Die Zukunft der Dämmung in Deutschland
Wie Superisolationsmaterialien künftig die Gebäudedämmung bestimmen
Fernab der Diskussion um das Für und Wider einer Fassadendämmung aus Polystyrol entwickeln die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Hersteller und Institute Dämmstoffe, die schon heute viel mehr können, als nur ausgesprochen gut zu dämmen.
Schon heute muss ein Dämmstoff weit mehr können, als nur dämmen. Erfolgreich werden insbesondere die unter dem Kürzel SIM (Superisolationsmaterialien) zusammengefassten, zurzeit jedoch noch ausgesprochen teuren Dämmstoffe aber nur dann sein, wenn sie einen materiellen und konstruktiven Mehrwert bieten, der weit über die optimierte Wärmeleitfähigkeit hinausgeht und sich Handwerkern und Architekten auch vermitteln lässt. Wenn dies gelingt, dann wird ihr Erfolg in der Kombination mit anderen Materialien und Bauelementen liegen, die zum Beispiel einen besonders schlanken, leichten oder bauphysikalisch intelligenten Aufbau erlauben. Solche Kompositwerkstoffe gibt es sowohl auf Basis klassischer Dämmstoffe als auch auf der von SIM schon heute!
Klassische Kompositdämmstoffe
Massive Außenwände, deren Hochlochziegel mit Perlite oder Mineralfasern und neuerdings bei unipor unter dem Namen Silvacor auch mit Holzfasern gefüllt sind, erreichen mit einer Wärmeleitfähigkeit von 0,07 W/mK bei einer 42,5 cm dicken Wand einen deutlich besseren U-Wert von 0,16 W/m2K, als ihre nur mit Luft gefüllten Verwandten. Klar, dass man für eine solche Außenwand kein WDVS mehr braucht.
Auch wenn in der novellierten EnEV 2014 die Anforderung, mit einer Innendämmung einen U-Wert von 0,35 W/m2K zu erreichen, weggefallen ist und damit auch der Druck, hochwertige Dämmstoffe für die Innendämmung zu entwickeln, sich verringert hat, werden bereits auf dem Markt verfügbare Kompositdämmstoffen verbessert und neue auf den Markt gebracht. So bietet Poroton auf Basis ihrer Hochlochziegel unter dem Namen Poroton-WDF ein nur 8 cm dickes, mit Perlite gefülltes Wandelement mit einer Wärmeleitfähigkeit von 0,06 W/mK an, das sowohl als Innen- als auch als Außendämmung verwendet werden kann.
Bei Remmers gibt es mit iQ-Therm eine dampfdiffusionsoffene und vor allem auch kapillaraktive Variante der ansonsten dichten Polyurethan-Hartschaumplatte mit einer niedrigen Wärmeleitfähigkeit von 0,031 W/mK. Bei diesem Kompositdämmstoff handelt es sich um eine perforierte Platte, in deren Löchern sich kapillaraktives Kalziumsilikat befindet, das wesentlichen Einfluss auf die bauphysikalischen Eigenschaften der Dämmung nimmt. Auch iQ-Therm macht deutlich, dass es um mehr als nur um eine gute Dämmung geht, sondern vor allem darum, Gebäude dank eines bauphysikalisch gesunden Feuchtehaushalts zu erhalten. Die bloße Berechnung, nach wie vielen Jahren sich die Investition in eine Dämmung ausgezahlt hat, spielt dann im Grunde genommen keine Rolle, wenn durch die Dämmung die Immobilie länger erhalten bleibt. Bei einem Neubau wird die Dämmung ganz selbstverständlich als Bestandteil eines Gebäudes gesehen. Warum nicht auch bei einer Sanierung? Man muss gar nicht immer die Frage nach der Amortisation stellen.
Gemein ist diesen klassischen Kompositdämmstoffen also, dass sie die positiven Eigenschaften von zwei Materialien zu einem Bauteil verbinden, das eben deutlich mehr kann, als nur zu dämmen.
