Der Fiat E-Ducato im Praxistest
Seit März 2021 ist der Fiat Ducato auch mit Elektroantrieb verfügbar. Das Fahrzeug soll die Benchmark sein und die gleichen Fähigkeiten besitzen wie Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Um zu prüfen, inwiefern das Ziel erreicht wurde, hat sich die Redaktion den Elektro-Transporter genauer angeschaut.
Von außen ist die Elektroversion kaum vom konventionellen Diesel-Ducato zu unterscheiden. Nur das blaue, hochgestellt „E“ vor dem Ducato-Schriftzug über dem Vorderrad und an der linken Hecktür verweist auf den emissionsfreien Antrieb. Was allerdings irritiert ist, dass Fiat als Basis des Elektro-Transporters die letzte Generation des Ducato genommen hat, die bereits im Sommer 2021 vom „New Ducato“ abgelöst wurde. Für ein neues Fahrzeug, dass „Benchmark“ sein will, etwas widersprüchlich. Denn damit muss man auf Innovationen des Modelljahrs 2021 verzichten, wie das überarbeitete Fahrwerk und die neue selbstregulierende, elektrisch unterstützte Lenkung, das deutlich modernere Cockpit und vor allem die große Zahl an Fahrerassistenz- und Sicherheitssystemen – zu denen auch das eigentlich gut zu einem E-Transporter passende autonome Fahren der Stufe 2 gehört.
Dass der E-Ducato auf einem älteren Modelljahr basiert, ist auch in der Fahrerkabine zu spüren: Zum Öffnen der Tür und zum Starten des Antriebs wird ein „klassischer“ Zündschlüssel benötigt – auch „Keyless Entry and Go“ ist dem Modelljahr 2021 vorbehalten. Auch die mechanische Feststellbremse passt nicht so ganz in das Bild eines top-aktuellen Fahrzeugs.
Geblieben ist aber die Flexibilität, die den Ducato auszeichnet: Der E-Ducato ist in den gleichen Varianten erhältlich wie der Diesel. Das bedeutet, dass man aus insgesamt zehn Aufbauversionen auswählen kann - vom Kastenwagen mit Ladevolumen von 10 bis 17 m3 über Kabine mit Fahrgestell in vier Längen und Personentransporter. Die Nutzlast beträgt bis zu 1910 kg.
Bei Tempo 100 ist Schluss
Das, womit der E-Ducato aber vor allem zur „Benchmark“ werden soll, ist der Elektroantrieb. Er leistet 90 kW und bietet ein Drehmoment von 280 Nm. Damit sind die Fahrleistungen durchaus vergleichbar mit denen eines „normalen“ Diesels. Allerdings riegelt der Antrieb bei 100 km/h ab – das schont zwar die Batterie, macht aber lange Autobahnfahrten und Überholmanöver eher anstrengend.
Zwei Batteriepakete zur Wahl
Die Energie wird in Hochvolt-Batterien gespeichert, die unter dem Boden platziert sind. Zur Wahl stehen dabei zwei Batterie-Pakete: Das kleinere bietet eine Kapazität von 47 kWh, das reicht für 170 km im WLTP-Zyklus, im Stadtzyklus soll er sogar 235 km erreichen. Wer weitere Strecken zurücklegen will, kann auf das größere 79-kWh-Paket zurückgreifen. Damit erhöhen sich die Reichweiten auf 280 km im WLTP-Zyklus beziehungsweise 370 km im Stadtzyklus. Diesen Reichweitengewinn lässt Fiat sich allerdings gut bezahlen: 16 600 Euro netto extra kostet das große Batteriepaket, plus einem 11-kW-Ladeanschluss für 1500 Euro. Auch die weiteren, optional möglichen Lademöglichkeiten sind teuer: So stehen ein 22-kW-Ladeanschluss mit 3000 Euro und ein 50-kW-Schnellladeanschluss für 2500 Euro (immer ohne Mehrwertsteuer) in der Preisliste. Erkauft wird die höhere Reichweite übrigens auch mit einem Abschlag bei der Nutzlast: Sie sinkt durch das größere Batteriepaket um rund 300 kg.
Mehr Zuverlässigkeit in punkto Batterie
Interessant im Zusammenhang mit den Batterien sind zwei Funktionen, die einen überraschenden Stopp des Elektro-Transporters vermeiden sollen: Der „Turtle Mode“ ähnelt der Batteriesparfunktion eines Mobiltelefons und wird bei niedrigem Ladezustand automatisch aktiviert, was bei begrenzter Fahrleistung die Batterie um 8 bis 10 Prozent länger arbeitsfähig hält. Durch den „Recovery Mode“ fährt der E-Ducato zudem weiter, falls mal ein Batteriemodul ausfallen sollte – dann übernehmen die restlichen Module seinen Platz.
Anschaffung teuer, Betrieb günstiger
Von den Preisen her bewegt sich der E-Ducato in einer ähnlichen Preisspanne wie sein Wettbewerb: Die Preisliste des Fiat E-Ducato reicht vom Kastenwagen L2H1 (mittlerer Radstand, normale Dachhöhe) mit 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht und 10 m3 Ladevolumen für 55 400 Euro (zuzüglich Mehrwertsteuer) bis zum Kastenwagen L5H3 (extra langer Radstand, Super-Hochdach) mit 4,2 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht und 17 m3 Ladevolumen für 61 030 Euro. Damit ist er – wie jeder Elektrotransporter – deutlich teurer als seine Verbrenner-Geschwister. Doch erreicht er laut Berechnungen von Fiat bei den Gesamtbetriebskosten im Wesentlichen Parität mit einem Ducato mit Verbrennungsmotor. So soll der E-Ducato zum Beispiel innerhalb einer Laufleistung von 150 000 km etwa 15 000 Euro Kraftstoffkosten gegenüber einer vergleichbaren Dieselversion sparen, zusätzlich liegen die Wartungskosten um mehr als 40 Prozent niedriger. Hinzu kommen noch elektrospezifische Kaufanreize.
Und um Handwerker, die sich noch unsicher sind, den Einstieg in die Elektromobilität einfacher zu machen, bietet die FCA Bank bei einer Finanzierung auch das so genannte „Free to E“-Programm an. Damit können Handwerksbetriebe ihren E-Ducato innerhalb von zwei Monaten nach dem Kauf und einer maximalen Kilometerleistung von 1500 km zurückgeben. Einzige Bedingung: Es muss dann Ducato, Talento oder Doblò mit Verbrennungsmotor gekauft werden.
Fazit
Eine Benchmark im Segment der Elektrotransporter ist der E-Ducato wohl eher nicht. Technisch macht der E-Antrieb aber einen guten Eindruck und hat auch die ein- oder andere Funktion. Mit der relativ geringen Reichweite ist der E-Ducato auch eher etwas für Handwerker, die im Stadtverkehr unterwegs sind. Dann aber hat der E-Ducato die gleichen Fähigkeiten wie ein Ducato mit Verbrennungsmotor.
Autor
Dipl.-Ing. Olaf Meier studierte Maschinenbau und arbeitet als freier Fachjournalist. Er lebt in Mönchengladbach und schreibt unter anderem als Autor für die Zeitschrift bauhandwerk.