedem Fall beachten.
CKW-freie Abbeizer, ausgenommen wässrige alkalische Laugen, bewegen sich meist im neutralen pH-Wert-Bereich. Entweder sind die Produkte leicht alkalisch oder leicht sauer eingestellt. Eine Beeinflussung des freigelegten Untergrundes – egal ob Holz, Stein oder Putz – kann man fast immer ausschließen. Bei der neuen Abbeizergeneration auf wässriger Basis, die stärkere Säuren enthalten, ist die Untergrundbeeinflussung je nach Anwendungsgebiet sehr unterschiedlich: Auf mineralischen Untergründen und Holz ist so gut wie kein Einfluss merklich, da die Säuren während des Abbeizvorgangs verbraucht werden oder verduns-
ten. Bei der Metallentlackung ist ein Angriff des Metalls bei langer Einwirkung durchaus normal. Die „Neutralisierung“ des Abbeizvorgangs ist bei CKW-freien Lösemittelmischungen nicht nötig, sondern nur das gründliche Nachwaschen mit Wasser. Dies stoppt sofort die Wirkung dieser Abbeizer.
Die Funktionsweise CKW-freier Abbeizer
Anders als herkömmliche Abbeizer, wirken CKW-freie Abbeizer mit einem Flammpunkt über 60 °C nicht über den Dampfdruck der enthaltenen Lösemittel. Vielmehr weichen sie das Bindemittelsystem der zu entfernenden Beschichtung auf und zerstören es. Der Dampfdruck spielt nur bei entzündlichen und bei leicht entzündlichen CKW-freien Abbeizern eine Rolle. CKW-freie Abbeizer durchdringen Beschichtungen auf lösemittelbeständigem Substrat. Aufgrund der Lösung und Aufweichung des Bindemittelsystems der zu entfernenden Beschichtung verliert diese die Haftung zum Substrat (Putz, Holz, Metall, Stein usw.). Der Lösevorgang geht fast immer durch mehrere Schichten in einem Arbeitsgang. Entscheidend dafür ist, dass eine ausreichende Abbeizermenge aufgetragen wird. Hier gilt: Viel hilft viel, denn im Löseprozess müssen grundsätzlich ausreichend Lösemittel vorhanden sein, um die Beschichtungen durchzuweichen. Daher ist der Sprühauftrag ideal.
Wenn die Schichten aber schlecht vernetzt sind oder einen starken Unterschied in der Oberflächenspannung wie bei Alkydlacken auf Ölfarbe zeigen, müssen auch CKW-freie Abbeizer zweimal eingestrichen werden. Zunächst löst sich der Alkydlack in Blasen, danach die Ölfarbe. Gerade diese lässt sich sehr gut mit CKW-freien Abbeizern entfernen, so dass auf den Einsatz stark alkalischer Abbeizer (Laugen) mit dem erforderlichen Neutralisierungsvorgang verzichtet werden kann. Da sich bei CKW-freien Abbeizern nicht immer Blasen bei der Entschichtung bilden, muss der Handwerker den Lösevorgang von Zeit zu Zeit mit Abschieben überprüfen.
Die richtige Wahl
Auch wenn einige CKW-freie Abbeizer echte Allrounder sind und ohne Weiteres sowohl dicke Farbschichten, Lacke und Ölfarben an Fassaden lösen, lohnt es sich oft, Testflächen mit unterschiedlich aufgebauten Abbeizern anzulegen. Dabei werden die Abbeizer satt mit der Gipserkelle aufgezogen und der Lösefortschritt in anfangs kurzen Zeitabständen kontrolliert. Der Abbeizer, der möglichst alle Farbschichten in einem Arbeitsgang entfernt, sollte gewählt werden, sofern nicht andere Produktmerkmale, wie zum Beispiel die Entzündlichkeit, dagegen sprechen. Unternehmen, die viel abbeizen, profitieren erheblich von der großen Produktauswahl. Andere, die nur selten abbeizen, sind damit manchmal überfordert. Mit Testsystemen von Herstellern oder einer Beratung vom Fachmann kann sich der Handwerker im Zweifelsfall Klarheit verschaffen.