SIM-Kompositdämmstoffe
Stärker zukunftsorientiert sind die Materialien und Bauteile, die einen klassischen Baustoff mit einem SIM (Superisolationsmaterial) kombinieren. Dazu gehören vor allem die Vakuumdämmung, Aerogel und synthetisch amorphe Kieselsäure. Bei letzterer handelt es sich im Grunde genommen um ganz feinen, gepressten Sand. Auf ein Bindemittel wird dabei verzichtet. Die Festigkeit wird allein durch den Druck erreicht. Die Festigkeit ist jedoch nicht so groß, dass man das von Evonik unter dem Namen Calostat produzierte Material mit einer Wärmeleitfähigkeit von 0,019 W/mK auf der Baustelle verarbeiten sollte. Es wird also ein weiteres Materials empfohlen, von dem die synthetisch amorphe Kieselsäure geschützt beziehungsweise in das sie eingebettet wird. Ein solches Produkt kann beispielsweise die Xtra Klimaplatte von Calsitherm sein. Durch den Kern aus synthetisch amorpher Kieselsäure verbessert sich die Dämmung der Kalziumsilikatplatte mit einer Wärmeleitfähigkeit von mäßigen 0,065 W/mK auf gute 0,031 W/mK und bleibt trotzdem bis in den Kern rein mineralisch. Aber auch Schlagmann hat bereits einen Prototypen seines WDF-Vormauersteins mit Calostat gefüllt entwickelt.
Kombinationen mit Vakuumisolationspaneelen
Vakuumisolationspaneele (kurz VIP) bestehen im Kern aus pyrogener Kieselsäure, so dass eine solche Platte sogar dann noch vergleichsweise gut dämmt, wenn sie ihr Vakuum verloren hat, was beispielsweise durch eine Verletzung der Folie geschehen kann. In die ist der Kern aus pyrogener Kieselsäure luftdicht eingeschweißt. Die Wärmeleitfähigkeit der VIP liegt bei extrem niedrigen 0,007 W/mK – dem besten Wert, der sich nur mit Nichts (Vakuum) erreichen lässt. Das Problem dieser Platten: Weder darf man darin einen Nagel einschlagen noch lassen sich die Platten auf der Baustelle zuschneiden. Daher ist für die Verarbeitung der Platten auf der Baustelle auch hier eine Kompositlösung gefragt. Die Hersteller müssen ihre Produkte so „verpacken“, dass die Handwerker sie auch vernünftig montieren können. Erster Schritt: Objektbezogene Vorkonfektionierung der VIP nach einem Verlegeplan. Zweiter Schnitt: Minimale Anpassung auf der Baustelle beispielsweise mit einem Dämmrahmen aus Resolhartschaum, den man Zuschneiden und durchbohren darf.
Bei Variotec werden die VIP von solch einem Rahmen aus Resolhartschaum umschlossen, durch den man Schrauben zur Befestigung drehen kann. Die VIP finden sich auch in der neuen Passivhaustür Integral L VIP, die bei einer Dicke von nur 2,5 cm einen U-Wert von 0,61 W/m2K erreicht – 0,80 W/m2K wären für den Passivhausstandard schon genug. Oder die VIP stecken in Elementen für VH-Fassaden. Bei Variotec erreicht man einen U-Wert von 0,175 W/m2K für das nur 56 mm dicke Fassadenelement VT-A-B1.
Die Vakuuminnendämmung VacuPad 007 von Isover wird dagegen an der Innenseite der Außenwand verklebt. An den Laibungen erlaubt ein breiter Rand aus Resolhartschaum den Zuschnitt. Resolhartschaumplatten – mit einer Wärmeleitfähigkeit von 0,022 W/mK an der Grenze zum SIM – dienen auch als Ausgleich, wenn es auf der Baustelle mal nicht ganz so exakt passt. Oder die VacuPads werden unterm Dach zwischen die Sparren geklemmt oder als Dämmung auf Dachterrassen verlegt.
Beim WDVS von Weber stecken die VIP in einem so genannten LockPlate-System aus Polystyrol. So entstehen bei der Montage zwei Schichten aus VIP hintereinander, die einander überlappen. Zudem ist auch das Bohren und Dübeln durch den Rahmenrand der ersten Schicht aus Polystyrol und deren Zuschnitt auf der Baustelle möglich.
Kombinationen mit Aerogel
Aerogele sind kein bestimmtes Material, sondern Materialstrukturen, so genannte Nanostrukturen, deren Poren – wie der Name (Nano = Zwerg) schon sagt – sehr klein sind. Die Idee des Aerogels beruht darauf, eine Porenstruktur zum Beispiel aus Siliziumdioxid (Sand) so fein herzustellen, dass jede Pore nur ein Luftmolekül umschließt. Dadurch können die Luftmoleküle die Wärmeenergie über „Aneinanderstoßen“ nicht weitergeben. Das Porenvolumen ist in der Summe so groß (99,98 Prozent), dass Aerogel fast ausschließlich aus Luft besteht. Rockwool kombiniert unter dem Namen Aerowool ihre klassische Steinwolle mit Aerogel und erreicht damit eine Wärmeleitfähigkeit von 0,019 W/mK. Die klassische Mineralschaumplatte von Sto erreicht mit Aerogel unter dem Namen Sto In Aevero sogar eine Wärmeleitfähigkeit von nur 0,016 W/mK. Die Steinwolle und auch die Mineralschaumplatte kann der Handwerker auf der Baustelle im Wesentlichen so verarbeiten, wie er es von vergleichbaren Dämmstoffen ohne Aerogel gewohnt ist – also auch auf Maß zuschneiden, bohren und dübeln.
Und auch bei Xella forscht man daran, die für einen Porenbetonstein bereits ausgezeichnete Wärmeleitfähigkeit des Ytong Energy+ von 0,06 W/mK durch den Einbau von anorganischem Aerogel oder synthetisch amorpher Kieselsäure weiter zu verbessern. Es dürfte jedoch noch einige Jahre dauern, bis es hier weiter verbesserte Produkte auf dem Markt gibt.
Hasit mischt in seinen Dämmputz Aerogel hinein und erreicht unter dem Namen Fixit 222 eine Wärmeleitfähigkeit von 0,028 W/mK, was für einen Dämmputz ein sehr guter Wert ist, da diese sonst bei Wärmeleitfähigkeiten von 0,066 W/mK bis 1,00 W/mK liegen.
Polyurethan mit Aerogelstruktur
Bei der BASF in Lemförde wird in diesem Jahr eine Pilotanlage in Betrieb genommen, auf der unter dem Namen Slentite Polyurethanplatten hergestellt werden, die insgesamt die Struktur eines Aerogels besitzen. Den Herstellungsprozess der Aerogel-Synthese gezielt zu steuern, ist eine hohe Kunst. Logisch dass bei BASF in Lemförde ein Aerogel auf Basis von Polyurethan entwickelt wurde, gilt doch die 3000-Seelen-Gemeinde als größtes Polyurethan-Forschungszentrum der Welt. Dr. Marc Fricke, der als Chemiker bei der BASF in Lemförde mit seinem Team an der Entwicklung von SIM arbeitet, hat den extrem leichten dampfdiffusionsoffenen und kapillaraktiven Dämmstoff mit einer Wärmeleitfähigkeit von 0,017 W/mK erfunden, der zudem eine Druckfestigkeit von mehr als 300 kPa besitzt – mit anderen Worten: eine Revolution. Auch dieses Material gehört selbstverständlich zu den SIM. Es lässt sich hervorragend handwerklich bearbeiten: Man kann es leicht schneiden, bohren und kleben. Slentite kann sowohl als Außen- als auch als Innendämmung eingesetzt werden und wird sich auch in einer Vielzahl von Bauteilkonstruktionen wie Fassadenelementen, Fenstern und Türen wiederfinden. Im Laufe des Jahres werden die ersten Platten aus der Pilotanlage erwartet. Bis man sie am Markt kaufen kann, wird es aber sicher noch einige Jahre dauern.
Mehrwerte der SIM
Synthetisch amorphe Kieselsäure, Vakuumdämmung und Aerogel bieten jedoch weitaus mehr, als nur eine sehr niedrige Wärmeleitfähigkeit. Da es sich im Grunde genommen gar nicht um Materialien, sondern um Strukturen handelt, besitzen diese Dämmstoffe so kleine Poren, dass darin keine Luftbewegung mehr stattfinden kann. Dies macht die Wärmeleitfähigkeit von zum Beispiel synthetisch amorpher Kieselsäure von der Temperatur unabhängig. Üblicherweise wird die Wärmeleitfähigkeit der Dämmstoffe bei 10 °C ermittelt. Steigt die Temperatur, steigt auch die Wärmeleitfähigkeit der klassischen Dämmstoffe an. Synthetisch amorphe Kieselsäure ist hiervon nicht, oder nur in einem sehr geringen Maße betroffen, so dass sie im Sommer genauso gut dämmt wie im Winter, was zu einem ausgezeichneten sommerlichen Wärmeschutz führt. Sie nimmt tagsüber die Wärme auf, wodurch ein Kühlungseffekt entsteht, und gibt sie nachts wieder ab und erreicht damit eine Phasenverschiebung von gut zwölf Stunden. Und das ist nur ein Beispiel für einen Mehrwert von vielen, der aus den Eigenschaften der SIM entsteht.