Die richtige Anwendung
Verschiedene Faktoren beeinflussen die Wirkung CKW-freier Abbeizer:
(Dispersion, Latex, Lacke, Kleber)
Rissüberbrückungsbeschichtungen)
Außerdem sind der ausreichende Materialauftrag und die richtige Einwirkzeit für den Erfolg maßgeblich. CKW-freie Abbeizer können mit Pinsel, Rolle, Glättkelle oder im Sprühverfahren aufgetragen werden. Entzündliche Abbeizer dürfen hingegen nicht aufgesprüht werden. Generell muss man beim Sprühauftrag eine Atemschutzmaske (meist A2/P2 oder Mehrfachfilter) tragen, da es zu einer stärkeren Geruchsentwicklung und im Innenraum zu einer höheren Lösemittelkonzentration kommen kann. Eine natürliche oder technische Belüftung kann dies jedoch auffangen.
Die Auftragsmenge richtet sich nach der Schichtdicke der zu entfernenden Beschichtung. Als Faustregel sollte man pro Farbschicht 100 bis 150 ml plus „Overspray“ ansetzen. Bei großen Objekten muss der Handwerker Abschnitte bilden, um die Eintrocknung des Abbeizers mit den gelösten Schichten zu verhindern.
Generell sollten die Abbeizer immer im optimalen Lösepunkt entfernt werden. Der ist dann erreicht, wenn die Beschichtung möglichst vollständig durchgeweicht ist und sich leicht vom Untergrund abnehmen lässt. Der Hinweis, dass CKW-freie Abbeizer generell über Nacht einwirken müssen, kann kontraproduktiv sein – gerade bei saugenden Untergründen oder bei dicken Farbschichten an Fassaden. Wenn die gelöste Schicht „anbackt“, kann der Löseprozess zwar mit dem erneuten Auftrag des Abbeizers wieder angestoßen werden, aber so wird mehr Material verbraucht und die Flächen lassen sich schlechter reinigen. Falsch ist auch die Annahme, dass grundsätzlich eine Folienabdeckung notwendig sei. Das ist nur bei widrigen Bedingungen wie extremer Wärme, extremen Schichtdicken, unterschiedlichem Beschichtungsaufbau und langer Einwirkzeit sinnvoll.
Entfernen der Altbeschichtung
Die vom Abbeizer gelöste, weiche Beschichtung kann mit unterschiedlichen Techniken vom Substrat entfernt werden. Farbschaber eignen sich besonders bei glatten Untergründen wie Holz oder Wandflächen. An Fassaden empfiehlt sich der Einsatz eines Warmwasserhochdruckreinigers. Die Flächen werden gleichmäßig von der gereinigten Fläche weg, von unten nach oben an der Fassade arbeitend abgewaschen. Alternativ kann die gelöste Beschichtung auch im Sprüh-Saugverfahren entfernt werden. Generell ist bei der Arbeit mit dem Hochdruckreiniger der Einsatz mit warmen Wasser wichtig.
Befreit der Handwerker die Flächen manuell mit dem Farbschaber oder einem Spachtel von der Beschichtung, empfiehlt sich sofortiges Nachwaschen mit tensidhaltigen Reinigern. Nachreiniger auf Basis von Alkoholen, Verdünner oder Anlauger haben keine Waschwirkung, weshalb Farbnester oder Anhaftungen im Untergrund zurückbleiben. Bei der Farbentfernung auf Stuckdecken und Stuckelementen hat sich besonders der Einsatz von Dampfreinigungsgeräten bewährt.
Bei Abbeizarbeiten an Fassaden muss man dafür sorgen, dass das entstehende Abwasser sachgerecht aufgefangen wird. Einige Städte und Kommunen haben dazu genaue Vorgaben, aber keine deutsche Stadt schreibt zwingend den Einsatz einer Abwasserbehandlungsanlage mit kontinuierlicher Überwachung vor. Selbst sehr kritische Kommunen wie die Stadt München erlauben ein Mehrkammerbecken mit anschließender Koagulierung. Dies kann jeder Maler einfach mit der Nacheinanderschaltung von Behältern bauen. Auch die Abwasserbehandlung mit Flockungshilfsmitteln ist kein Hexenwerk; eine Fremdvergabe ist auch für diese Aufgabe nicht unbedingt notwendig.
Autor
Dipl. Kfm. Georg Scheidel ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Scheidel GmbH & Co. KG in Hirschaid, aktives Mitglied in diversen WTA Arbeitskreisen und Vorstandsmitglied von EASCR e.V. (European Association for Safer Coatings Removal) .
Viel hilft viel: CKW-freie Abbeizer müssen immer reichlich aufgetragen werden