Einfluss auf die Gestaltung
Denn darüber hinaus sind SIM leicht, da sie quasi aus Luft bestehen. So kann man mit ihnen nicht nur besonders dünne, sondern auch sehr leichte Bauteile realisieren. Bei den unter dem Namen CTpaneel angebotenen Fassadenelementen der FKN Gruppe wird ein Vakuumisolationspaneel von zwei Platten aus Calostat umschlossen zu einem nur 12 cm dicken Paneel. Bei einem U-Wert von bis zu unter 0,15 W/m2K lässt sich damit eine extrem leichte und schlanke Fassade in F90 montieren und das mit einem Schallschutz von bis zu 49 dB (SSK 5).
Aber auch vor den klassischen Dämmstoffen bleibt die Forschung und Entwicklung nicht stehen. So hat das Frankfurter Architekturbüro Hild und K in Zusammenarbeit mit Sto ein Verfahren entwickelt, bei dem die Polystyrolplatten entsprechend dem Wärmedurchgangskoeffizienten der Bestandsaußenwand bei einer Sanierung dimensioniert werden. Dies führt zu einer Modulation der Oberfläche des WDVS, was in seiner Lebendigkeit fernab der Optik klassischer WDV-Systeme ist.
Neben Fragen der Wohngesundheit, Recyclingfähigkeit und Ökologie kommt auch der Oberflächenbeschichtung der Dämmstoffe in Zukunft mehr Bedeutung zu. So arbeitet man am Fraunhofer-Institut Umsicht (was für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik steht) nicht nur an modernen Dämmputzlösungen, sondern auch daran, diese außen mit schaltbaren Oberflächen zu beschichten – ähnlich den in ihrem sd-Wert variablen Dampfbremsen wie zum Beispiel der Vario KM Klimamembran von Isover. Das Oberflächenmaterial der Beschichtung sollte dabei allerdings die gleichen Dampfdiffusionseigenschaften wie der Dämmstoff haben, jedoch mit Bezug auf den kapillaren Wassertransport in seiner Dichtheit variabel sein – also bei Schlagregen oder Tau seine Poren verschließen können.
Zur Gestaltung der Oberfläche gehört auch die Fassadenbegrünung, an der man beim Fraunhofer-Institut Umsicht ebenfalls forscht. Zunächst ging es „nur“ darum, die innerstädtische Feinstaubbelastung mit bemoosten Fassaden zu reduzieren. Mittlerweile ist man über Efeu bei Gräsern angelangt, mit denen nicht nur der Feinstaub aufgenommen und anschließend vom Regen abgewaschen werden kann, sondern dank einer Reduzierung der Luftzirkulation vor der Fassade bis hin zum Luftstillstand auch eine Dämmschicht entsteht. Unika bietet ein Kalksandstein-System, das ausreichend Feuchtigkeit speichern und transportieren kann, damit die Gräser auf Grundlage eines mineralischen Substrats gut wachsen können. Auch in Bezug auf den Schallschutz bietet eine solche Fassade einen Mehrwert, der sich aus der Masse der KS-Steine und der Schalldämmung der Blätter ergibt.
Die Zukunft der Dämmung in Deutschland ist so vielfältig wie die hierfür benötigen Materialien.
Autor
Dipl.-Ing. Thomas Wieckhorst ist Chefredakteur der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.
Der Erfolg der SIM (Superisolationsmaterialien) wird in der Kombi-nation mit anderen Materialien und Bauelementen liegen
Herstellerindex (Auswahl)
Hier finden Sie eine Liste der im Beitrag erwähnten Dämmstoffe als Auswahl der Hersteller zum Dowmload mit entsprechenden Links zu den Firmen.